Letzte Woche die Nachricht: Wieder gibt es eine neue Unterkunft für geflüchtete Menschen in Dortmund. Wieder wollte die Stadt in einer Informationsveranstaltung die Bürger informieren. Wieder hatten Rassisten – organisiert in der Partei Die Rechte – dazu aufgerufen, dort gegen Geflüchtete zu hetzen. Wieder hatte die Stadt vorher bescheid gewusst. Und wieder tat sie – nichts. Dass Nazis in Dortmund wieder den Mund aufreißen, gegen diejenigen hetzen, die sich nicht wehren können, und mit dieser Hetze mehr und mehr Raum greifen, ist in großen Teilen ein Versagen der Stadt. Von unserer Gastautorin Helene Jansen.
Dass Die Rechte aufgefordert hatte, die Veranstaltung am Mittwoch zu besuchen, um „Meinungsfreiheit“ durchzusetzen, war bekannt – sie ist auf mehreren dieser Veranstaltungen aufgetaucht und hat gegen „kriminelle Asylanten“ gewettert. Die Stadt, die zu der Veranstaltung eingeladen hatte, wusste also, worauf sie sich einließ. Dass plötzlich nicht die üblichen fünf, sondern gleich mehr als 30 auftauchten, war überraschend und beängstigend. Und das ist genau ihr Ziel: Angst machen. Indem sie einfach da sind, sich alle Anwesenden genau anschauen und – ein Novum seit diesem Mittwoch – Redebeiträge filmen.
Auch das gehört zu ihrer Einschüchterungstaktik: Gegnern zu zeigen: Wir beobachten dich. Wir merken uns dein Gesicht. Und wir erinnern uns an dich. Der Flaschenwurf eines Nazis auf einen Polizisten vor dem Gemeindesaal ruft uns – nach dem Angriff auf das Rathaus im Mai – in Erinnerung: Uns kann tatsächlich etwas passieren. Was sie von Migranten, Gegnern und der Geschichte halten, war schon bei den Demonstrationen im Dezember zu hören: Anne Frank, das NSU-Opfer Mehmet Kubaşik oder der von einem Nazi erstochene Thomas Schulz – alle bekamen eine Beleidigung ab. Die Bedrohung ist da. So hämmert sich das Bewusstsein in den eigenen Kopf, dass die Solidarität mit Geflüchteten in Dortmund mit einem persönlichen Risiko verbunden ist. So hämmert sich in den Kopf: Wenn ich helfen, etwas beitragen, Menschen willkommen heißen will, muss ich mit Angriffen rechnen.
Und was taten die Veranstalter? Nichts. Der Sicherheitsdienst ließ die rund 30-köpfige Gruppe einfach in den Saal, obwohl sie die einschlägigen Gesichter von anderen Veranstaltungen zum Thema kennen. Mit dem Moderator haben sie Nazis leichtes Spiel: Einer der Funktionäre – mal Michael Brück, mal Lukas Bals, gestern auch Ratsmitglied Dennis Giemsch – ergreift das Wort, faselt etwas von kritischen Stimmen und Kriminalität, verhaspelt sich zwischendurch ein bisschen, weil der Mund dann doch schneller ist als der Kopf, und genießt es, so lange angehört worden zu sein.
Lediglich Sozialdezernentin Zoerner lässt ihren Worten endlich einmal Taten folgen: Am Mittwochabend setzte sie erstmals zwei Menschen, die rassistische Sprüche in die Menge riefen, sie und andere massiv beleidigten, vor die Tür.
Nun hat die Stadt endlich reagiert: Bei den nächsten Informationsveranstaltungen werden Nazis draußen bleiben müssen.Dieses Zeichen kam viel zu spät-dennoch ist es ein wichtiges und richtiges. Doch damit darf es nicht gut sein: Sie muss dieses Verbot bei jeder dieser Veranstaltungen konsequent umsetzen, auch gegen Widerstand und Protest, den es zweifellos geben wird. Sie muss klar machen, dass menschenverachtende, rassistische oder antisemitische Kommentare nicht diskutabel sind und keinen Moment lang geduldet werden.
Aber auch: Wir – die ominöse Zivilgesellschaft – müssen uns endlich aufraffen. Wir müssen uns fragen, warum die, die solidarisch sind, noch immer so leise sind. Warum wir es nicht schaffen, so viele zu werden, dass die Masse uns Kraft gibt und die Einzelnen keine Angst haben müssen. Und warum wir es zulassen, dass Nazis sich in dieser Stadt wohl fühlen, sich frei und jederzeit bereit zu Gewalt bewegen dürfen.
Einen wichtigen Schritt ist die Stadt nun gegangen. Ob er wirkt, bleibt abzuwarten. Gelegenheiten, das herauszufinden, wird es noch einige geben.
Vielleicht könnte man an dieser Stelle ein ganz klein wenig Überparteilichkeit gelten lassen. Nazis (echte und vermeintliche) werden schon seit langer Zeit gefilmt. Und auch von ihnen fühlen sich viele bedrängt und eingeschüchtert, und das aus viel besseren Gründen (weil sie nämlich den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchten müssen, was bei Linken nicht der Fall ist).
Also: Wer das eine nicht will, sollte auch gegen das andere protestieren. Oder?
@Rainer Möller: Arbeitsplätze? Wenn ich mir die Gestalten auf den Nazi-Demo anschaue, scheint es sich doch eher um regelmässiger Erwerbsarbeit entwöhnter Personen zu halten…
@#1 Rainer Möller: Wer das Recht am eigenen Bild einfordert, hat jederzeit die Möglichkeit, mit Rechtsmitteln – und sei es die direkte Intervention durch Beamte vor Ort oder mit dem Hausrecht des Veranstalters – dagegen vorzugehen. Braune bevorzugen aber Handgreiflichkeiten (im wortwörtlichsten Sinn) gegen die Filmer ihrer Glatzen und Glotzen. Das wird nix mit „Überparteilichkeit“, wenn der Rechtsstaat negiert wird.
Aktuell sieht es doch so aus, dass getestet wird, was in NRW/Dortmund alles möglich ist, bevor die Polizei/die Staatsanwaltschaft aktiv wird. Dortmund/Essen/Köln etc. zeigen, dass hier viel möglich. Laissez faire in allen Bereichen.
Andere Bundesländer haben eine andere Strategie. Die Kriminaliitätsstatistiken zeigen dies.
Verschwörungstheoretiker könnten jetzt natürlich behaupten, dass Polizei und Justiz ihre Jobs sichern, indem sie insbesondere bei Mehrfachtätern immer wieder das Gute im Menschen erkennen und ihn möglichst sanft bestrafen. Oder gibt es andere Interessen?
Es ist kaum noch nachvollziehbar, dass Polizei und Stadt in den letzten Monaten die Situation immer wieder falsch einschätzten.
Meine große Hoffnung ist, dass es noch vor den Wahlen eine Kabinettsumbildung in NRW gibt. In den hier relevanten Bereichen gibt es einfach falsche Prioritäten und zu viele handwerkliche Fehler.
@Klaus Lohmann
Immer wieder missverstandenes „Recht am eigenen Bild“. Bilder die man macht, Beispiel Person A macht Foto von Person B, so hat Person A das recht am eigenen Bild, da es von Person A gemacht ausgeht. Person B hat nur das Persönlichkeitsrecht, und dazu findet man die Info, dass Person B nicht veröffentlicht werdern darf, was hinterrücks mit den Bild passiert weiss man ja nicht.
Somit gilt auch kein Rechtsanspruch darauf, dass Person A das Foto der Person B löscht.
Wenn Person A so freundlich ist dieses Foto zu löschen oder zu vernichten, dann ist es rein aus der Freudlichkeit von Person A heraus.
Ein weitergehen des ganzen ist, wenn Person A mehrere Fotos macht und eine Art von Spionage aus den Bildern hervogeht, so hat unser Gesetz eine Macht gegen Stalken, dem ein Ende zusetzen.
@#5 Henner Kettig: Die Nazis benutzen solche Fotos gern und häufig, um sie auf ihren Webseiten quasi als „Steckbrief“ der fotografierten Personen zu veröffentlichen. Ich leite ein Verbot solcher Aufnahmen nicht aus dem §22 KunstUrhG ab, sondern aus entspr. Urteilen, z.B.:
VGH Baden-Württemberg Urteil vom 8.5.2008, 1 S 2914/07, „Fotografieren einer Person in der Öffentlichkeit; allgemeines Persönlichkeitsrecht; polizeiliches Einschreiten“
Kernsatz des Urteils (über Aufnahmen einer Frau in einer Bibliothek aus Wut über deren Wegnehmen eines Leseplatzes, die dann polizeilich beschlagnahmt wurden):
„Die Beschlagnahme sei auf Antrag der Besucherin der Landesbibliothek erfolgt, um das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, das bereits durch das Herstellen eines Bildes berührt sei, zu schützen. Von einer missbräuchlichen Verwendung der Bilder durch den Kläger sei auszugehen.“
Ich gehe bei Nazis *regelmäßig* davon aus, dass die von ihnen gemachten Bilder missbräuchlich verwendet werden sollen und auch werden. Oder glauben Sie, solche Fotos kommen bei der braunen Brut als Mobile übern Küchentisch?
[…] Wichtiges Zeichen kommt viel zu spät (Ruhrbarone) – Bei den nächsten Informationsveranstaltungen zu geflüchteten Menschen müssen […]