Bei den Dortmunder Grünen ist ein Machtkampf um eines der vier Landtagsmandate aus dem Ruhrgebiet entbrannt. Bei der Kür eines Kandidaten für die Landtagswahl in NRW 2017 traf die Partei am Mittwoch eine überraschende Entscheidung: Der aktuelle Mandatsträger, der Landespolitiker Mario Krüger, Gründungsmitglied der Dortmunder Bündnis 90/Grünen und seit über 30 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Umweltpartei engagiert, konnte das notwendige Quorum nicht erreichen. Ulrich Langhorst, landespolitisch ein unbeschriebenes Blatt, ging als Sieger aus der Abstimmung hervor. Doch möglicherweise hat sich die Partei damit einen Bärendienst erwiesen. Denn über die Listenplätze wird auf Bezirksebene entschieden – der Weg in den Landtag ist für Langhorst also noch längst nicht entschieden. Dortmund könnte daher leer ausgehen.
Vier Mandate können aus dem Ruhrgebiet nach Düsseldorf entsandt werden – anders als beim letzten Mal, wollte der Dortmunder Partei-Vorstand die Basis über den Landtags-Kandidaten für 2017 entscheiden lassen. Was nach basisdemokratischer Einbindung der Mitglieder aussieht, könnte auch reines Kalkül gewesen sein. Langhorst gilt als nett und umgänglich und war als Kreisverbandvorstand beliebt. In seiner Zeit im Rat der Stadt Dortmund, zuletzt als Fraktionssprecher, hörte man von ihm zu landespolitischen Themen allerdings nicht viel. Steilvorlagen aus dem kommunalen Bereich, um sich landesweit zu profilieren, ergriff er bisher nicht. Weder spielte er bei dem Konflikt um die Erweiterung des Dortmunder Flughafens – das Kernthema der Dortmunder Grünen – eine wahrnehmbare Rolle, noch brachte er sich bei dem bundesweit beachteten NRW-Umweltskandal des Dortmunder PCB-Entsorgers Envio ein.
Aus Kreisen der Ratsfraktion hörte man, dass der Sprecher auch im Bereich Sozialpolitik bisher nicht besonders durch eigene Ideen auffiel. Anträge und Reden kämen aus der Feder des Geschäftsführers, an bemerkenswerte eigene Initiativen könne man sich eigentlich nicht so recht erinnern. Erstaunlich, da der Geograph als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Markus Kurth, Sozialpolitiker der Grünen im Bundestag, arbeitet, an der Themen-Quelle sitzt. Langhorst würde bei seinem Job allerdings weniger inhaltlich arbeiten – eine seiner Hauptaufgaben in Kurths Wahlkreisbüro sei die Organisation von Besucherreisen in den Bundestag, heisst es.
Sein Konkurrent Krüger gilt als landesweit gut vernetzt – nicht zuletzt weil er als kommunalpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion auf Parteiebene viel zwischen Gütersloh und Duisburg unterwegs ist und auch während seiner kommunalpolitischen Zeit auf Ruhrgebiets- und Landesebene umtriebig war. Er sitzt seit vielen Jahren in den einschlägigen Ruhrgebiets-Gremien, unter anderem als Vorstandsmitglied des Bezirksverbandes Ruhr und im mächtigen Verwaltungsrat des Verkehrsverbandes Rhein Ruhr (VRR).
Sollte Krüger trotz der Abstimmungsniederlage am Mittwoch keinen Rückzieher machen und sich ebenfalls auf den offenen Platz der Ruhrgebietsvertreter bewerben, könnte es für Langhorst auf Bezirksebene eng werden. Denn der Kandidat auf Platz 4 tritt gemeinsam mit drei bekannten Landespolitikern an und muss ein vergleichbares politisches Gewicht in die Waagschale legen, wenn er keine Blamage riskieren will. Gesetzt sind auf den Ruhrgebiets-Listenplätzen der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh, die stellvertretende Fraktionssprecherin Verena Schäffer und Gesundheitsministerin Barbara Steffens. Über die Liste wird dann endgültig auf der Landesdelegierten- Konferenz entschieden.
Langhorst sagte einmal: „Es lohnt sich allein für ein gutes Gefühl, die Gesellschaft mit zu bewegen.“ Das hört sich nett an, doch werden die Grünen mit einem Vertreter von Wohlfühl-Politik auf Landesebene nicht viel bewegen. Das könnte einige im Ruhrgebiet unruhig machen. Scheitert Langhorst mit seiner Kandidatur beim Bezirksverband Ruhr dennoch nicht, wird ein „gutes Gefühl“ für sich selbst – anstelle der Umsetzung landespolitischer Ziele und vorzeigbarer Erfolge – im Landtag bestenfalls für einen Platz auf der Hinterbank reichen. Daran würde auch das rein symbolische Votum seines Kreisverbandes nichts ändern.
Das Ruhrgebiet braucht (egal in welcher Partei) starke und gut vernetzte Vertreter im Landtag – ist es doch immer noch auf umfangreiche Finanzmittel aus Düsseldorf angewiesen, um den Strukturwandel zu finanzieren, die Flüchtlinge angemessen zu versorgen und die schwindelerregend hohen Arbeitslosenzahlen (Dortmund 12,6%, Gelsenkirchen 15,4 %) zu bewältigen.
Wie der Machtkampf ausgeht, wird die Grünen im Ruhrgebiet daher weit über den Dortmunder Tellerrand hinaus interessieren.
Ein Hinterbänkler geht, ein Hinterbänkler kommt. Ein Null ersetzt eine Null. Vollkommen egal 🙂
"Machtkampf" hört sich so verklärend nach Anstrengung, Idealismus, Bewegung, Bedeutung, Wichtigsein an – passt überhaupt nicht nach Dortmund.
1. Unabhängig von den politischen Schwerpunkten der Kandidaten, deren aktueller politisch-räumlicher Ausrichtung und den Sympathien des Verfassers sollte ein Journalist auch bei den Ruhrbaronen ein Grundprinzip des Journalismus beherzigen und Meldung und Meinung trennen.
2. Wenn die Behauptung stimmt. dass der dem Internet unbekannte Autor Georg Kontekakis ein Pseudonym des Journalisten Stefan Laurin ist, so würde das nicht nur den Beitrag, sondern auch die erste Kommentierung des Artikels durch Stefan Laurin in ein ganz anderes Scheinwerferlicht stellen.
3. Die östlichste Metropole des Ruhrgebiets braucht auf Landesebene eine kompetente Vertretung. Möchte da etwa eineR Dortmund zugunsten einer anderen Ruhrgebietsstadt, etwa Bochum, im Vorfeld einer Nominierung schwächen?
@Jürgen Brunsing: Die Behauptung stimmt nicht. Mir ist vollkommen egal wen Dortmund nach Düsseldorf schickt. Lobende Worte über Krüger wären mir nie eingefallen – für was auch?