Weil auf einer Nazi-Demonstration am 1. Mai 2014 in Dortmund immer wieder „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ gerufen wurde“, erstatteten mehrere Beobachter der Demonstration – darunter eine Autorin dieses Blogs – Strafanzeige. Die Verfahren wurden nun von der Dortmunder Staatsanwaltschaft eingestellt. Eine zumindest fragwürdige Entscheidung.
Der Ruf hallte an diesem Tag immer wieder durch die Straßen der Dortmunder Stadtteile Westerfilde und Mengede: 500 Neonazis aus ganz Deutschland waren angereist, um die Nazi-Partei Die Rechte kurz vor der Kommunalwahl zu unterstützen. Die Polizei hatte an diesem Tag die Lage nicht im Griff: Nazis konnten sich an Kiosken mit Alkohol versorgen und die in den Auflagen zur Demonstration untersagten Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ wurde immer wieder gerufen – unter anderem von dem bekannten Neonazi Dennis Giemsch während einer Rede auf einer Zwischenkundgebung. Einen Tag zuvor hatte die Dortmunder Polizei genau wegen dieser Parole eine Kundgebung der Nazis aufgelöst – am 1. Mai sah sie tatenlos zu.
Das alle hatte ein Nachspiel: Beobachter der Demonstration – darunter eine Autorin dieses Blogs – erstatten Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Die Verfahren wurden nun von Staatsanwalt Schulte-Göbel eingestellt. Seine Begründung: Das rufen der Parole sei alleine noch kein Straftatbestand. Es käme auf weitere besondere Umstände an. Nach seiner Ansicht, lagen diese nicht vor.
Mehrere Gerichte haben die besonderen Umstände beschrieben: Ein aggressives Auftreten der Demonstrationteilnehmer, Gewalttaten aus der Demonstration heraus, direkte „Ansprache“ von Migranten zum Beispiel. Das alles lag am 1. Mai vor: Es kam zu Flaschenwürfen auf Polizeibeamte, in Mengede am Rand der Demonstration fast zu einer Schlägerei zwischen Nazis und Migranten. Immer wieder waren Anwohner beschimpft und bedroht worden. Die Stimmung am 1. Mai 2014 war extrem aggressiv. Das alles sind für die Dortmunder Staatsanwaltschaft keine Umstände , die zumindest rechtfertigen ein Strafverfahren weiter zu führen – zumal ja zum Teil die Namen der mutmaßlichen Täter bekannt sind. Der Staat, den ja die Staatsanwaltschaft als Ankläger vertritt, sorgt mit einem solchen kuscheligen Vorgehen nicht dafür, von den Nazis ernst genommen zu werden.
Ich bin mit den Prozessen bei der Staatsanwaltschaft nicht vertraut.
Vorgang: 01.05.2014
Nun eingestellt : ca. 06/2016
=> Ein Zeitraum von 2 Jahren
Was passiert denn so in dieser langen Zeit?
Geht es nur um die Bewertung dieses Vorgangs?
Wenn 2 Jahre zwischen Anzeige und Verfahren liegen, ist das ein langer Zeitraum. Erklärung? Vermutlich sind die Gerichte überlastet. Hilfreich ist das lange Hinziehen solcher Verfahren allerdings nicht – und kein gutes Signal an die Täter im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Straftaten!
Wenn ein Verfahren nicht bereits im Vorfeld eingestellt wird (wie in diesem Fall) und es zu einem Prozess kommt, kann sich das Ganze noch mal in die Länge ziehen. Denn nach einem Einspruch des Angeklagten dauert es wiederum eine ganze Weile, bis es zum Prozess in der nächsten Instanz kommt.
Bei solchen Zeitspannen hilft den Zeugen nur ein gutes Erinnerungsvermögen. Und zusätzlich Beweismittel wie Fotos, Videomaterial etc.
Hinzu kommt, dass Rechtsextreme die Möglichkeit nutzen, durch Krankmeldung am Prozesstag das Verfahren weiter hinauszuzögern. Dann dauert es wiederum einige Monate länger, bis das Gericht einen neuen Prozesstag anberaumt.
Mehr zum Ablauf eines Ermittlungsverfahren
http://justiz.hamburg.de/ablauf-des-ermittlungsverfahrens/
@2:
Wenn diese langen Verfahren durch Überlastung begründet sind, obwohl sie nicht sonderlich komplex erscheinen, muss sich die Politik schon fragen lassen, welchen Wert das Rechtssystem und die Sicherheit hat. In NRW offensichtlich keinen.
Dieser Zustand wird auch immer wieder vom konservativen Politikern bemerkt.
Bei Politikern, deren Schwerpunkt "Der Kampf gegen Rechts" ist, zeigt sich natürlich, wie sehr sie sich wirklich für Sicherheit, kurze Verfahren etc. interessieren. Sie könnten ja auch handeln und die Strukturen für eine schnelle Bearbeitung schaffen. D.h. natürlich nicht, dass immer alles in Richtung "Laissez-faire" geht. Dies entspricht dem aktuellen Eindruck bei der staatlichen Verfolgung von vielen Taten.
@#3:
"Gründe und Ursprünge aktueller Geschäftsüberlastung der Gerichte"
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rsozlog/daten/pdf/Roehl%20-%20Effiziente%20Rechtsverfolgung.pdf
PS: Der Beitrag ist knapp 30 Jahre alt. Und eine Kernfrage daraus ist auch heute noch gültig: Wenn es Überlastung gibt, was ist dann die "Normalbelastung"?