Dortmunder Rat: Lieber viele Mandate als keine Nazis

Ratssaal in Dortmund

In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause hätten die Dortmunder Politiker die Chance gehabt, NPD und Rechte loszuwerden. Doch ihre eigenen Parteifreunde mit Mandaten zu versorgen, war ihnen wichtiger.

Pöbeln, lautstarke Zwischenrufe, Ordnungsrufe des Oberbürgermeisters. Kleinstgruppierungen und rechte Ratsmitglieder legen den Rat in Dortmund schon seit der letzten Wahl lahm. Der Umgangston ist rau, politische Entscheidungen werden selten diskutiert. Stattdessen überziehen sich die Fraktionen mit Resolutionen. Die einen (Rechte, NPD, AfD) stellen Anträge gegen Migranten, die anderen gegen rechts. Über Stadtpolitik wird eher selten gesprochen.

Elf Parteien im Rat

Elf politische Parteien und Gruppierungen sitzen im Rat. Weil alle, insbesondere rechte Parteien und die Wählerinitiative FBI, zu allem und jedem ihren Senf dazu geben, dauern die Sitzungen gern acht Stunden. Ohne dass wirklich Substanzielles dabei rauskommt. Wichtige Entscheidungen wurden ohnehin schon vorab in Ausschüssen beschlossen. So winken die Ratsmitglieder für die Bürger wichtige Punkte einfach durch und spielen in den Ratssitzungen lieber Bundestag, indem sie über allgemeinpolitische Fragen von Klima über Glyphosat bis Migration diskutieren. Eine Folge der Polarisierung im Rat.

Verkleinerung spart halb Million Euro

Ausgerechnet Detlef Münch von der Freien Wählergruppierung FBI wollte dem ein Ende bereiten. In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause stellte er den Antrag, den Rat und die Bezirksvertretungen zu verkleinern. Hätte der Rat den Antrag angenommen, wäre Münch vermutlich bei der nächsten Wahl nicht mehr in den Rat gekommen. 0,75% der Stimmen reichen zwar bei einem Rat mit fast 100 Mitgliedern für ein Mandat, bei einem auf 88 – wie von Münch vorgeschlagen – Ratsmitglieder verkleinerten wahrscheinlich aber nicht mehr. Auch Rechte und NPD hätten es schwer, wieder ins Stadtparlament einzuziehen. Ganz nebenbei hätte diese Verkleinerung der Kommune nach Münchs Berechnungen jährlich eine halbe Million Euro gespart.

Parteien lehnen ab

Doch Sparen scheinen die Ratsmitglieder lieber bei anderen Dingen als bei sich selbst. Also lehnten sie den Antrag von Münch ab. Einmütig. Ohne große Diskussion. Über die Gründe darf deshalb spekuliert werden. Oder auch nicht. Denn bei einer Verkleinerung des Rates hätten auch die großen Parteien Mandate verloren. Und Parteikollegen wollen versorgt werden. So werden wir auch nach der nächsten Wahl wieder etliche Splitterparteien im Rat haben, es wird weiter über Bundespolitik statt über lokale Fragen diskutiert. Nur bitte, liebe Ratsmitglieder, beklagt euch nicht mehr über den handlungsunfähigen Dortmunder Rat. Ihr hättet es ändern können.

Ergänzung vom 07.08.19: Weil die Kommentatoren zu Recht fragen, ob es im Sinne einer Demokratie sei, Rechte auszuschließen, eine kleine Ergänzung. Es geht mir um die Handlungsfähigkeit des Rates. Die sehe ich aktuell nicht als gegeben an. Hintergrund ist der Wegfall einer 5-Prozent-Hürde auf kommunaler Ebene. Natürlich sind auch diese Hürden nicht gerecht, sie machen Regieren aber einfacher. Du kannst aufgrund der Größe des Rates mit wenigen hundert Stimmen ein Mandat ergattern.

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Bebbi
Bebbi
5 Jahre zuvor

Ist es einer Demokratie würdig, die Größe eines Stadtrates davon abhängig zu machen, ob damit unliebsame Parteien, Wählergruppen etc. rausgehalten werden können?

Warum um alles in der Welt muss Lokalpolitik effiziente Sitzungen bedeuten? Maximal Effizient wäre die Abschaffung des Rates und ein "Expertengremium" trifft alle Beschlüsse.

Liegt es wirklich an den kleinen Gruppierungen, dass Debatten über Bundesthemen geführt werden?

Jim Bim
Jim Bim
5 Jahre zuvor

Das Parteien die "rechts" sind im Parlament vertreten sind ist der Wunsch des Wählers – das ist Demokratie und das ist gut so – dass die Herren unfähig sind, sich auf Sacharbeit zu konzentieren wird ihnen ja von Politikern im Bundestag vorgemacht – Vorbildfunktion und so

thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

Handlungsfähig könnte der Rat auch in achtstündigen Sitzungen sein, schließlich haben die großen Parteien doch Mehrheiten, die eine solche Effizienz herstellen können. Man muss es halt wollen. Effizienz hängt nicht davon ab, ob 100 oder 88 Mitglieder im Rat sitzen.
Wenn man sich Mühe gibt, kann man sogar die faschistoiden Gruppierungen und Einzelpersonen und ihre Forderungen ad absurdum führen. Auch das muss man wollen.

Yilmaz
Yilmaz
5 Jahre zuvor

Die Frage ist doch, warum andere Stadträte das hinbekommen, es gibt ja fast überall 1-2 rechte Spinner. Warum versagt Dortmund da so extrem ? Liegt es an Sierau, der ja auch intern nicht ganz unumstritten ist ?

Nina
Nina
5 Jahre zuvor

Die Hürden in den Rat zu kommen sind zu niedrig, das sehe ich auch so. Und mit der "Partei" Die Rechte hat man sich genau dadurch ein Kukucksei ins Nest geholt. Diese Leute haben mit Demokratie rein gar nichts zu tun, nutzen aber das gemütliche Schlupfloch um sich einen Schafspelz überzuziehen. Demokratisch wäre es tatsächlich, die Neonazis aus dem Rat zu befördern. Und wenn es da Möglichkeiten gibt, wie oben beschrieben, dann finde ich es dumm und beschämend, dass diese nicht ausgeschöpft werden.

Martin
Martin
5 Jahre zuvor

@Nina: Wieso ist es demokratisch unliebsame Vertreter anderer Parteien, deren Meinung einem nicht gefällt auszuschließen??? Das ist doch genau das, was man Demokratiefeinden vorwirft! Lebt eine gesunde Demokratie nicht von der Vielfalt der Ansichten, oder besteht die viel propagierte bunte Vielfalt lefiglich aus Nuancen nur einer bestimmten Meinungsrichtung? Deine Ansicht ist so undemokratisch wie die Ansichten derer, denen du Demokratielosigkeit vorwirfst! Man muss sich wie Thomas vorschlägt, sachlich damit auseindersetzen.

Nina
Nina
5 Jahre zuvor

@8 Martin: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen." Neonazis haben in einem Rat nichts zu suchen. Vielleicht lohnt es sich für Dich, Dich mit Brück und den anderen Neonazis zu beschäftigen. Ich habe nicht den Eindruck, dass Du weisst, was das für Leute sind.
Davon abgesehen-dass Kleinstparteien in einen Rat einziehen können, halte ich nicht erst seit gestern für einen Fehler. Die Hürde muss wieder höher sein.

Irmhild Knoche
Irmhild Knoche
5 Jahre zuvor

Ich habe mir das letzte Protokoll der Dortmunder Ratssitzung durchgelesen. Die Tagesordnungspunkte und Debatten sind kurz und verständlich wiedergegeben. Ich kann da absolut nichts entdecken, was auf einen handlungsunfähigen Rat hinweist. Im Gegenteil: Der Rat packt die mannigfaltigen Aufgaben an, die in einer Stadt wie Dortmund bewältigt werden müssen. Der Vorwurf des Artikelschreibers kommt mir populistisch vor.

Irmhild Knoche
Irmhild Knoche
5 Jahre zuvor

Mach ich am 26.9.19 um 15.00 Uhr.
Das eine sollte das andere nicht ausschließen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
5 Jahre zuvor

@thomas weigle: Nicht vergessen, dass da nicht wie im Bundes- oder Landtag Berufspolitniks sitzen, sondern ganz normale "Werktätige", die dieses Sitzungstheater in ihrer "freien" Zeit machen. Und das ist einer der Hauptgründe, warum die Effizienz einer Ratsversammlung stark von der Ernsthaftigkeit der Mitglieder abhängt, auch Ergebnisse schaffen zu wollen – was diese Kleinbirnen-Parteien im Dortmunder Rat schon seit Jahrzehnten *nicht* wollen, wenn ich da allein nur an den unsäglichen Detlev Münch denke.

@Irmhild Knoche: Wenn wie im Protokoll der Ratssitzung v. 23.05. dieses Jahres notiert wird: "Rm Thieme (Gruppe NPD/Die Rechte) …. Der Mandatsträger hat der Veröffentlichung seiner Redebeiträge im Internet nicht zugestimmt.", dann kann sich Jeder denken, welche Hasslawinen – vor allem zum dortigen Punkt "Dortmund ist und bleibt sicherer Hafen für geflüchtete Menschen" – vonseiten der Nazis wieder abgelassen wurden. Das hat mit einer demokratischen Ratssitzung nichts mehr zu tun.

Peter Michalke
Peter Michalke
5 Jahre zuvor

Wir sind Dortmund
Diese Stadt (meine Geburts- und Heimatstadt) ist, lokalpolitisch betrachtet, ein Dino aus einer längst überkommenen Zeit. Da haben sich die Mehrheitsparteien gut verfilzt eingerichtet und mit dicken Backen und strammen Hosen seit den 80er Jahren lauthals den Strukturwandel von Kohle, Stahl und Bier zur Dienstleistungs- und Logistik-Metropole propagiert. Der OB ist Protagonist dieser "Charme-Offensive", unvergessen sein raubautziger Einstand als Fahrradfahrer, für den er sich anschließend entschuldigen musste.

Jetzt haben die o.g. Lokalpolitiker die Hosen eher gestrichen voll und müssen auch in der selbsternannten "Herzkammer" der Sozialdemokratie, wie schon im Land, um ihren Machterhalt fürchten. Zu recht, denn statt sich um Pfründe und Pöstchen zu sorgen, sollten sie z.B. dringend die Bürgerdienste der Stadt auf Vordermann bringen, damit diese unwürdigen Verhältnisse in Verkehrs- und Meldeämtern ein Ende haben und man endlich von einem angemessenen Service im DIGITALZEITALTER reden kann. Da passt der Beitrag von Michael Westerhoff perfekt ins Bild (vielen Dank dafür).

Bei allen Bemühungen von Polizei, Institutionen und Zivilgesellschaft, der Stadt als bundesweit vorgeführter, neonaziverseuchter Westfalenmetropole dieses dreckige Image zu nehmen, versagt ausgerechnet die sonst so lauthals posaunende Politik. Erbärmlich, aber passt doch irgendwie ins Bild, oder?

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