Dortmunder SPD Abgeordneter Marco Bülow gegen Große Koalition

buelowDer Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordneter hat sich in einer Erklärung gegen eine große Koalition von SPD und CDU ausgesprochen. Unter anderem stört ihn die Grenzen für Erneuerbare Energie, das Fehlen der Begrenzung von  Managergehältern und die fehlende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften.

Bülow stellt sich damit gegen die Parteispitze im Bund und in NRW: Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft werden zur Zeit für eine Zustimmung der Parteibasis zur großen Koalition bei der Mitgliederbefragung der SPD. In Dortmund, wo Bülow direkt gewählt wurde, sieht die Lage allerdings anders aus. Dortmunds SPD-Parteichef Franz-Josef Drabig ist einer der härtesten Kritiker der Zusammenarbeit von SPD und CDU im Bund – im Bund und in NRW ein Rebell, ist Bülows Haltung in Dortmund mehrheitsfähig

Anbei die Erklärung Bülows:

 

ERKLÄRUNG MARCO BÜLOW: WARUM ICH GEGEN DIE GROSSE KOALITION BIN

Ich habe die Koalitionsverhandlungen intensiv begleitet, den nun vorliegenden Koalitionsvertrag sehr genau durchgearbeitet und mit vielen Menschen darüber diskutiert. Keiner sollte es sich leicht machen mit seiner Entscheidung über ein Ja oder Nein zum Koalitionsvertrag und niemand sollte leichtfertig über diejenigen richten, die anders entscheiden. Argumente gibt es für und gegen eine Große Koalition. Wenn ich mir aber nicht nur die Überschriften anschaue, dann überwiegen für mich deutlich die Gegenargumente. Meine endgültige Entscheidung ist nur noch durch meine Basis zu beeinflussen, die ich zu einer Wahlkreiskonferenz eingeladen habe.


Generelle Probleme der Großen Koalition

Es gibt bei mir generelle Vorbehalte, die ich gegenüber einer Großen Koalition hege und inhaltliche Gründe, die sich im Koalitionsvertrag manifestieren. Die generellen Vorbehalte beziehen sich nicht in erster Linie auf die Angst vor Einbußen der SPD. Ich befürchte dennoch, dass meine Partei ihre Mehrheitsfähigkeit sogar langfristig aufs Spiel setzt und dass es nun keine ehrliche Analyse des schlechten Wahlergebnisses gibt. Das Vertrauen, das wir in unserer letzten Regierungszeit verspielt haben, könnten wir nun dauerhaft verlieren. In der neuen Großen Koalition regieren wir nicht auf Augenhöhe mit. Die SPD ist nur in wenigen Regionen (wie dem Ruhrgebiet) noch eine Volkspartei, sie hat strukturelle Probleme und sie hat sich ins Abseits manövriert, weil sie elitär ihre Kanzlerkandidaten aufstellt und außer Rot-Grün nur noch die Große Koalition als Regierungsoption hat. Darüber wird nun wahrscheinlich nicht mehr diskutiert. Ich möchte aber auch ausdrücklich hervorheben, dass es ein Fortschritt ist, dass sich der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel für einen Mitgliederentscheid stark gemacht hat und damit die Entscheidung über eine Große Koalition nicht im kleinen Kreis getroffen wird.

Eine Große Koalition sollte es nur im Ausnahmefall geben. Dieser ist aber nicht gegeben, da wir uns in keiner Krisensituation befinden und es andere Alternativen gegeben hätte und noch gibt.

  • Nicht nur die Erfahrungen in Länder wie Österreich zeigen, dass bei häufigen Großen Koalitionen die extremen Positionen und Parteien massiv an Zulauf gewinnen.
  • Wird die Große Koalition Wirklichkeit, wird es nur eine sehr kleine Opposition geben, die deutlich weniger Möglichkeiten besitzt. In der Öffentlichkeit entsteht dann bei Debatten das Bild, dass alle nur das Gleiche wollen.
  • Die Auseinandersetzungen im Wahlkampf und wirkliche Richtungsdiskussionen werden mehr und mehr als Theater wahrgenommen und damit wird die Politik unglaubwürdiger.
  • Das Parlament wird noch weiter entmachtet, weil die Mehrheit so groß ist, dass egal wie viele Fachpolitiker auch gegen einen Regierungsentwurf sind, sie kaum Änderungen herbeiführen können.
  • Es kommt zu einem gleichzeitigen Machtgewinn einiger weniger Lobbyisten, was schon in den Verhandlungen deutlich wurde. Im Koalitionsvertrag wurde nicht dafür gesorgt dem entgegenzutreten und mit einem Lobbyregister zumindest mehr Transparenz zu schaffen.

Ich weiß, dass auch ein Nein zur Großen Koalition negative Konsequenzen haben könnte. Aber so wie einige mutig glauben, ihnen würde es gelingen Frau Merkel und die Union zu überstrahlen, so dürften wir auch keine Angst davor haben, dass die Union doch eine Koalition mit den GRÜNEN oder eine Minderheitenregierung versuchen würde. Neuwahlen sollte man nicht leichtfertig herbeireden, aber auch davor muss man sich nicht fürchten.

Natürlich ist auch mein Ziel die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern. In einigen Punkten wird dies durch die Umsetzung des Koalitionsvertrages wohl auch geschehen, in anderen Punkten wage ich es stark zu bezweifeln. Vor allem kritisiere ich den fehlenden Mut, dass man schon längst hätte beginnen können im neugewählten Parlament einige Dinge für die Menschen zu verbessern ohne dazu eine Koalition einzugehen. Für einen Mindestlohn ohne Verzögerung und Ausnahmen hätte es beispielsweise sofort eine Mehrheit gegeben.

Problematiken des Koalitionsvertrages

Die generellen Vorbehalte allein führen nicht zu meiner Ablehnung des Koalitionsvertrages. Ich kann zwar taktisch verstehen, das Verhandlungsergebnis zu bejubeln und mir fehlt auch nicht der Respekt denen gegenüber, die in den Verhandlungen für die SPD um die Positionen gerungen haben. Mir ist klar, dass wir kein Abbild unseres Wahlprogrammes ausverhandeln konnten. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir mit dem Erreichten keine ausreichende Basis für eine sozialdemokratische Prägung dieser Koalition haben, die von der Union und der Kanzlerin dominiert werden wird. Es gibt einige gute Kompromisse und einige Überschriften, die auf dem ersten Blick Hoffnung machen. Allerdings sind viele der von der SPD eingebrachten Positionen deutlich verwässert worden, stehen unter Vorbehalt, enthalten Ausnahmen oder kommen erst Jahre später.

  • Es gibt 130 Prüfaufträge. Mit solchen Verabredungen hat die SPD und auch die FDP in den vorherigen Koalitionen schon schlechte Erfahrungen gemacht, weil die Union dies meistens aussitzt, ohne dass sich etwas bewegt.
  • Es geht nicht nur darum was im Vertrag steht, sondern auch um das, was dort nicht enthalten ist. Viele wichtige SPD-Positionen, wie beispielsweise die Streichung des Betreuungsgeldes, wurden nicht berücksichtigt.
  • Im Reichtums-und Armutsbericht der Bundesregierung ist deutlich beschrieben, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich trotz guter Konjunkturlage in den letzten 10 Jahren deutlich vergrößert hat, dass vom Wachstum nur die oberen 10% der Bevölkerung profitiert haben. Deshalb und um einen Finanzierungsspielraum zu schaffen hat die SPD zumindest in ganz zaghaften Ansätzen damit Wahlkampf gemacht eine minimale Umverteilung vorzunehmen, die Steuern für die Wohlhabenden etwas anzuheben – und konnte sich in keinem einzigen Punkt durchsetzen.
  • Da nicht nur die Steuererhöhungen ausgeschlossen wurden, sondern die Schuldenbremse strickt eingehalten werden soll, fehlt das Geld für viele Projekte, die im Vertrag vereinbart wurden. Diese können also nur durch Einsparungen und Streichungen finanziert werden. Genau diese Einsparungen werden aber viele Menschen schmerzhaft treffen und sind deshalb wohl ganz bewusst nicht benannt worden. Alle Parteien haben so einige Wünsche durchsetzen können, aber nicht dargelegt, wie die Finanzierung aussieht. Das ist nicht nur unseriös, sondern gefährlich, weil es vor allem Bedürftige treffen wird.

Ich erkenne im Koalitionsvertrag keinen roten Faden, viele wirklich große Herausforderungen werden nicht angegangen. Es ist eine Farce, dass so viel über eine unsägliche Maut diskutiert wird, aber überfällige grundlegende Reformen z.B. der Zwei-Klassen-Medizin, des Rentensystems, der Pfelge und des Finanzmarktes nicht stattfinden. Die fehlgeleitete Europapolitik wird nicht angetastet, zum Freihandelsabkommen kein kritisches Wort. Die Vorstellungen zur Energiepolitik sind klar von wenigen Lobbyinteressen geleitet. Sie werden die Energiewende deutlich ausbremsem und den Bürger im Endeffekt teuer zu stehen kommen.

Bewertung meiner Schwerpunkthemen

Arbeitsmarkt

Der Mindestlohn von 8,50 € soll mit Ausnahmen und Abweichungen nach unten ab 2015 schrittweise eingeführt werden. Erst ab 2017 gilt er wirklich und ist in 4 Jahren natürlich deutlich weniger wert (Inflation) und weil dann auch die nächste Bundestagwahl stattfindet, kann er im gleichen Jahr wieder wieder abgeschafft werden. (Gleiches gilt für die Lebensleistungsrente, die auch frühestens 2017 eingeführt werden soll).

Der Missbrauch von Werkverträgen soll nur durch stärkere Kontrollen bekämpft werden. Eine rechtliche Klarstellung der Unterscheidung zwischen Scheinselbständigkeiten und Werkverträgen wurde nicht vorgenommen. Leiharbeitnehmer sollen nach 9 Monaten mit der Stammbelegschaft gleich gestellt werden, die Überlassungshöchstdauer soll 18 Monate betragen. Das geforderte Synchronisationsverbot wird nicht umgesetzt. Zu befürchten ist, dass viele Leiharbeitnehmer bereits nach 6 Monaten wieder ihre Stelle verlassen müssen.

Es gibt keine konkrete Antwort bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarkt wird nicht erwähnt. Immerhin soll der Mitteleinsatz für die Eingliederung Arbeitssuchender soll um 1,4 Milliarden Euro angehoben werden. Leider gibt auch keine gesetzliche Ausbildungsplatzgarantie, Jugendberufsagenturen sollen eingerichtet werden.

In diesem Bereich gibt es Licht und Schatten, aber vor allem viele Unwägbarkeiten!

Energie

Die Union hat durchgesetzt, dass es einen „gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor“ für Erneuerbare Energien gibt. Das ist Planwirtschaft! Der Ausbau der Erneuerbaren ist also nach oben gedeckelt und die großen Versorger können ihre alten ineffizienten Kraftwerke profitbringend weiterlaufen lassen. An den Ausnahmeregelungen für die Industrie wird aber nicht gerüttelt. Hier kann man deutlich sehen, wie stark die Lobby der Großunternehmen Einfluss auf die Verhandlungen genommen haben. Leidtragende sind die Verbraucher und die kleinen und mittelständischen Betriebe.

Beim Thema Atomenergie konnten wir keine einzige unserer Forderungen durchsetzen: kein Verbot von Hermesbürgschaften für AKW-Neubauten im Ausland, keine Erhöhung der Kernbrennstoffsteuer, kein Entsorgungsfonds, der sichergestellt hätte, dass nicht die Steuerzahler nachher für den AKW-Rückbau und die Atommüllentsorgung zahlen müssen. Es mangelt beim Kapitel Energie in allen Bereichen: Von Dezentralität der Energieversorgung (um teuren Netzausbau zu vermeiden) ist mit keinem Wort die Rede. Es gibt kein Klimaschutzgesetz und beim wichtigen Wärmebereich und der Energieeffizienz fehlen konkrete Maßnahmen.

Ich kann gut verstehen, dass Umweltorganisationen und Verbraucherschützer kein gutes Haar am Koalitionsvertrag lassen und jetzt schon wieder Großdemonstrationen organisieren. Für diese Proteste müsste nun auch die SPD die Verantwortung übernehmen.

Der Energieteil gehört für mich zu den inakzeptabelsten Teilen des Koalitionsvertrags!

Demokratie, Transparenz und Lobbyismus

Der einzige wirkliche Erfolg in diesem Bereich ist die Einigung auf die längst überfällige Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung. Ansonsten gibt es nur eine schwammige nicht ausformulierte Willensbekundung zu mehr Transparenz bei externen Mitarbeitern in Ministerien und das Bekenntnis für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte eine „angemessene Regelung“ zu finden. Weitere wichtige Punkte wie der bundesweite Volksentscheid, die Einführung eines Lobbyregisters, die Begrenzung von Parteispenden und die Offenlegung von Nebentätigkeiten auf Euro und Cent bleiben unerwähnt. Beim Thema Lobbyregulierung und Demokratie sind leider vier Jahre Stillstand zu erwarten!

Kommunalfinanzen

Es gibt einzelne geplante Entlastungen für die Kommunen. Die föderalen Finanzbeziehungen sollen von einer Kommission unter Beteiligung der Kommunen geregelt werden.

Positiv ist, dass die Entlastung der Kommunen von Sozialausgaben im Umfang von 5 Mrd. EUR pro Jahr im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung durch ein Bundesteilhabegesetz vereinbart wurde, die Mittel für die Städtebauförderung und die Verkehrsinfratstruktur erhöht werden. Weil aber die Finanzierung (siehe oben) nicht geklärt ist, kann man nur auf das Prinzip Hoffnung setzen. Ungewisse Verbesserungen, aber direkte Hilfen für das Ruhrgebiet oder eine Umwidmung des Solis sind nicht konkretisiert worden!

Doppelte Staatsbürgerschaft / Rechtsextremismus / Freiheitsrechte der Bürginnen und Bürger

  • Es gibt einen Fortschritt, der aber nicht weit genug geht. So wird es weiterhin eine Ungleichbehandlung zwischen zugezogenen EU-Bürgern, die beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ihre alte behalten dürfen, und zum Beispiel zugezogenen Türken geben, die ihren alten Pass abgeben müssen, wenn sie Deutsche werden wollen.
  • Der Einsatz gegen Rechtsextremismus geht nicht weit genug. Es wird z.B. keinen Anstoß eines neuen NPD-Verbotsverfahrens, keine Streichung der „Extremismusklausel“, keinen Umbau der Sicherheitsbehörden geben.
  • Es wird eine Verschärfung der Vorratsdatenspeicherung geben. Das ungezielte Ausspähen privater Daten z.B. durch die NSA wird nicht beendet, es wird keinen besseren Datenschutz und kein Ende der Totalüberwachung geben.

Dortmund

Eine umfassende Bewertung, was der Koalitionsvertrag für Dortmund bedeutet, werde ich noch erarbeiten. Fest steht, dass die Entlastungen für die Kommunen erst noch finanziert werden müssen und somit noch nicht sichergestellt sind. Hier zwei wichtige Beispiele:

  • Es wird keine Unterstützung für die Schulsozialarbeiter geben, für die ich mich so stark engagiert habe und die für Dortmund so wichtig sind.
  • Es wird kein verstärktes Engagement des Bundes in die Erneuerung des Do Hauptbahnhofes, des B1-Tunnels und des RRX geben

Viele wichtige Themen wurden im Koalitionsvertrag nicht oder nur ungenügend berücksichtigt. Einige Beispiele:

  • keine Streichung der sachgrundlosen Befristung
  • die über den Bund mitfinanzierte Schulsozialarbeit wird nicht weitergeführt
  • eine Vermögenssteuer wird nicht eingeführt
  • es gibt keine Anhebung der Abgeltungssteuer
  • keine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer
  • keine Bürgerversicherung
  • keine paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens
  • kein Entgeltgleichheitsgesetz
  • keine Abschaffung des Betreuungsgeldes
  • keine Mindestausbildungsvergütung
  • keine Begrenzung der Managergehälter
  • keine Neuordnung der Flüchtlingspolitik der EU
  • kein parlamentarisches Kontrollgremium bei Waffenexporten (heißt dass es weiterhin Waffenexporte in Krisenregionen geben wird)
  • keine Gleichstellung der Lebenspartnerschaften, zum Beispiel durch eine Ehe
  • keine Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich
  • die vereinbarte Finanztransaktionssteuer muss erst auf der EU-Ebene durchgesetzt werden, hat bisher nicht geklappt
  • das Bafög wird nicht ausgebaut
  • lediglich eine „Flexi-Frauenquote“ für Vorstände
  • keine Regulierung der grünen Gentechnik

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

Ach Herr Bülow, lassen Sie auch mal wieder was von sich hören? Schade, trotz längerer Abstinenz und wiederholter „Verbundenheitssprüchen“ ist das Thema „Dortmund“ für Sie anscheinend keines mehr.

In diesem Fall merkt man wirklich die Schattenseiten des ungebundenen Mandats eines Abgeordneten;-)

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Dortmund gilt als Herzkammer der Sozialdemokratie und Drabig und Bülow wirken wie Herzschrittmacher und Defibrillatoren einer kränkelnden Partei.

Was wird von der SPD übrig bleiben, wenn die für die deutsche Sozialdemokratie scheinbar lebenserhaltenden Maßnahme der Mitgliederbefragung eine Große Koalition zunichte macht? Die SPD wäre vermutlich wieder eindeutig links, hätte sich aber ihre volksparteilichen Gliedmaßen für die Zukunft weg operiert.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
11 Jahre zuvor

Ein Abgeordneter, der in einem Wahlkreis ein Direktmandat geholt hat, ist unabhängig und soll das tun, was er für richtig hält. Er hat natürlich auch in vielen Jahren als Abgeordneter die Möglichkeit, selber etwas zu schaffen und durchzusetzen.

Aus meiner Sicht hat Dortmund dringendere Probleme als die Punkte, die er für wichtig hält.

So wundert es mich, dass der Bund Schulsozialarbeiter bezahlen soll, wo doch die Schule keine Bundesangelegenheit ist.

Dortmund mit seiner hohen Zahl verschuldeter Haushalte (insbesondere im Norden) und vielen Menschen mit sehr geringen Einkommen, ist sicherlich auch begeistert, weiterhin Geld in den Norden und Süden zu überweisen, damit bspw. Solarbauern gut leben können.

Warum es bspw. für in Deutschland geborene Menschen nicht möglich sein soll, sich im Erwachsenenalter für eine Nation zu entscheiden, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja nicht so, dass Deutschland um Bürger betteln muss, weil es hier so schlimm ist.

Bei der aktuell steigenden Kriminalität (Einbruch etc) in NRW ist es für mich auch erstaunlich, dass das Thema innere Sicherheit kaum Beachtung findet.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Erfreulich, daß ein SPD-MdB bei seinem NEIN bleibt und dieses Nein öffentlich begründet.
Es kommt ja nicht nur bei der SPD, sondern z.B. auch bei CDU/CSU äußerst selten vor, daß ein Bundestagsabgeordneter sich nicht („mit Bauchschmerzen,wie oft zu hören“) dem fügt, was der Parteivorstand gerne will. Paßt ja gut zu der hier bei den Ruhrbaronen diskutierten „Freiheit eines Abgeordneten“!!!! Insofern, losgelöst von der Sache, mein Kompliment an Bülow.

Ich werde ebenfalls mit NEIN stimmen, aber aus anderen Gründen als Bülow, wohlwissend, damit mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Minderheit in der SPD zu gehören.

Meine Gründe sind im wesentlichen:

1.
Ich habe mich relativ stark im Wahlkampf engagiert, weil ich unbedingt eine Ende des „Systems Merkel“ wollte. Ich erinnere daran, daß ich hier bei den Ruhrbaronen vor und während des Wahlkampfes aus unterschiedlichen Anlässen gegen den „politischen Mief der Merkel-Ära“ gewettert habe, gegen einen Mief, der mich als politisch Interessierte und politisch Engagierten die „demokratische Lebensluft und Lebenslust“ zu nehmen droht.
Und jetzt will meine Partei diese Frau für weitere 4 Jahre………?

Eine für mich unerträgliche Vorstellung.

2.
Ich habe seit dem Wahlabend darauf gebaut, daß die Führung der SPD zumindest sondiert hätte, ob eine Zusammenarbeit zwischen SPD/Grünen/Linken möglich gewesen wäre -in einer Koalition dieser drei Parteien oder in einer SPD/Grünen Minderheitenregierung mit ener Kanzlerwahl auch durch die LINKE.
Ich habe darin eine historische Chance gesehen, nicht ohne Risiken, aber vermutlich für viele Jahre die letzte Chance zu einem „echten Politikwechsel“.
Die Führung meiner SPD war nicht bereit -nicht in der Lage-, diese Chance zumindes auszuloten. Stattdessen kricht sie unter die warme, die bequme, von „Mutti“ zubereitete Decke mit CDU/CSU.
Zu diesem politisch bquemen Weg, den die Verantwortlichen in meiner Partei gehen wollen, sage ich NEIN.

3.
Ein ganz wesentlicher Bestandteil der Wahlaussagen meiner Partei bestand für mich darin, Steuererhöhungen duchzusetzen. Mir ging es dabei nicht nur darum, notwendige Mehrausgaben, so wie sie jetzt z.T.im Koaliitiosnvertrag -unter Finanzierungsvorbehalt(!!)-vorgesehen sind, solide und verläßlich finanzieren zu können, sondern auch, ja sogar primär darum, mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer auf das Nivau der Kohl-Ära und einer deutlichen Anhebung der Erbschaftssteuer auf das französiche Niveau ein deutliche Zeichen zu setzen, daß die Reichen in unserer Gesellschaft, weil sie Jahr für Jahr reicher werden, und weil das im Interesse eines gewissen Maßes an Gerechtigkeit unabdingbar ist;sh.dazu u.a.auch heute in der TAZ -Kommentar auf S.1 von Ulrike Hermann „Ein Volk von Masochisten“.

Und was passiert?
Als eine seiner ersten Feststellungen in den beginnenden Koalitionsgespräche begräbt Gabriel jeden Gedanken an solche Steueerhöhungsziele der SPD.
Und dazu soll ich jetzt JA sagen?

4.
In Sachen Euro-Krise, Banken-Krise, Finanzkrise schließt sich die SPD olhe Wenn und Aber, bedingunslos dem an, was Frau Merkel will. Einige Floskeln dazu im Koalitionsvertrag ändern an dieser Bewertung durch mich nichts.

D.h. u.a auch, daß die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien, Portugal u.a. für die SPD nicht zu den gravierensten Problemen in Europa zählt. Wer sich nicht mit allen(!!) seinen Möglichkeiten, auch finanzieller-wirtschaftliche Natur, der Bekämpfung dieses Problems stellt, verletzt damit nicht nur das Gebot der Solidarität mit diesen jungen Menschen, sondern er gefährdet auf Dauer den sozialen Frieden in ganz Europa, er gefährdet auf Dauer den Bestand der Demokratie in Europa und damit eben auch den sozialen Frieden und die Demokratie in Deutschland.

Und auch deshalb mein NEIN zu diesem Koalitionsvertrag.

Aber…….

Leider muß ich davon ausgehen, daß mein NEIN mit der Begründung dazu nichts bewirken wird.
Ich befürchte, daß für die Mehrheit in „meiner“ SPD so wie für die Mehrheit in der Bevölkerung „Ruhe und Beschaulichkeit“ allem anderen vorgehen, eine Ruhe und Beschaulichkeit, die sich in der Persn der Kanzlerin manifestiert, aber auch in der die Aussicht auf eine „Mütterrente“, auf einen „Renteneintritt schon mit 63, wenn……“, auf wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland auch auf Kosten andere Ländern .

Wenn ich ausschließlich an das für mich materiell Beste denke, ja, dann könnte ich sehr wohl dem Koalitionsvertrag zustimmen

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
11 Jahre zuvor

Ich finde die Gründe, weshalb einige SPD-Mitglieder den Vertrag ablehnen wollen, sehr interessant, da ich nur sehr selten Gründe finde, die die Interessen der Arbeitnehmer und der Ex-Arbeitnehmer (Rentner) im Vordergrund stellen.

Was ist aus der Arbeiterpartei für die „kleinen Leute“ geworden?
Wessen Interessen vertritt die SPD eigentlich noch?

Wenn ich nur abstrakte Interessen und Randgruppenthemen mit Priorität vertrete, muss ich mich nicht wundern, dass ich immer weniger Stimmen erhalte, da ich den Großteil der arbeitenden Menschen nicht erreiche. Der absolute Stimmenanteil bezogen auf die Bevölkerung ist extrem schwach.

Unsere Landes-Chefin (die Ex-Hoffnungsträgerin der SPD) erreicht ja auch nur noch einen Bruchteil der Stimmen der großen alten SPD-Politiker.

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

@Walter

Da soll nochmal einer sagen, so eine Mitgliederentscheid bringt der SPD nix. Er hat auf jeden Fall den Vorteil, dass sich die Gegner der Großen Koalition beim Kreuzchen machen nach Herzenslust austoben können, ohne dass die Parteiführung Angst haben muss, dass ihr auch gleichzeitig die Mitglieder flöten gehen…

Gordon Shumway
Gordon Shumway
11 Jahre zuvor

Über den weitestgehend abgeschafften Grundsatz, Abgeordnete sollen einzig nach ihrem Gewissen handeln, spricht Herr Bülow natürlich nicht in seinem Papier.

KClemens
KClemens
11 Jahre zuvor

@#6 | keineEigenverantwortung

Das man die „kleinen Leute“ vergisst, liegt möglicherweise am Menschenbild, das (nicht nur) bei der SPD vorherrscht:

https://www.wiwo.de/politik/deutschland/bettina-roehl-direkt-das-fatale-menschenbild-der-grossen-koalition-in-spe/9127442.html

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
11 Jahre zuvor

wenn ich den Gabriel höre, wie er Tote (norwegische Parteigenossen) instrumentalisiert für seine feuchten Überwachungsträume (Vorratsdatenspeicherung).
Ekelhaft.
Der Mann geht genauso über Leichen wie Steinmeier, wegen den ein deutsche Staatsbürger Jahrelang in Guantanamo gefoltert wurde (hätte die Entführung nicht verhindern können, aber hatte das Angebot der CIA vorliegen, den – sogar bewiesen – unschuldigen Staatsbürger zu entlassen)

Zwischen SPD und CDU und mir hätte moralisch und ideologisch der Grand Canyon Platz. Irgendwie muss mindestens eine liberale Partei an die Regierung, ob nun Grüne, Piraten oder FDP. egal.
Neuwahlen müssen her.

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

@Tux

Auch wenn es reine Spekulation ist:
Bei Neuwahlen dürfte die FDP noch schlechter abschneiden als bei der letzten Bundestagswahl. Was haben wir von den Liberalen seitdem gehört, außer dass sie den Koalitionsvertrag für zu sozialdemokratisch halten und Christian Lindner jetzt die Haare schön hat?
Das Thema Menschen und Bürgerrechte steht wegen der NSU Affäre immer noch auf dem Programm. Die FDP könnte hierbei auch als APO punkten wenn sie wollte. Aber da ist die sie voll auf Große Koalitionskurs. Oder findest Du die derzeitige Einstellung, die die FDP gegenüber Edward Snowden hat, großartig anders, als die Einstellung Steinmeiers seinerzeit zu Murat Kurnaz? Das Schicksal einzelner Personen ist auch den Liberalen scheißegal, wenn dadurch das Verhältnis zu den USA belastet wird. Die einzigen die da derzeit Flagge zeigen sind Linke und Grüne.

Ähnlich wie die SPD werden aber auch die Grünen keine Lust auf Neuwahlen haben und eine Koalition mit der CDU vorziehen. Katrin Göhring Eckardt hat derzeit nichts besseres zu tun, als den Christdemokraten entsprechende Signale auszusenden. Und die Piraten… wer waren nochmal die Piraten?

Neuwahlen würden vermutlich nur einer einzigen Partei wirklich nutzen und das ist die CDU, die es soweit zu einer absoluten Mehrheit nicht mehr hat. Da wäre dann gar nix mehr mit einer zweiten Partei an der Regierung.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

-7-Der,Der….
Ja, vermutlich hast Du recht!!!!!

Ich meine allerdings, daß das Austoben nicht dem „Kreuzmachen“ zu gelten hat, sondern der gesamten Diskussion. Und die zeigt, was weder überrascht noch negativ zu bewerten ist, wie breit die Meinungsvielfalt in der SPD ist, wie schwierig Willensbildung und Willensumsetzung in der SPD sind -und seit jeher-waren. Leider stört das oftmals im Kampf der SPD um die politische Herrschaftsmacht. Da sind CDU/CSU seitjeher der SPD überlegen, vor allem seit die „Machtfrau“ Merkel in der CDU das alleinige Sagen hat.

Hansi Pfähler
Hansi Pfähler
11 Jahre zuvor

Hallo Herr Bülow,

danke für Ihre starken Worte ! Besser kann man es nicht ausdrücken ! Die SPD würde sich selbst verraten, wenn sie eine Koalition mit Frau Merkel eingehen würde ! Der ganze Wahlkampf, die ganzen Ideen umsonst !

Mit freundlichen Grüßen aus Ba-Wü,

Hansi Pfähler
72800 Eningen
Hauptstr. 105

G. Bruell
G. Bruell
11 Jahre zuvor

Die sPD wird an Profil gewinnen, wenn sie die GroKo absagt.
Ich glaube nicht den Schwarzmalereien von H. Gabriel.
Herr Bülow: Halten Sie durch. Lassen Sie sich nicht einnorden, wie es viele andere schon tun.
Wenn die sPD jetzt koalieren würde, wäre sie für viele kleine Bürger weiterhin nicht mehr (er-)tragbar.
Bin gespannt.

G. Bruell
G. Bruell
11 Jahre zuvor

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