dpa-Chef kontra WAZ-Chef

Der Konflikt zwischen der WAZ und dpa köchelt weiter: Wilm Herlyn, Chefredakteur der Hamburger Nachrichtenagentur, hat seine Kunden angeschrieben, um sie über den Sachstand beim Thema WAZ zu informieren. Der Brief ist zwar ein paar Tage alt, aber erst heute bei uns gelandet. Hier der Brief:

"Betr.: Die dpa im Medienmarkt

Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

in den vergangenen Wochen war die Abkehr der WAZ-Gruppe von den Diensten der dpa ein wichtiges Thema in der Branche. Die öffentliche Darstellung des Falles entsprach nicht in allen Punkten dem Sachstand. Darum möchte ich Ihnen die aktuelle Situation aus Sicht der dpa selbst darstellen:

Alle Zeitungen der WAZ-Gruppe und das Online-Angebot „derwesten.de" beziehen seit dem 1. Januar kein Material der dpa mehr. Es gab keine Kündigung, die Verträge liefen turnusmäßig aus. Der Verlust für die dpa liegt bei etwa drei Millionen Euro. „derwesten.de" muss alle dpa-Beiträge von seiner Site entfernen. Die WAZ war dazu im vertragsgerechten Zeitraum nicht in der Lage, wir haben die Frist jetzt letztmalig verlängert.

Nur die zu der WAZ-Gruppe zählende „Braunschweiger Zeitung" bezieht weiter die Dienste der dpa.

dpa hat in der Vergangenheit immer wieder journalistisch und/oder verlegerisch begründete Entscheidungen gegen den Bezug bestimmter Dienste erlebt. Unser Respekt vor der redaktionellen und unternehmerischen Freiheit der Kunden stand dabei nie in Frage. Vorausgegangen waren immer intensive Gespräche in diesem Geist mit den Kunden. Die WAZ-Geschäftsführung und die WAZ-Chefredaktion allerdings verweigerten diese Gespräche.

Die WAZ-Verlagsgruppe hat entschieden, die Dienste gerade der Agentur nicht mehr zu nutzen, die sie über verschiedene Blätter des Hauses mitbesitzt. In unseren Augen ist das eine Abkehr von dem Solidaritätsprinzip der dpa-Gesellschafter, das seit 60 Jahren Garant für eine unabhängige Nachrichtenversorgung in Deutschland ist.

Den Eindruck einer Schädigung dieses Gedankens, der die Medienvielfalt in der Bundesrepublik Deutschland stützt, verfestigt ein TV-Auftritt des WAZ-Chefredakteurs in dem Medienmagazin „Zapp" in der vergangenen Woche. Der Fachjournalist Peter Turi kommentierte: „Die WAZ-Gruppe nutzt dpa-Inhalte doch weiter – allerdings für lau aus dem Web. Das gesteht WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz ganz offen im NDR-Medienmagazin „Zapp"."

Reitz sagte: „ …die (die Nachrichtenredakteure d. Verf.) sind den ganzen Tag im Internet, die haben vielfältige Quellen und surfen sich durch. Auch da muss man einfach der Fairness halber sagen: auch in Richtung dpa…Und so wie wir Informationen von dpa nutzen oder weiter daran arbeiten, so machen wir es aber auch mit den Informationsquellen, ohne für die diese Informationsquellen zu bezahlen. …. Wir haben aber inzwischen – auf Initiative übrigens der Chefredakteure hin – haben wir uns ganz klar festgelegt auf eine Regelung, die eben für die Zukunft ganz klar festlegt, wie wir es machen: Wir werden jede Information, die wir von dpa haben, als dpa-Information kenntlich machen."

Die Sendung „Zapp" ist abrufbar im Internet unter http:/www3.ndr.de/sendungen/zapp/tv114.html Bitte machen Sie sich selbst ein Bild. Eine solche Stellungnahme des „Ersten Journalisten" einer großen und renommierten deutschen Regionalzeitung ist m.E. ohne Beispiel.

Für Sie als Kunden der dpa möchte ich klarstellen: Die regionale und überregionale Berichterstattung aus Nordrhein-Westfalen wird nicht eingeschränkt. Das Verhalten der WAZ beeinträchtigt nicht die ökonomische Handlungsfähigkeit der dpa. Wir werden aber jeder missbräuchlichen Nutzung unseres Materials nachgehen und sie ahnden. Sollten Sie der WAZ-Gruppe Inhalte zuliefern, achten Sie bitte darauf, dass diese keine dpa-Inhalte enthalten.

Auf die Sendung „ZAPP" gab es eine öffentliche Reaktion der französischen Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP), Nachrichtenlieferant für die WAZ-Gruppe. Unter anderem hieß es dort: „Der Beitrag verschweigt außerdem, dass dpa (wie jede andere Agentur auch) selbst hoch dotierte Verträge mit staatlichen Stellen in Deutschland hat." Der guten Ordnung halber möchte ich festhalten, dass selbst die Kumulation aller unserer Bezugsverträge mit staatlichen Stellen im Gesamtumsatz in Höhe bei 93,8 Millionen Euro lediglich mit einer niedrigen einstelligen Prozentzahl zu Buche schlägt. Die AFP erhält nach Aussage ihres Generaldirektor Piere Louette dagegen etwa 40 Prozent ihres Gesamtumsatzes in Höhe von etwa 260 Millionen Euro vom französischen Staat.

Wenn Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen wie immer selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wilm Herlyn"

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