Chinas wirtschaftlicher und politischer Aufstieg fordert Deutschland auf vielen Ebenen heraus, von der Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie bis zur Robustheit seiner demokratischen Institutionen. Diese systemische Herausforderung zu bewältigen ist umso schwieriger, als Deutschland wirtschaftlich in hohem Maße von China abhängig ist.
Das sind Thesen von Dr. Tim Rühlig. Er ist Experte für Geopolitik, Geoökonomie und Europäisch Chinesische Beziehungen bei der deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP). Im Podcast-Gespräch bei ›Natürliche Ausrede‹ redet er über die komplexe Dreiecksbeziehung zwischen der chinesischen Regierung, Wirtschaft und Bevölkerung. Außerdem erklärt er die chinesische Macht am Beispiel des Einstiegs am Hamburger Hafen oder die Bezieheng zum Dortmund Chip-Hersteller Elmos. „Wenn man die beiden Weltmächte USA und China näher anschaut, kann man sich fragen: Haben wir es nicht eigentlich mit zwei angeschlagenen Boxern zu tun?“
Rühlig weist eindringlich auf den amerikanisch-chinesische Handelskonflikt hin und skizziert die weltordnungspolitischen Fragen verbunden. Die Präsidenten Biden und Xi schüren durch ihre unterschiedlichen Führungsstile bilaterale Konflikte und beschädigen, jeder auf seine Art, internationale Regeln und Institutionen. In diesem weltpolitischen Spiel sind Deutschland und die Europäische Union sehr lange untätig geblieben, weil sie auf das Paradigma „Wandel durch Handel“ gesetzt haben. Doch die lange handlungsleitenden Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, im Gegenteil: Heute droht China die internationale regelbasierte Ordnung ebenso wie die westlichen Demokratien zu verändern. Deutschlands spätes Erwachen hat das Land in eine schlechte Ausgangslage manövriert, denn Machtgleichgewicht und Abhängigkeiten haben sich zu Chinas Gunsten verschoben.
Weil China die globale Finanzkrise 2008 schneller überwand als westliche Staaten, keimte bei Chinas Machthabern die Hoffnung auf, über ein überlegenes System zu verfügen. Weitere Probleme ergeben sich aus der Notwendigkeit eines besseren Umwelt- und Klimaschutzes, der grassierenden Korruption und einem erstarkenden Nationalismus in der Gesellschaft. „China probiert ihr eigens System als das viel demokratischer darzustellen, als die des Westens“, erklärt Rühlig im Podcast beim Interviewer Christopher Braucks. Und nebenher stärken sie ihre Macht immer weiter, weil sie die Vorherrschaft in strategischen Technologien wie 5G, Künstliche Intelligenz und neue Elektrofahrzeuge auf ihrer Seite wähnen.
Das ganze Podcast-Gespräch findet sich hier.