6000 Menschen, statt der angemeldeten 100 Demonstrationsteilnehmer, zeigten gestern in Düsseldorf ihre Solidarität mit der Ukraine.
Die Demonstranten hatten klare Forderungen: Ausschluss von Russland vom SWIFT-Abkommen, härtere Sanktionen gegen den Aggressor Russland, Waffenlieferungen für die Ukraine.
Düsseldorf: Klare Forderungen an die Bundesregierung
Ich war gestern extrem überrascht, als ich knapp 30 Minuten nach offiziellen Beginn der angemeldeten Demonstration am Schadowplatz in Düsseldorf ankam. 800 Menschen fanden sich dort am letzten Donnerstag ein.
Die Lage auf der Kundgebung gestern war anders:
Der Schadowplatz bot, mit einem Meer aus ukrainischen Fahnen, Transparenten und Schildern, einen ergreifenden Anblick. Was ebenfalls anderes war, im Vergleich zur ersten Demonstration:
Die klaren Forderungen an die Bundesregierung, zu lesen auf Pappschildern und Transparenten und immer wieder zu hören in Sprechchören: „Ban Russia from SWIFT“, „Kein Gas aus Russland“, „Close the Sky“, „Waffen für die Ukraine“ und „eine europäische Armee“
Stefan Engstfeld (Mitglied des Landtages NRW – Bündnis90/Grüne) betrat das Podium kurz nach meiner Ankunft und zeigte sich erfreut und dankbar über die Größe der Demonstration. In einer, oftmals von Applaus unterbrochenen Rede, forderte er die europäischen Regierungen auf, die schärfte wirtschaftliche Waffe gegen Russland einzusetzen:
Ich habe die Nachrichten verfolgt. Ich habe auch das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verfolgt. Ich war mir absolut sicher, dass sie die schärfste wirtschaftliche Waffe die wir haben, nämlich den Ausschluss von Russland aus dem internationalen Bankensystem SWIFT, dass diese Waffe auch gezogen wird. Und sie wurde nicht gezogen. Und ich war enttäuscht. Und ich muss sagen ich schäme mich dafür, dass wir das nicht getan haben. Dass Europa nicht die Kraft hatte.
Ich habe mir die Argumente angeguckt, warum das nicht passiert ist. Eines der Hauptargumente war – und es waren mehrere europäische Staaten, unter anderem auch Deutschland, die da nicht mitmachen wollten – „das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen noch ein bißchen was in der Hinterhand haben, wenn die Eskalation schlimmer wird. Ich finde das falsch. Denn wir müssen doch jetzt alles, wirklich alles tun, dass es keine weitere Eskalation gibt.
Und das zweite Argument was genannt wurde, war dass es Sorge gibt und Befürchtungen, dass wenn wir das machen, wenn wir Russland aus SWIFT ausschließen, was Russland empfindlich treffen wird und uns sicher auch hier. Aber Russland wesentlich stärker. Sie werden von einem großen Teil der Volkswirtschaften der internationalen Gemeinschaft abgekoppelt werden. Ohne SWIFT, keine Zahlung. Ohne Zahlung, kein Handel. Das Argument war, dass man Sorge hat was die Gegenantwort ist. Dass Russland uns den Gas- und den Ölhahn zudreht. Weil wir nicht mehr zahlen können. Das finde ich zynisch. Ich finde es zynisch, an SWIFT festzuhalten und mit unseren Zahlungen für Öl und Gas Putins Krieg zu finanzieren. Und deswegen fordere ich zum Schluss alle europäischen Staats- und Regierungschefs auf: Ziehen Sie die stärkste wirtschaftliche Waffe die wir haben. Schließen Sie Russland aus dem internationalen Bankensystem SWIFT aus.
Und drehen Sie endlich dem Kriegsverbrecher Putin den Geldhahn zu.
Für mich eine der stärksten Reden – der Rauswurf von Russland aus dem SWIFT-System war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschlossen – an diesem Tag. Dass Stefan Engstfeld den Nerv der Menschen vor Ort genau getroffen hat, war an Zustimmungsrufen und am lauten Applaus klar zu spüren.
Schärfere Sanktionen forderte auch der Düsseldorfer SPD-Vorsitzende Oliver Schreiber, der bei seiner Rede einen wesentlich schwereren Stand hatte als sein Vorredner. Gerhard Schröder ist, wegen seines Engagements für seinen Freund Wladimir Putin, eine Belastung für die SPD geworden. Zwischenrufe machten auf die sozialdemokratische Altlast aufmerksam. Diese wurde nach der Aussage „Ich fühle Scham für das Verhalten von Gerhard Schröder!“ von Oliver Schreiber weniger.
Eine andere Rednerin die in diesem Tag herausstach: Lisa Wolfson, die eine russische Organisation repräsentiert, die sich für Demokratie in Russland einsetzt und Putin bekämpft.
Ich möchte im Namen dieser Initiativen sprechen und aller anderen Initiativen in Deutschland, die pro-demokratisch und pro-europäisch sind, russische Organisation. Wir sind weltweit mit Menschen verbunden, die Putin bekämpfen. Ich möchte, dass Sie, dass Ihr alle wisst: Dass wir wirklich alles tun, um diese Diktatur zu Fall zu bringen.
Matthias André Richter, der bis letzten Dienstag selbst noch in der Ukraine war, räumte in seiner Rede (Oben im Video zu sehen!) mit Putins Begründung für den Angriff auf. Zwischendurch meldete er – verfrüht – dass der Ausschluss von Russland aus SWIFT beschlossen worden sei. Jubel und Applaus, auch wenn die Meldung zu diesem Zeitpunkt verfrüht war. Erst Stunden später wurde der Beschluss über die Ausgrenzung Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehr bekanntgegeben.
Ein anderer, sehr emotionaler, Redebeitrag den ich hier nicht erwähnen möchte stammt von Hussein. Einem Flüchtling aus Nordsyrien, der unter dem IS und Putins Angriffen auf Seiten des syrischen Diktators Baschar al-Assad leiden musste. Er machte auf das Schicksal der Kurden aufmerksam, die von der Weltgemeinschaft alleine gelassen wurden und fordere Solidarität mit den Ukrainern ein. Und forderte von der Weltgemeinschaft den Kampf für Freiheit und Demokratie ein.
Eines der eindrucksvollsten Bilder dieses Tages, war für mich die Schweigeminute für die gefallenen Ukrainer, bei der sich die Teilnehmer der Kundgebung hinknieten. Bei der Anzahl der Teilnehmer ein unglaubliches Bild.
Gestern Abend hatte ich kurz die Gelegenheit, mich mit Matthias André Richter, der bei den letzten beiden Demonstrationen als Redner aufgetreten ist, über den Krieg in der Ukraine und die Lage der ukrainischen Community in Deutschland zu unterhalten.
„Es ist wichtig zu betonen, dass dies kein Krieg von Russland gegen die Ukraine ist, sondern ein Kampf der Diktatur gegen die Demokratie.“
Ruhrbarone: Herr Richter, Sie sind Mitorganisator der Solidaritätskundgebungen für die Ukraine und Düsseldorf. In Ihrer Rede am Donnerstag gingen Sie auf Ihr Engagement für „Erinnerung lernen“ und ihre Beziehungen zur Ukraine ein. Vor wenigen Tagen waren Sie noch in der Ukraine. Wie empfanden Sie die Lage vor Ort?
Matthias André Richter: Ich bin nur ein Gast, der von den Organisatoren der Veranstaltung, der ukrainischen Diaspora ab und zu gebeten wird zu sprechen und unseren vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, unseren Freundinnen und Freunden in der Ukraine eine Stimme zu geben. Ich bin ein registrierter Bürger Kyjiws und Düsseldorfs und in beiden Städten sehr aktiv.
Wir sind aber auch in 15 weiteren Städten der Ukraine aktiv und vernetzt.
In Kyjiw wollte man nicht in Panik verfallen, aber man war vorbereitet.
Man ging ganz normal ins Fitnessstudio, aber eine Flasche Wasser hatte jeder dabei, falls Bomben kommen und man sich in der Metro oder im Bunker eine Weile versorgen muss.
Ruhrbarone: Können Sie uns etwas über die aktuelle Lage, über ihre persönlichen Kontakte, im Kriegsgebiet sagen?
Matthias André Richter: Ja leider. Die ersten Meldungen erhielten wir von unserer Mitarbeiterin aus Charkiw, im Osten der Ukraine, die von ihrem Balkon aus Explosionen gefilmt hat. Von ihr erreichten mich auch heute Nachrichten und Bilder von einer durch die ukrainische Armee ausgeschalteten russischen Kolonne auf der Straße, auf der sie wohnt. Ich war da noch vor kurzem. Charkiw kämpft erbittert, das hat der Gangster im Kreml so nicht erwartet. Wir haben Berichte von Flucht aber auch von Widerstand und Heldentum. Viele unserer Leute spenden zum Beispiel Blut in Kyjiw, die Schlangen sind lang.
Ruhrbarone: Die russische – oder putinsche – Propagandamaschine versucht den Einmarsch als Entnazifizierung zu verkaufen…
Matthias André Richter: Das ist die Spitze des Zynismus und da muss ich etwas ausholen. Die Ukraine war im Zweiten Weltkrieg Schauplatz eines unfassbaren Verbrechens , dem sogenannten Holocaust durch Kugel. Dort wurden binnen kürzester Zeit 1,6 Millionen Juden bestialisch von den sog. Einsatzkommandos der SS ermordet. Babyn Yar in Kyjiw, Schauplatz von 33.500 Morden in zwei Tagen ist ein das Symbol für dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Dass nun Russland – das weltweit rechtsradikale Parteien unterstützt, dessen Propaganda-Netzwerk von RT und Co die Stütze für Radikalinskis von Querdenkern wie Wagenknecht bis Trump ist – ausgerechnet die Ukraine entnazifizieren will, ist unfassbar infam. Sämtliche Antisemiten der Querfront bekommen doch ideologische und logistische Unterstützung aus dem Kreml, denken wir da an die sogenannten Mahnwachen für den Frieden, oder sie Gelbwesten. Nun haben sie eben Corona um ihren Judenhass auf die Straße zu bringen.
Die Ukraine wird regiert von einem jüdischen Präsidenten, Rosh ha Shanah, das jüdische Neujahrfest, ist offizieller Feiertag in der Ukraine. Das gibt es sonst nur noch in Israel.
In diese Land wo es einst das reichste Jüdische Leben von ganz Europa gab fällt Putin nun ein, und das erste was er verspricht ist es einen Juden zu ermorden.
Nennt man das Entnazifizierung?
Ruhrbarone: Ich weiß, dass Sie bei „Erinnerung lernen“ speziell die Verbrechen der Deutschen in der Ukraine behandeln. Und dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde für die sie arbeiten oft von dort stammen Wie ist die Stimmung in Ihrer Gemeinde?
Matthias André Richter: Gestern Abend haben Vorstand der Gemeinde und die Rabbiner ein öffentliches Gebet für die Ukraine veranstaltet. Mindestens 400 Menschen, Mitglieder und Freunde der Gemeinde sind erschienen, alles war Blau-Gelb in den Farben der Ukraine illuminiert, auch die Synagoge selbst. Herbert Rubinstein, Urgestein der Gemeinde hat es sich selbst an seinem 86. Geburtstag nicht nehmen lassen dort Flagge zu zeigen „Die Ukraine kämpft für Europa für unser Freiheit und Demokratie. Wir dürfen uns selbst von der Drohung eines Atomkrieges nicht abschrecken lassen und müssen der Ukraine nun robust helfen auch mit Waffen und Luftunterstützung“, so Rubinstein.
Ruhrbarone: Wer organisiert die Solidaritätsdemos vor Ort?
Matthias André Richter: Die Ukrainische Diaspora NRW. Ganz leicht in Facebook zu finden.
Ruhrbarone: Was bei Ihrer Veranstaltung auch auffällt, ist ein Teil des Veranstaltungstitels „Solidarität mit Belarus und der Ukraine“. Weißrussland wurde aber nicht angegriffen….
Matthias André Richter: Mit den gefälschten Wahlen in Belarus und der Ausweitung der Unterdrückung des Belarussischen Volkes fing aber auch die Aggressionen gegen die Ukraine an, sich nach bereits acht Jahren Krieg auszuweiten. Die belarussische Demokratiebewegung steht an der Seite der Ukraine. Über 1050 politische Gefangenen warten dort auf ihre Schauprozesse. Und genau so ein System will Putin auch in der Ukraine installieren.
Ruhrbarone: Wie sieht die russische Community diesen Konflikt? Es fällt auf, dass bei den beiden Demos explizit Putin und nicht Russland an sich „erwähnt“ wird.
Matthias André Richter: Es ist wichtig zu betonen, dass dies kein Krieg von Russland gegen die Ukraine ist, sondern ein Kampf der Diktatur gegen die Demokratie. Viele demokratisch gesinnte Russinnen und Russen stehen auf der Seite der Ukraine, Kyjiw ist in den letzten Jahren Anlaufstelle Nr 1 für russische und belarussische Dissidenten geworden. Auch diesen Brain-Drain in die Ukraine. nach Israel und den gesamten Westen will Putin mit dem Überfall stoppen.
Man darf aber auch die russische Gesellschaft und auch die Russia Today schauende Diaspora in Europa nicht aus der Pflicht nehmen, Auch Stalin konnte Millionen von Menschen nicht alle töten, der hatte willige Helfer wie Hitler und Mao.
Ruhrbarone: Bei der ersten Demo am Donnerstag waren ca. 900 Demonstranten anwesend. Man hat vor allem schockierte Gesichter gesehen und es wurde generell gegen den Krieg demonstriert. Heute waren 6000 Menschen anwesend um gegen die Ukraine zu demonstrieren und was auffiel im Vergleich zur ersten Demonstration, waren die expliziten Forderungen: Den Luftraum durch die NATO freihalten, Panzerabwehrwaffen an die Ukraine liefern und SWIFT für Russland canceln. Die Panzerabwehrwaffen sind nun wohl auf dem Weg, das Aus für SWIFT wurde heute auf der Demonstration bereits verfrüht gemeldet, ist jetzt aber Realität. Sind Sie jetzt nach der Demo etwas optimistischer als heute Morgen?
Matthias André Richter: Was die deutsche Politik angeht ja. Es scheint ja ein Umdenken bei den demokratischen Parteien stattzufinden. Bei AfD und Linken sehe ich scheint es eher um Taktik zu gehen, Die AfD ist ja weiter klar in ihre Rolle, die Linke muss sich eben sofort von Dagdelen, Hunko, Wagenknecht, Gysi und Co trennen, mal sehen ob sie die Kraft dafür findet. Das gilt aber natürlich auch für die SPD und die CSU. Schröder, Platzek, Söder…
Wichtig ist jetzt das eine robuste Flugverbotszone geschaffen wird. Ich hoffe das die UNO eine solche Mission beschließen kann und ich bin mir sicher, dass die Franzosen, Polen, Niederländer und Briten das dann auch hinkriegen.
Das ist auf jeden Fall jetzt das Gebot der Stunde. Die Russen haben sogar ein Atomendlager bei Kyjiw beschossen, das ist faktisch also schon ein Atomkrieg den Russland begonnen hat.
Ruhrbarone: Wann und wo findet die nächste Demonstration in Düsseldorf statt?
Matthias André Richter: Morgen, am Sonntag, geht es erstmal nach Köln auf den Roncalliplatz, wo ab 13.30 Uhr demonstriert wird. Mariana Sadwoska, für viele die Stimme der Ukraine in Deutschland, ruft dazu auf und wir hoffen, dass die Menschen um 13.30 dort hinkommen werden und dass die Weltgemeinschaft bald dafür sorgt, den Himmel über der Ukraine von den Russischen Aggressoren zu schützen.
Vor allem gehört sämtlicher Kontakt zu Russland sofort eingestellt.Sämtliche Kommunikation auch im Internet gehört sofort eingestellt.Die Lügenmärchen der russischen Staatsmedien will ich hier nicht mehr sehen und hören.Alle Betreiber dieser Lügenmaschinerien gehören gefangen genommen und nach Russland geschickt.Die Russen können mich ein für allemal am A lecken.Die sollen verschwinden von hier.
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