Drei wunderbare Orgeln im Ruhrgebiet

Seifert Orgel in Bochum Foto: Jelinek

Die Königin unter den Instrumenten wird sie oft genannt, die Kirchenorgel. Sie ist wohl eines der faszinierendsten Musikinstrumente. Eine einzelne Person ist in der Lage mit Händen und Füßen wie ein ganzes Orchester zu spielen. Der Organist hat je nach Instrument einen mehr oder weniger großen Satz an Klangmöglichkeiten zur Verfügung, die über die Register dazu oder weg geschaltet werden können. Und dabei sind das alles nur Pfeifen…

Orgelpfeifen bestehen aus Holz oder Metall, meist aus einer Legierung aus Zinn und Blei. Die schönsten sind im Orgelprospekt angeordnet, der für die optische Schönheit einer Orgel sorgt. Die meisten Pfeifen aber liegen im Inneren der Orgel, im Verborgenen. Auch der Spieltisch an dem der Organist über all die “Zutaten“ für seine Musik entscheiden kann, ist mitunter sehr ansehnlich. Diese “Zutaten“ werden durch die verschiedenen Register der Orgel, mit denen man die Klangfarbe und die Lautstärke der Musik vielfältig verändern kann, realisiert. Es gibt Holzflöten, die wie Blockflöten klingen, Zungenregister, die Blasinstrumente wie Posaune oder Oboe nachempfinden oder Streicher, die sich ein wenig nach Violine oder Cello anhören und noch viel mehr. Bespielt wird eine Kirchenorgel über ein oder mehrere Manuale mit den Händen und über das Pedal mit den Füßen. Da Orgelkundige immer zum Fachsimpeln neigen, aber auch Orgelliebhaber ohne fundiertes Fachwissen hier noch verstehen sollen, worum es geht, befindet sich ein kleines Orgelkunde-Glossar am Ende des Artikels.

Während in Sachsen und Thüringen historische Orgeln aus vergangenen Zeiten, wie Silbermann-Orgeln oder Instrumente, die Johann Sebastian Bach selbst noch bespielt hat, die Orgellandschaft prägen, sind im Ruhrgebiet viele tolle Orgeln neueren Datums zu finden.

In St. Marien in Bochum Stiepel befindet sich eine Orgel, die 1996 von Orgelbau Romanus Seifert & Sohn gebaut wurde und deren kräftige Intonation den Kirchenraum erstaunlich gut ausfüllt. Mit 28 Registern und zwei Manualen ist es keine besonders große Orgel. Die Musikalischen Möglichkeiten sind jedoch sehr breitgefächert (Hörbeispiel Seifert-Orgel, Bochum).

Ein wahres Schmuckstück ist die große Goll-Orgel in Hamm, die 2006 von Orgelbau Goll, Luzern in der Liebfrauenkirche installiert wurde. Es ist die größte Orgel der Stadt  Hamm, die trotz ihrer Größe sehr elegant wirkt.

Goll Orgel in Hamm Foto: Jelinek

Mit 3 Manualen und technisch vortrefflich gestalteter Disposition mit 52 Registern genügt sie höchsten Ansprüchen und wird gern von weltweit renommierten Organisten bespielt. Man könnte sie als eine Universalorgel bezeichnen, denn es ist möglich hier tatsächlich sehr vielfältige Orgelmusik von Barock über Romantik bis hin zu Moderne zu spielen (Hörbeispiel Goll-Orgel, Hamm).

Aber auch die Mühleisen-Orgel in St. Reinoldi in Dortmund kann sich sehen und hören lassen. Diese Orgel ist wirklich nigelnagelneu und erst 2022 von der Firma Orgelbau Mühleisen erbaut worden. Sie verfügt über 4 Manuale und 54 Register. In der Reinoldikirche befindet sich auch eine Chororgel, die bereits 2020 eingeweiht wurde.

Mühleisen Orgel in Dortmund Foto: Jelinek

Die Hauptorgel mit ihren vielen silbernen Prospektpfeifen ist wirklich das Glanzstück der Kirche. Direkt über dem Spieltisch sind Chamaden angebracht. Das sind horizontal angeordnete Zungenpfeifen für einen besonders kräftigen Klang. Die beiden modernen Orgeln in der Reinoldikirche, liebevoll werden sie Claire und Isolde genannt, sind mit einer großen Palette an unterschiedlichen klangfarblichen Stimmen und moderner Elektronik ausgestattet und bieten so dem Organisten viele Spielmöglichkeiten (Hörbeispiel Mühleisen-Orgel, Dortmund).

 

Vielen Dank an die Kantoren Christian Drengk, Johannes Krutmann sowie Matthias van den Höfel für die Möglichkeit, die Orgeln zu bespielen.

Kleine Orgelkunde:

Aliquotregister (Aliquotstimmen, Obertonregister): Register, bei denen nicht der angeschlagene Ton selbst, sondern einer seiner Obertöne (Begleitton) erklingt

Chamaden: rechtwinklig zum Prospekt angeordnete Zungenpfeifen mit besonders kräftigem und präsentem Klang, da sich die Schallwellen ungehindert im Raum ausbreiten können

Disposition: Gesamtanlage einer Orgel aus den Registern und anderem technischen Zubehör

Lippenpfeifen (Labialpfeifen): die Tonerzeugung erfolgt durch den brechenden Luftstrom (wie bei einer Blockflöte)

Gedackt: Register mit Lippenpfeifen, die am oberen Ende geschlossen sind (die meisten Pfeifen sind oben offen)

Kalkant (Calcant): Orgeltreter, bediente früher die Blasebälge der Orgel, die die Luftversorgung gewährleisteten, heute fast immer elektrische Gebläse, an alten Orgeln ist oft ein Kalkant-Glöckchen als Registerzug vorhanden

Kornett: gemischte Stimme, die aus mehreren relativ weiten Pfeifen aufgebaut ist, bei jeder Taste klingen zwei oder mehr Pfeifen gleichzeitig

Manual: mit den Händen zu bedienende Tastatur

Mensur: die Maße einer Pfeife fasst man unter dem Begriff Mensur zusammen, die Länge einer Pfeife bestimmt im Wesentlichen die Tonhöhe, der Querschnitt, die Labienbreite und Höhe des Aufschnitts prägen die Klangfarbe

Mixtur (Klangkrone): gemischte Stimme, die aus mehreren Principalpfeifen aufgebaut ist, bei jeder Taste klingen zwei oder mehr Pfeifen gleichzeitig

Pedal: mit den Füßen zu bedienende Tastatur

Prinzipal (Oktave): Register mit zylindrischen offenen Pfeifen mittlerer Größe aus Metall mit einem vollen, herben und orgeltypischen Klang

Prospekt: äußeres Erscheinungsbild einer Orgel

Register: in der Regel über den gesamten Tonumfang reichende Reihe von Pfeifen gleicher Klangfarbe, die als Einheit ein- oder ausgeschaltet werden kann. Pro Taste erklingt eine Pfeife oder bei gemischte Stimmen auch mehrere Pfeifenreihen gleichzeitig

Registertraktur (Registratur): überträgt den Impuls vom Spieltisch an die Windlade um das gewünschte Register an- oder abzuschalten, kann mechanisch, pneumatisch oder elektrisch sein

Schwebung: eine normale und eine leicht dagegen verstimmte Pfeifenreihe erklingen zusammen

Spieltraktur: verbindet Tasten mit den Pfeifenventilen, kann mechanisch, pneumatisch, oder elektrisch sein

Streicher: enge zylindrische Pfeifen, die vom Klang her an Streichinstrumente erinnern

Traktur: Übertragungssystem von den Bedienelementen des Spieltischs zum Ventilsystem und der Windlade der Orgel (Spieltraktur für das Spielen, Registertraktur zum Ein- und Ausschalten der Register)

Tremulant: Vorrichtung an der Orgel, die den Luftstrom periodisch variiert und dadurch ein Tremolo erzeugt

Windlade: steuert die Luftzufuhr aus der Windanlage (Gebläse) der Orgel zu ihren Pfeifen

Zungenpfeifen (Lingualpfeifen): Tonerzeugung erfolgt durch schwingende Metallzungen

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