Düsseldorf: Kopfschuss für die landesweite Integrationsoffensive?

Alaadin El-Mafaalani (c) K. Gercek

Am 13. März fand in Düsseldorf unter prominenter Beteiligung der Startschuss zum kommunalen Start des neuen Landesprogramm im Politkfeld „Integration“ statt. In allen Städten und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfallen wurde bereits Mitte letzten Jahres das „Kommunale Integrationsmanagement“ bei den Kommunalen Integrationszentren gestartet.  Dieses im Kern sozialarbeiterische Programm umfasst u.a. die Förderung von Planstellen in allen Gemeinden unbefristet und jährlich in Höhe von 75 Millionen Euro. Der Landesgesetzgeber setzt dabei auf den langen Atem des selbstbestimmten, kommunalen Sektors, der sich nunmehr, wie man so schön sagt, neu aufstellen, besser wohl neu erfinden muss.

Mit der Neuverabschiedung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes (TInTG) gilt seit dem 01.01.2022 hat das Land Nordrhein-Westfalen das modernste und innovativste Integrationsgesetz im föderalen Bund Deutschlands geschaffen. Ungeachtet der „ewigen“ Debatten über die Zuwanderer im öffentlichen Raum soll so ein Hebel gefunden werden, statt sich im regulatorischen, verwaltungsrechtlichen Klein-Klein von Förderung, Integration und Abschreckung immer und immer wieder zu verfangen, eine Struktur im Land zu schaffen, besser wachsen zu lassen, die sich den gegebenen örtlichen Gegebenheiten der zivilgesellschaftlichen (Ein besseres Wort gibt es nicht dafür.) Unterstützungsinitiativen, der Beratungs- und Unterstützungsprojekte der freien Träger und der staatlichen Stellen anpasst und alles in möglichst effektiver Form zusammenführt. Ziel ist letztlich eine den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts angepasste, verbesserte Integration aller in Betracht kommenden Personen durch die Bündelung aller Beratungsangebote.

Das klingt erst einmal sehr theoretisch und das ist es auch. Zur Zeit finden überall im Land in den Kreisen und kreisfreien Städten die „Kickoffs“ statt. In Düsseldorf fanden sich auf Einladung des Oberbürgermeisters Dr. Stephan Keller die zuständige Ministerin Josefine Pauls, der Projektvordenker Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani (Universität Osnabrück) und Projektbegleiter Prof. Dr. Jörg Bogumil (Ruhr Universität Bochum), die im Ministerium zuständige Staatssekretärin Asli Sevindim, die für Düsseldorf zuständige Beigeordnete Miriam Koch und als parteiische Moderatorin der Veranstaltung die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums Düsseldorf Anna-Maria Weihrauch zusammen.

(c) K. Gercek

Nach den Grußadressen des Düsseldorfer OBs und Ministerin Pauls begann die Veranstaltung mit dem Vortrag des wissenschaftlichen Vordenkers des Projekts, Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, mittlerweile bundesweit bekannt wegen seiner Bestseller „Das Integrationsparadox“, „Mythos Bildung“ und „Wozu Rassismus?“. El-Mafaalani, der eingangs bemerkte sein Redemanuskript vergessen zu haben, hielt frei einen unterhaltsamen Vortrag zur Bedeutung des auch von ihm (seinerzeit tätig als Staatssekretär (bis 2019)) ausgedachten „Kommunalen Integrationsmanagements“ (KIM). Er ging auf die Entstehung, seine Erfahrungen und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse ein. In kurzen Worten lässt das KIM zusammenfassen, als zuständigkeitsübergreifender, alle  Beteiligten einbeziehender Beratungsprozess, der den Menschen die möglichst schnelle und umfassende Unterstützung zu kommen lassen will, die sich sonst im deutschen Behördendickicht und den Fallstricken des Erwerbsleben verfangen würden, um eine umfassende Integration (in der Regel zuvorderst in den deutschen Arbeitsmarkt) zu ermöglichen.

Mit anderen Worten geht es dem Land darum, durch Sozialarbeit und die Praxis des sog. Case Managements mit Hilfe von sog. Hilfepläne, den Bedarfen und Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden und Integrationsprozesse tatsächlich zu beschleunigen. Diese in anderen Bereichen, wie zum Beispiel im Jugendhilfebereich, seit Jahren erfolgreich angewandte, im Wohlfahrtsstaat erprobte Technik zur individuellen Unterstützung Betroffener, soll auch der „Integration“ Beine machen.

El-Mafaalani ging auf die Facharbeitskräfteinitiative der Bundesregierung ein, die ebenfalls mit dem nordrhein-westfälischen Leuchtturmprojekt korrespondiere. Er zeichnete pointiert die Versäumnisse nach und auf, die alle diese politischen Initiativen und Wünsche auf Arbeitgeberseite letztlich zu Fall bringen könnten, weil Deutschland bis heute nicht ein Ankommen erleichtere, sondern eher erschwere. Im weltweiten Ranking stehe Deutschland auf Platz 15, was ihn letztlich eher positiv überrasche. Die alltäglichen Probleme der Zugewanderten bei der Wohnungssuche, dem Familiennachzug, der Suche nach einen KiTa-Platz usw. zeigten, dass allein der fromme Wunsch nach einer offenen Gesellschaft im Wettbewerb mit den klassischen Einwanderungsländern nicht die gewünschte Einwanderung der Fachkräfte bringe.

Die anderen Motive von Zuwanderung (Asyl, Humanitär usw.) kamen auch zu Sprache und dienten als Projektionsfläche für die Vielfalt der Bedarfe und Bedürfnisse, die sie nunmal sind, bei der Mammutaufgabe der „Integration“. Versöhnlich und hoffnungsvoll empfahl sich El-Mafaalani als wohlmeinender Begleiter deutscher „Integrationspolitk“.

Sodann ging es in die angekündigte Diskussionsrunde. Das Publikum setzte sich aus den Mitarbeitern der beteiligten kommunalen Ämtern, wie Ausländeramt, Kommunales Integrationszentrum, Bürgeramt, Jobcenter, Arbeitsagentur, den kommunalen und Case-Managern der freien Wohlfahrt sowie einigen, wenigen Vertretern der zivilgesellschaftlichen Kräfte zusammen.

(vlnr. Koch, Bogumil, Weihrauch, Sevindim, El-Mafaalani)                                                                                                                      (c) K. Gercek

Wenn man so will, ging es gleich ins Eingemachte. Nach einem Einspieler zu einem „Integrationsfall“, in dem die tatsächlichen Probleme einer alleinerziehenden Mutter angefangen bei der Suche nach einem KiTa-Platz, der Vereinbarung eines Termins zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels im Spannungsfeld mit der Weiterbewilligung von Bürgergeld thematisiert wurde, kam der Bochumer Sozialwissenschaftler Professor Jörg Bogumil zu Wort, der sogleich den Finger in die Wunde Modellversuchs „Integrationsmanagement“ legte. Er konstatierte kurz und trocken, dass alle Mühe scheitere, wenn es nicht gelänge, die Kultur der deutschen Verwaltung zu überwinden, nämlich in „Zuständigkeiten“ zu denken. Denn jeder Verwaltungsmitarbeiter prüfe zunächst seine Verpflichtung für einen Antragsteller überhaupt tätig zu werden und ihn zu bescheiden. Was rechts und links im Leben der Betroffenen passiere, kümmere ihn schon allein wegen der rechtlichen Vorgaben und der über Jahrhunderte eingeübten Verwaltungspraxis und -kultur nicht.

Die Beigeordnete für Kultur und Integration Miriam Koch entgegnete vehement Bogumil, dass das in Düsseldorf nicht zutreffe, weil man es, gemeint ist die Stadtverwaltung Düsseldorf, angesichts der Fluchtbewegung aus der Ukraine vor einem Jahr und schon zuvor 2015 geschafft habe, dieses zu überwinden und fach- wie verwaltungsübergreifend kooperiert und gehandelt habe. Sie könne den Einwand nicht gelten lassen und lobte das Engagement der Verwaltungsmitarbeiter der Stadt bei der Bewältigung dieser Aufgaben. Auch die Umorganisation und die eingeführte „Willkommenskultur“, wie den Service-Point am Düsseldorfer Hauptbahnhof stelle sie heraus.

Versöhnlich versuchten Asli Sevindim als Vertreterin des Ministeriums und der Alaadin El-Mafaalani zu glätten und gingen auf das angedachte Case Management und die Bedarfe und Bedürfnisse der Betroffenen ein. Die „Integration“ in den Arbeitsmarkt und viele andere Punkte wurden angesprochen. Bei allen klang an, dass die Umsetzung der Landesinitiative zu besserer Teilhabe und Integration neben der vergleichsweisen Einzigartigkeit auch eine Chance ist, die Probleme der Menschen schneller und besser in den Griff zu bekommen.

(c) K. Gercek

Nach dem das Für und Wider von der Runde noch ein wenig beleuchtet wurden, die Probleme bei der Einführung eingegrenzt und man sich hoffnungsvoll gab, stellte zum Schluss Anna-Maria Weihrauch nun als Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums das auf die Bedürfnisse der Stadt Düsseldorf angepasste Konzept vor. Sie stellte kurz die Prozesse bei der Bewältigung der Umsetzung eines Case Managements dar, wie sie sich auch auf einem Beiblatt in der Tagungsmappe fanden. Theoretisch ging es ihr um die Abläufe und Abgrenzung in der kommenden praktischen Arbeit, denn das Case Management hat, wie in vielen anderen Kommunen noch nicht begonnen. Und wenn man so will, ging es Weihrauch um Zuständigkeiten, Verwaltungszuständigkeiten. Sie erläuterte, wer darf was und warum machen, wann das Case Management eingreife usw.

Nach diesem kurzen Abschlussstatement als umsetzende Leiterin gab es Gelegenheit zu Fragen aus dem Publikum. Ein Frage nahm die kurz zuvor vorgetragene Darstellung der Düsseldorfer Transformation des Landesgesetzes in den Fokus, und wies nach, dass es der Kommunalverwaltung, wie es auch in den anderen Kommunen zu befürchten sei, um ihre Zuständigkeiten im rechtlichen Sinne gehe, die letztlich, wie es auch der überkommenen „deutschen Verwaltungskultur“ entspräche, um Abgrenzung zu anderen Akteuren (Zuständigkeit) ihre Aufgaben definiere. Letztlich widerspräche das aber, dem übergreifenden, kooperativen Ansatz und behindere letztlich das Ankommen der Menschen in Deutschland.

Den Einwand auf das Schlussstatement der Leiterin Weihrauch nahm Prof. Bogumil dankend auf und bekräftigte seine Sorge, dass der landesgesetzgeberische Gedanke, schnell und unproblematisch zu helfen, so wie vieles Gutgemeintes verpuffen könne.

Mit klassischer Begleitmusik und Häppchen ging der Startschuss in Düsseldorf dann zu Ende. Als Fazit bleibt, dass in 3 bis 4 Jahren vielleicht die ersten belastbaren Ergebnisse des behördlichen „integrativen“ Case Managements vorliegen werden. Es bleibt zu hoffen, dass der offene, Zuständigkeitsgrenzen überspringende Ansatz langfristig einen positiven Ausgang nimmt und sich die Effekte einstellen, die alle sich davon erhoffen.

Mehr zum Thema:

Kommunales Integrationsmanagement (KIM) | Bezirksregierung Arnsberg (nrw.de)

 

 

 

 

 

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