In der Posse um die Umbenennung eines Platzes in Duisburg-Walsum wurde am Donnerstag ein weiteres Kapitel geschrieben. Es muss nicht unbedingt das letzte sein.
Wie berichtet, hatte sich die Bezirksvertretung des ehemals selbständigen Stadtteils im Duisburger Norden fraktionsübergreifend darauf verständigt, ihren Rathausvorplatz in „Schalom-Platz“ umzubenennen. Nachdem jedoch der dortige „Heimatverein“ mit dem Hinweis, es gäbe bereits genug Naziopfer-Gedenkstätten, gegen dieses Vorhaben protestiert hatte, beeilten sich die Fraktionen von CDU und SPD, den entsprechenden Antrag von der Tagesordnung des Vorstadt-Parlaments zu nehmen. Kurz darauf bemühte sich der Walsumer CDU-Fraktionschef, eine von ihm auf einer Karnevalssitzung gestellte Suggestivfrage als Volksbefragung zum Thema umzudeuten.
Am Donnerstag, den 18. November, haben sich nach Angaben der WAZ-Stadtteilredaktion die Fraktionsvorsitzenden in der Bezirksvertretung Walsum als Kompromiss auf den Namen „Platz der gemeinsamen Erinnerung“ geeinigt. Damit solle sowohl der jüdischen wie auch der nichtjüdischen Opfer des Nazi-Regimes gedacht werden, aber auch – und wie man annehmen muss: vor allem – der auf der Arbeit umgekommenen Bergleute. Dieser Kompromiss nimmt der ganzen Sache nichts von ihrer Peinlichkeit.
Es kann nicht darum gehen, die einen Toten gegen die anderen auszuspielen. Aller Toten zu gedenken ist ein Fundament jeglicher Kultur. Nur: wo Aller gedacht wird, am gleichen Ort und zur gleichen Zeit, und bei Gedenkveranstaltungen vermutlich auch noch von den gleichen Anwesenden, da wird eigentlich – wenn wir ehrlich sind – niemandem gedacht. Man denkt allenfalls an Vorstadtpolitiker, wie sie in der Bredouille auf einen Namen wie den „Platz der gemeinsamen Erinnerung“ gekommen sein mögen. Einmalig auf der Welt, eine einmalige Peinlichkeit!
Man kann tatsächlich davon ausgehen, dass es vielen Walsumern lieber gewesen wäre, man hätte es bei der Erinnerung an die verstorbenen Bergleute belassen und den Platz in Barbaraplatz umbenannt. Nichts wäre dagegen vorzutragen gewesen, den Kumpeln, die bei der schweren Arbeit ihr Leben gelassen hatten, eine besondere Ehre zu erweisen. Man hätte sich so äußerst fragwürdige Einlassungen wie jener, dass es bereits genug Naziopfer-Gedenkstätten gäbe, guten Gewissens schenken können. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass im Verhältnis zur deutschen Geschichte etwas nicht stimmt – wenn man sich geäußert hätte, bevor der Vorschlag „Schalom-Platz“ auf dem Tisch lag.
Wenn jedoch bei einem sensiblen Thema wie dem Holocaust einmal eine Einigung erzielt wurde, dann muss man zum interfraktionellen Beschluss auch dann stehen, wenn dieser dem ein oder anderen nicht passt. Wenn aber, wie kürzlich in Walsum geschehen, Alles vorbereitet war, sogar der Termin zur Namenseinweihung schon feststand, und dann noch kurz vor Toresschluss die Absage kommt, dann tut man dem Ansehen seines Ortes keinen Gefallen. Wenn dann Michael Rubinstein, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, meint, dass „es einige Leute zu geben (scheint), die mit einem Schalom-Platz Probleme haben“, dann hat er nichts gegen Nicht-Juden, dann hat er einfach nur Recht.
Und noch etwas: es hat nichts damit zu tun, die einen Toten gegen die anderen auszuspielen, wenn man sich vor Augen hält, dass ein Grubenunglück schon etwas Anderes ist als ein Völkermord. Eine Banalität. Wem bei einer Meldung über verunglückte Kumpel in China oder Chile der Holocaust in den Sinn kommt, tickt nicht richtig. Da ist kein Platz für eine „gemeinsame Erinnerung“. Es ist etwas völlig Anderes. Die nach Auschwitz verschleppten Walsumer Juden waren keine „besseren Menschen“ als die Jungs, die im Bergwerk geblieben sind. Wir müssen uns vor Augen halten, dass eine Gaskammer etwas Anderes ist als Grubengas. Den Toten kann es egal sein. Wenn wir da Blödsinn erzählen und schließlich selbst denken, haben wir das Problem.
„Auschwitz“ ist auch nicht etwas besonders „Heiliges“; Auschwitz war etwas besonders Schreckliches. Es ist schwer, dies mit anderen Grausamkeiten, die Menschen Menschen angetan haben und antun, vergleichen zu wollen. Dennoch: manchmal kann man es tun, manchmal muss man es tun: das absolute Grauen als Maßstab nehmen zur Beurteilung von Scheußlichkeiten, die Menschen offenbar nicht müde werden zu begehen. Srebrenica, Ruanda, Darfur – na sicher: es heißt nicht, deutsche Schuld zu schmälern, wenn in Zusammenhang mit diesen Orten des Schreckens auch Auschwitz genannt wird. Man kann, darf und muss den Holocaust vergleichen. Mit anderen Völkermorden, nicht mit Grubenunglücken.
Das ist alles so banal. Dass es dennoch geschrieben werden muss, ist peinlich. Ärgerlich. Mit Bedacht: auch schlimm. Am 30. November entscheidet die Bezirksvertretung Walsum in einer Sondersitzung. Liebe Leute, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht Euch bitte nicht lächerlich! Ich komme jetzt schon aus dem Fremdschämen nicht mehr raus. Ich hätte es nicht nötig, ich kenne Euch nicht, und doch … – tut mir bitte, tut Euch den Gefallen: nennt ihn Barbaraplatz, lasst es beim Kometenplatz, Friedensplatz – sehr gern, muss aber nicht. Schalomplatz ist ja wohl gegessen. Macht, was Ihr wollt! Nur bitte, lasst das mit dem „Platz der gemeinsamen Erinnerung“! Strengt Eure Karnevalsköpfe bitte noch einmal eine Viertelstunde ein wenig an! Lest vielleicht diesen Text noch einmal! Oder stellt Euch einfach nur vor, in welcher „gemeinsamen Erinnerung“ Ihr verbleibt, wenn Ihr Euch wirklich nicht entblöden solltet, diese Peinlichkeit durchzuziehen.
Mal ehrlich, Kollege,
da lehnst Du Dich jetzt aus dem Fenster und zauberst Formulierungen wie „und wie man annehmen muss: vor allem“ völlig sinnlos aus dem Hut; hebst dann darauf ab, dass Auschwitz „etwas besonders Schreckliches“ war und merkst in Deiner Schreibwut gar nicht mehr, dass Du dieses Argument heranziehst, um über einen völlig uninteressanten Platz und eine belanglose Geschichte zu schreiben; weißt gar nicht, ob Du nun auf dem „Schalom-Platz“ oder dem „Schalomplatz“ bist; möchtest die Shoa – aus welchem Grund auch immer – vergleichen „mit anderen Völkermorden“; erkennst kurz vor Schluss selbst, dass auch Deine Handlung „peinlich“ ist; johannesbaptistkernerst Konstruktionen aus „Bedacht“ und „schlimm“ vor Dich hin; musst Dir Ausrufezeichen von Freunden leihen, weil Du in deren Benutzung kein Maß kennst; verbietest eine gemeinsame Erinnerung; kommst – und diesen Zusammenhang hat vor Dir selbst Helmut Schorsch vom Heimatverein nicht erkannt, Chapeau! – von Gaskammern auf Grubengas; hast offensichtlich mit keinem der Beteiligten, zu denen auch der von Dir mit einer älteren Aussage zitierte Michael Rubinstein gehört, nach der Sitzung gesprochen, sonder interpretierst einen auf DerWesten.de vorab veröffentlichen WAZ-Artikel – der auch nicht mit Informationen aus dem Verlauf der Sitzung um die Ecke kommt – ohne Quellenabgabe; hast nur einen wahren Satz im Text: „Das ist alles so banal“; ziehst diese „Peinlichkeit“ schlussendlich Zeile für Zeile durch.
Geht nicht.
Wirklich nicht.
Denk drüber nach. Du wirst der Sache nicht gerecht.
Fremdschämen geht auch in Dortmund. Und zwar auf einem deutlich anderen Niveau als in einem Duisburger Vorort. Nämlich mitten in Dortmunds City.
In der heutigen Sitzung des Dortmunder Rates hatte die CDU beantragt, den Platz vor dem zukünftigen DFB-Fuballmuseum als „Platz der Deutschen Einheit“ auszuweisen. Eigentlich kein Problem, dürfte man denken, die Deutsche Einheit war ja immerhin ein Geschenk der Geschichte.
Pustekuchen: Die Narren der Grünen schlugen, weil „deutsch“ darf man ja nicht in den Mund nehmen, ironischerweise den „Jürgen-Sparwasser-Platz“ vor.
Und die LINKEN Kommunisten meinten, den Kanzler der Einheit verarschen zu müssen, und wollten den Platz zwischen dem Dortmunder Hauptbahnhof, dem zukünftigen Fußballmuseum und der grandiosen Botta-Bibliothek „Platz der blühenden Landschaften“ benennen.
Lieber Herr Jurga, wenn Sie meinen, den Stab über CDU und SPD brechen zu müssen, brechen Sie ihn lieber über die, die Probleme mit ihrer Staatsbürgerschaft haben: den Kaspern von den Grünen und den Linken.
By the way: in Dortmund gibt es einen Platz der alten Synagoge, einen Platz von Netanya, einen Platz von Hiroshima und einen Friedensplatz.
Give peace a chance. Und an die LINKEN: Requiescat in pace. Möglichst schnell.
Nein man muss Auschwitz nicht vergleichen, auch nicht mit Darfur. Wie kommen sie denn darauf?! Der industrialisierte Massenmord ist das ultimative Menscheitsverbrechen – fertig aus. Das die Täter und deren Kinder das lieber anders sehen würden leuchtet natürlich ein.
Walsumer Opa, siehs ein! Deutschland denken heist Auschwitz denken!
Eine alte Parole der Antifa lautet treffend:
Oma, Opa, Hans und Peter – keine Opfer sonder Täter.
@ Dortmunder
“Platz der blühenden Landschaften”
ist doch Klasse!
gibt’s den eigentlich schon irgendwo in D-land?
@Dortmunder,
„Und die LINKEN Kommunisten meinten, den Kanzler der Einheit verarschen zu müssen, und wollten den Platz zwischen dem Dortmunder Hauptbahnhof, dem zukünftigen Fußballmuseum und der grandiosen Botta-Bibliothek “Platz der blühenden Landschaften” benennen.“
Ja, lieber Dortmunder, wenn nicht mal Sie diesen Vorschlag als Würdigung empfinden, wer dann?
Vermutlich hatten Sie doch damals applaudiert, als Kohl von den blühenden Landschaften sprach.
Jetzt ist die Erinnerung daran „bähh“?
Abgesehen davon, hat @4 meine volle Zustimmung. Es ist eine schöner Name,
und diesen Namen muß sich ein Platz erst mal verdienen.
@Helmut Junge: So unblühend sind die Landschaften im Osten ja auch nicht. Dresden, Leipzig, Potsdam – da ist schon viel passiert. OK, MeckPom können wir fluten.
@Stefan Laurin,
Darf ich Deinen Einwand jetzt so werten, daß Du derjenige bist, der den obigen Vorschlag als Würdigung empfinden könnte?
Der @Dortmunder will es ja offensichtlich nicht.
Und ich hab in den letzten 10-15 Jahren keine Reise in die Richtung gemacht.
Ist jedenfalls schon was her. Muß mich also darauf verlassen, was ich lese.
Und ich lese, daß da welche zusammenzucken, wenn die Sprache drauf kommt.
Das werte ich dann aus. Solange Kohl-Anhänger zusammenzucken, haben sie mit dieser Andeutung ein Problem. Das wird vom politischen Gegner auch so gewollt sein.
Ich sollte vielleicht mal in der Gegend Urlaub machen und selber gucken.
@ Stefan Laurin & Helmut Junge
“Platz der blühenden Landschaften”
– der Eine sieht’s als Würdigung (des Altkanzlers: „ein Birnbaum in seinem Garten stand“)
– der Andere als die totale Verarsche
für jeden was dabei, was will man mehr?
@ Stefan #6
Mecklenburg Vorpommern auf keinen Fall fluten! Da ist schon Wasser genug und zwar in Form einer wunderschönen Seenlandschaft. Einfach mal hinfahren! Nette kleine Städtchen mit netten kleinen Hotels/Pansionen direkt am Wasser. Im übrigen sind Landschaften besonders schön wenn besonders wenig Menschen dort rumwuseln.