Easy Thinking mit Richard David Precht – Der Philosoph als heimsuchender Sozialarbeiter

Richard David Precht © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Von Richard David Precht habe ich drei Bücher zuhause, die ich mit großem Gewinn und wenig Kritik im Detail gelesen habe. Dass allerdings auch ein Precht in seiner Liebe zur Weisheit jederzeit einen Prachtbock schießen kann, bewies der umtriebige Medienstar im „stern“ jüngst mit seinem Vorschlag, auch Rentnern ein soziales Jahr zu verordnen und sie etwa junge Menschen coachen zu lassen, z.B. als Nachhilfelehrer in der Schule: „Die Generation, die jetzt in Rente geht, die goldene, die eine beispiellose Wirtschaftsprogression erlebt hat, und vom Krieg verschont wurde, muss in die Pflicht genommen werden (…) Ich bin überzeugt: Nach dem ersten Jahr würden viele Menschen das freiwillig verlängern; weil sie gebraucht würden und das gut fänden.“
Tucholskys Evergreen-Einsicht „Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse sondern gut gemeint“: Prechts Einberufung einer eisernen Senioren-Sozialreserve weist sie einmal mehr als unkaputtbar aus.

Wenn du doch geschwiegen hättest …
Jajaja, „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ Doch plappern gehört zum Handwerk; schließlich wird auch Keynote-Speaker (5-Sterne-Redner) Precht für viele Tausend Euro pro Abend von der Referentenagentur Bertelsmann nicht allein ins Talk-Show-Gequassel der Republik vermittelt: „Was das für Ihre Veranstaltung bedeutet? Optimale Voraussetzungen, um Ihr Unternehmen in Erinnerung und Ihren Namen ins Gespräch zu bringen. Frei nach unserem Motto ‚Hier spricht Ihr Erfolg!‘“
Kein Wunder, dass sich der Link zu Prechts Auftritt zum verpflichtenden sozialen Jahr in Anne Wills Proporz-Piep-Schau „Anne Will“ auch hier bei den Event-Bertelsmännern wiederfindet.
Und es war auch diese „Anne Will“-Sendung vom 7.12.2011, die ab Minute 45 zeigte, wie Precht als Kreuz- und Querdenker in Windeseile instrumentalisiert werden dürfte von den unzähligen Lobbyisten, die von der Privatisierung des Rentensystems träumen, die also unter den Stichworten „Eigenverantwortung der Bürger“ den Staat (und die Unternehmen) aus jeder Fürsorge-Pflicht entlassen wollen.

Candide oder überkandidelt?
Wenn ich Precht bei Anne Will richtig verstanden habe (was nicht leicht war), fordert er ein gesetzlich erzwungenes soziales Jahr sowohl für die junge Generation unter 20 als auch für die jungen Alten, die Rentner und Pensionäre so um die 60 plusminus herum. Bei gleichzeitiger Forderung nach einer Mindestrente von 1.000 Euro möchte Precht ältere Menschen, die nach seinen Worten eigentlich „über ein hohes Maß an Anstand verfügen“, dennoch gerne sicherheitshalber „zu ihrem Glück zwingen“, sie ein wenig „schubsen zu ihrem eigenen Vorteil“. Ein Jahr lang sollen sie in Altersheimen, sozialen Einrichtungen oder Schulen (15 Stunden pro Woche) zum Beispiel den Migranten „Mustafa und Achmet“ Deutsch beibringen und sich mit ihnen freuen, wenn Mustafa und Achmet dann doch noch ihre Prüfungen bestehen. (Und wer kümmert sich um Kevin und Chantal?) So geben der rüstige Rudi als cooler Kumpel und die flotte Lotte als Trümmerfrau einer maroden Gesellschaft etwas zurück und erleben dazu am eigenen Leibe das Prinzip der Selbstwirksamkeit: man lernt durch eigene Anschauung dazu, wird Teil eines großen „Mentalitätswandels“. Und siehe da, hocus pocus fidibus, wir kommen ihr alle wieder etwas näher, der besten aller möglichen Welten.

Wer da nicht mitmachen will, sollte z.B. mit der Auszahlung der Rente Probleme bekommen (dürfen), entwirft Precht eines der „Druckmittel“, die er hinsichtlich sozialer Planwirtschaft für sinnvoll hält. Wer selbst zu malade sein dürfte für den ambulanten Dienst am Wunden im Krankenhaus zum Beispiel, der sollte dies über ein ärztliches Attest ausweisen müssen.

Was geht, Alter?
Die Crux am Prechtschen Vorschlag ist nicht einmal, dass global an Rentensystemen aller Art gesägt wird. Der finanzielle solide ausgestattete Rentner oder Pensionär, den man zur Solidarität verpflichten könnte, dürfte selbst in Deutschland eine vorübergehende Erscheinung bleiben. Griechenland zeigt, dass das internationale Finanzkasino in der Lage und willens ist, staatliche Rentensysteme generell unter Kürzungsdruck zu bringen und an ihrer Auflösung zu arbeiten. Griechenland ist dabei nur die Probe aufs Exempel, inwieweit und ab wann die Finanzeliten darangehen können, sich in ganz Europa an steigender Altersarmut zu bereichern.

Wer Visionen hat, sollte besser nicht zum Barfußarzt gehen, oder?
Die Crux am Prechtschen Vorschlag ist hierzulande aktuell, dass es in Deutschland noch immer gelungen ist, jede gut gemeinte Anregung zu entwerten und durch Verbürokratisierung in ihr Gegenteil zu verkehren. Wer wird denn festlegen, welche Silver Surfer in welchem Lebensjahr genau das soziale Jahr ableisten müssen? Wer prüft, wer wie warum dazu nicht in der Lage ist? Und wer prüft, wer überhaupt dazu in der Lage ist? Es gibt Rentner, die würde ich nur sehr ungern auf Grundschulkinder losgelassen sehen. Was ist mit den (Super-)Reichen in diesem Land, die Renten oder Pensionen nicht erhalten, müssen die nichts tun? Was ist mit den Working Poor unter den Älteren, die für soziale Arbeit keine Zeit haben, weil sie unter entwürdigenden Arbeitsbedingungen ihre Rente aufbessern müssen, um zu überleben?
Wer organisiert, reguliert und kontrolliert die 15-Stunden-Woche der Best Ager, wer ermittelt die ‚Bedarfe‘ in den sozialen Einrichtungen? Für den Zivildienst war einst ein ganzes Bundesamt zuständig und Tausende von gemeinnützigen Trägern haben die Zivis verplant und an ihnen verdient. Wem würden die Grauen Panther der Nächstenliebe auf dem ersten Arbeitsmarkt Konkurrenz machen und deren Mindestlöhne und -honorare drücken: den Nachhilfe gebenden Schülern, den Tagesmüttern, den Pflegekräften …?

Im Abseits jeder überfälligen öffentlichen Diskussion um Neuverteilung des gesellschaftlichen Reichtums
Aber wahrscheinlich ist überhaupt nichts vom oben Gesagten wirklich wichtig. „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Was also sicher kommen wird, ist natürlich nicht eine neue von Precht initiierte Generationensolidarität, nicht mehr soziale Gerechtigkeit und Mentalitätswandel. Was sicher kommen wird und bereits deutlich sichtbar wird, ist die steigende Altersarmut bei gleichzeitig steigender Armut für Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene. Was vorangetrieben wird, ist die schrittweise Zerstörung des Sozialstaates und damit auch die Zerstörung eines Rentensystems, das nicht etwa mit ‚Reformen‘ solidarischer gemacht werden dürfte, sondern im medial inszenierten „Krieg der Generationen“ abgeschafft werden wird.

Occupy Wall Street? „Ach was!“ (Loriot)
Weltbank, IWF, Wall Street, Londoner City, Hedgefonds … – längst wickeln sie jeden Einzelnen von uns en gros und en détail ab, waschen Gehirne, verwässern die Sprache, spekulieren ganze Staaten in den Ruin. In einem solchen Kontext wird von Prechts Vorschlag nur eines bleiben: Die ideologische Einstimmung darauf, mit älteren Menschen jederzeit machen zu können, was die Kassen der Besitzenden weiter füllt.

Mich allerdings hat Prechts Idee mehr als ’nachhaltig‘ inspiriert. In mir wächst stündlich der Wunsch, baldmöglichst mein eigenes extrem soziales Jahr abzuleisten. Ich würde gern und freiwillig 15 Stunden in der Woche hergeben, um den Kindern und infantilen Eltern in den Villen am Starnberger See oder in den Hamptons intensiv Nachhilfe in Solidarität zu erteilen. Oder einfahren in die Alterssitze der Geldaristokratie und Neureichen bei Davos zum Beispiel, um dort eitrige Verbände zu wechseln und den vielen dementen Bettlägerigen von Dagobert Duck vorzulesen, damit sie sich noch einmal lächelnd an ihre Idole erinnern. Gemeinsam übte ich mit den Ex-Juwelieren unter ihnen Sprechchöre im Rollstuhl (zur Ertüchtigung ihrer Selbstwirksamkeit): „Wir Juweliere dieser Welt haben nichts zu verlieren als unsere Ketten. Wir haben eine Welt zu gewinnen. Auf, Juweliere  aller Länder, vereinigt euch!“ Auch Neonazis könnte ich coachen, ihnen Deutsch beibringen oder sie gar umschulen zu Verfassungsschützern, nur ein kleiner Schritt für viele von ihnen. Ach, all diese lieben Leutchen sollen doch nicht hintanstehen müssen, wenn es mit R.D. Precht darum geht, die Menschen allerorts ein wenig zu ihrem Glück zu zwingen, sie ein wenig zu schubsen zu ihrem eigenen Vorteil.

P.S. (Detailkritik)
Sowohl bei Anne Will als auch letzten Samstag im WAZ-Interview zitierte R.D. Precht übrigens Arthur Schopenhauer dem Sinne nach falsch und formulierte für einen Philosophen überraschend unbeholfen: „Ich bin zuversichtlich, dass das soziale Pflichtjahr kommt. Schopenhauer hat einmal gesagt, jedes Problem durchlaufe drei Stadien: erst wird es verlacht, dann wird es bekämpft und irgendwann gilt es als selbstverständlich.“
Mag schon sein, dass Precht daran mitarbeitet, dass (s)ein Problem irgendwann als selbstverständlich gilt. Schopenhauer allerdings soll da schon schärfer gedacht und formuliert haben (in verschiedenen Zitierweisen zu finden):
„Jede Wahrheit/Erkenntnis durchläuft drei Phasen: In der ersten wird sie verlacht, in der zweiten wird sie wild bekämpft, und in der dritten wird sie als Selbstverständlichkeit akzeptiert.“
So werden die Sätze Schopenhauers tatsächlich plausibel, sollten allerdings nicht allzu selbstgefällig von Precht für seinen unausgegorenen Vorschlag in Anspruch genommen werden. Kennt jemand Quelle und den Text im Original und könnte sie mir nennen?

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Andrea Foks
Andrea Foks
13 Jahre zuvor

Man kann es zwar nicht sehen, aber ich applaudiere gerade im Stehen.

daniel
daniel
13 Jahre zuvor

wieso sollten freunde der eigenverantwortung ausgerechnet den sozialistischen ideen prechts zustimmen? der mann sagt: kollektivwohl geht vor freiheit. wenn du ihm bislang zugestimmt hast dann solltest du jetzt nicht so entsetzt tun. bei solchen ideen kommt am ende immer zwang raus.

Katharina
Katharina
13 Jahre zuvor

Was für feingeistige Gedanken von diesem Herrn Precht.
Sollte mal ein Tour durch Deutschland machen, aber seine eigenen Kreise verlassen.
Arbeiter und Angestellte besuchen und mit denen sprechen.
Oder er sollte selbst mal Hand anlegen und richtig malochen, daß das Kreuz weh tut und die Hände krumm werden.
Wenn ein Rentner oder eine Rentnerin ein freiwilliges Jahr hinlegen, bitte, Hochachtung.
Aber als Zwangsmaßnahme?! Dem fällt wohl nichts Besseres ein.
Eine verquirlte Sch……

Urmelinchen
Urmelinchen
13 Jahre zuvor

Unser Richard David Precht, promovierter Germanist, der so gern Philosoph wäre und dessen Vorbild, so mutmaße ich, Bernard-Henri Lévy (BHL) ist, der französische Vertreter des Philotainment, der aber im Gegensatz zu Precht wirklich Philosophie studiert hat. Kein Thema, wozu unser Richard nicht etwas erzählen kann, Afghanistan, Rentner, der Mann hat alles drauf. Auf ihn sind aller Augen gerichtet, wenn die anderen Talkshowgäste sich vollends im Dickicht aus Gut und Böse, Wahr und Falsch verirrt haben. Ich glaube, Salonlöwe ist die passendere Bezeichnung für diesen Herren.

Meine Lieblingsrezension über Precht:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-autor-precht-unglaublich-1.138989

Ulf
Ulf
13 Jahre zuvor

Wieso muss ich immer an K.-T zu Guttenberg denken, wenn ich D. Precht sehe? An der Frisur kann’s nicht liegen …

MiR
MiR
13 Jahre zuvor

Glück ist, auf der Parkbank zu sitzen und Enten zu füttern. Wirklich?

Dieses Gerede von persönl. Verantwortung interessiert mich aber auch nicht wirklich.

Henk
13 Jahre zuvor

Herr Herholz, ich finde viele Ihrer Arguemente nachvollziehbar und sinnvoll, und sie haben mich, der ich zuvor ohne großes Darübernachdenken ein latenter Befürworter der Idee des sozialen Pflichtjahrs war, völlig überzeugt. Zwei Argumente halte ich aber für eher schwachbrüstig, und sie entwerten die Gesamtargumentation ein wenig:

1) „Und wer prüft, wer überhaupt dazu in der Lage ist? Es gibt Rentner, die würde ich nur sehr ungern auf Grundschulkinder losgelassen sehen.“
Klare Antwort: Die jeweilge Einrichtung prüft es in einem Bewerbungsverfahren. Wer von Grundschulen und Kindergärten abgewiesen wird, probiert es halt im Tierheim oder im städtsichen Landschaftsbau. Alternativen gibt es doch wohl, genug zu tun wäre ja da. Den Ausdruck des „Sozialen“ Jahres darf man hier nicht zu eng fassen.

2) „Was ist mit den (Super-)Reichen in diesem Land, die Renten oder Pensionen nicht erhalten, müssen die nichts tun?“
Ebenso klare Antwort: Nein, müssen sie wohl nicht. Das ist ungerecht, aber in anderen Bereichen genau so: Die Idee des Steuernzahlens oder des Solidaritätszuschlags werden doch auch nicht durch die Tatsache diskreditiert, dass sich manche Menschen erfolgreich darum herum drücken. Es machen einfach nicht alle mit bei der Solidarität; das sollte uns Normale nicht davon abhalten, trotzdem Solidarität zu üben. Man könnte der Idee des sozialen Pflichtjahrs übrigens genau so gut vorwerfen, dass sie keine Antwort auf Eurokrise und Klimawandel bietet. Wie man die (Super-)Reichen in die Pflicht nimmt, steht (hoffentlich bald einmal) auf einem anderen Blatt.

Diese beiden Argumente halten mich davon ab, Ihrem Text uneingeschränkt zuzustimmen. Na gut: Das muss ja auch nicht immer das Ziel sein.

Schöne Grüße und danke für Ihre Überzeugungsarbeit!
Henk

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Gerd, wenn Du jetzt deine drei Bücher von Precht neu lesen würdest, kämst Du vielleicht auf den Gedanken, einiges neu und anders zu bewerten.
Da bin ich besser dran, gehöre ich doch zu denen, die bisher dachten, dass sie sich nicht mit Herrn Precht beschäftigen müßten. Das war falsch gedacht, und der Artikel, zu dem @Urmelinchen den Link geliefert hat, drückt das auch wunderbar klar aus.
Ich beschäftige mich jetzt zwangsläufig doch mit ihm, verschafft er mir doch analog einem bekannteren Phänomen, ein „Nahrentenerlebnis“.
Sein Vorteil wird es aber nicht sein, denn erstens fiel mir auf, dass er selber vermutlich nicht betroffen sein würde, falls seine Vorstellung umgesetzt wird, dann geht es mir noch ähnlich wie @Ulf (6), der immer an zu Guttenberg denken muß, wenn er Precht sieht.
Beides ist übrigens aus meiner Sicht nicht schmeichelhaft für ihn.
Drittens wäre Zwangsarbeit kaum mit einer demokratischen Verfassung in Einklang zu bringen, zeigt aber doch, dass es Zeitgenossen gibt, die den Wert einer demokratischen Verfassung nicht schätzen gelernt haben.
Die sind offenbar nicht immer nur auf dem rechten Spektrum zu finden.

DH
DH
13 Jahre zuvor

@’10: Es wäre interessant, etwas über die konkreten Arbeitsbedingungen von Philosophen zu erfahren. Zu Zeiten des operaismo gab es die schöne Tradition der Arbeiterfragebögen, die auf den Marxschen „Fragebogen für Arbeiter“ zurückgingen:
https://www.mlwerke.de/me/me19/me19_230.htm

Kollege Herholz, ich vermute, Sie gehen in der Wissensgesellschaft ein und aus: Gibt es das bereits, einen „Fragebogen für Philosophen“?

DH
DH
13 Jahre zuvor

@ Gerd Herholz: Nun, ich hab’ das hier noch nicht gelesen:
https://www.testcard.de/titel.php?pid=1368

… aber zumindest die Arbeitsbedingungen prekärer Philosophen dürften sich in dem einen oder anderen Textbeitrag des Heftes widerspiegeln.

Ansonsten präferiere ich natürlich den Ansatz der militanten Untersuchung.

Bürohilfskraft
Bürohilfskraft
13 Jahre zuvor

Da mein Berufsleben trotz akademischer Ausbildung immer wiederkehrend von befristeten Arbeitsverträgen, lange Phasen der Arbeitslosigkeit und Billiglöhnen geprägt ist, wird sich dies sehr übel auf meine Rente auswirken und mich vermutlich (sofern sich nichts ändert) dazu nötigen, so lange zu arbeiten, bis ich mir das Gras von unten ansehe. Wenn ich mir hingegen mit einem sozialen Pflichtjahr dauerhaft eine Einheitsrente von 1100 Euro sichern könnte, wäre dies ein Geschenk, das ich sofort annehmen würde. Für 1100 Euronen 15 Wochenstunden sozial zu arbeiten, wäre auch im jetzigen arbeitslosen Zustand tausendmal sinnvoller als Hunderte erfolglose Bewerbungen zu verfassen.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Gerd,
„Sicher war es früher nicht nur so, und sicher ist es heute nicht nur anders“

den Satz habe ich dem Link von @DH (14) entnommen. Dirk sei dafür gedankt.
Ich meine, der Satz paßt ganz gut zu Deiner mahnenden Rückschau, die mich durchaus nachdenklich gemacht hat. Allerdings bin ich, wie Du nach dem obigen Zitat bereits vermuten wirst, zu einer etwas anderen Auffassung gekommen, als Du.
Die Vorwürfe haben sich in den Jahrzehnten geändert, die Diffamierungen nicht.
Zwar sagt heute niemand mehr „‚Abweichler’, ‚Sektierer’, ‚Stalinist’, ‚Trotzkist’, ‚Reformist’, ‚Konterrevolutionär’“, soviele Begriffe kennt auch kaum noch jemand, sondern heute gilt vielen alles als rassistisch, mindestens als unterschwellig rassistisch.
Die Sprache ist verarmt, aber die Intentionen zu diffamieren sind geblieben.
Menschen ändern sich kaum.
Aber zurück zu dem Literaten Precht.
Er macht doch mit seiner Idee, Rentnern ein soziales Pflichtjahr aufzubrummen, Politik.
Politik aber ist nie frei von Polemik. Wie auch?
Wenn Precht Verdienste in seiner Vergangenheit erworben hat, schützen diese ihn kaum, wenn er sich politisch mit einer brisanten Forderung zu Wort meldet. Gut, Du hast das erkannt. Ich war polemisch. Aber das lasse ich mir auch als Waffe nicht nehmen, denn was bliebe dann noch?
Wo Dario Fo noch Satire als Waffe einsetzen konnte, fehlt hier doch oft der Adressat, der Satire als Satire versteht. Da sind schon Viele mißverstanden worden.
Gerd, heute hat man Applaudiermaschinen, damit die Zuschauer wissen, wann sie lachen müssen.
Aber versöhnlich will ich auch sein.
Prechts Meinung, dass der Werther heute nicht mehr in den Unterricht gehört, find ich richtig. Das denke ich auch. Gut, dass das so einer sagt, und nicht ein Banause wie ich.
Dass der sich das traut zu sagen, macht mich neugierig auf den Mann, und ich will mal eines, der von Dir zitierten Bücher von ihm lesen. Du kannst mir ja eines vorschlagen, was besonders gut zu mir passen würde.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Oh jeh Gerd, hätte ich mal nichts dazu gesagt. Wie komme ich da nur wieder raus?

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Gerd, wir müssen manchmal Abstriche machen.
Mozart for ever? In der Malerei Tiepolo?
Ich mag beide. Aber kein Musik-kein Kunstlehrer käme auf die Idee, seinen Unterricht so auf die Zeit vor, und um das 18.Jahrhundert auszurichten, wie es die Deutschlehrer tun.
Ich bin ja in der Literatur Laie, aber:
Ich bin ehemaliger Schüler!!!
Nur deshalb wage ich jetzt die Diskussion.

Im Alter von 16 Jahren hatte ich damals schon keine „Freude“ am Werthers Leiden.
Doch schon an Bürgers Lenore, zugegeben. Stammt aus der gleichen Zeit.
Aber zeitgenössische Literatur kam dann zu kurz, weil Goethe ein Riese war, weil Lessing wichtig war. Klar, Aber die anderen ( die späteren) wurden dafür mehr oder weniger durchgehechelt. Den Brecht hatte ich mir lange nach der Schule selber rausgesucht. Aber danach? Meine Güte, die Schulzeit ist doch so kurz.
Vielleicht hätte ich mir mal den Werther nach der Schulzeit herausgesucht, wenn ich in der Schule modernere Literaten hätte kennen lernen dürfen. Vielleicht.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

Prechtige Diskussion Leute. Der Mann ist doch zu was gut. Kann leider nicht mitmachen. Wäre aber so oder so thematisch überfordert.

Katharina
Katharina
13 Jahre zuvor

an 10 Gerd

Danke für den Hinweis. Denke darüber nach.

Obwohl ich Philosophen mag, habe ich bei Precht meine Vorbehalte.
In meinen Augen ein Schönling, der sich zu wichtig nimmt.
Aber vielleicht tue ich ihm Unrecht.

Prechtige Diskussion ! Stimmt !

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Gerd,
Hab mir das Buch von Pennac besorgt und lese gerade drin.
Auch Precht „Liebe“ war ausleihbar.
Melde mich wieder, wenn ich gelesen hab.
Pennac liest sich übrigens leicht und flüssig.

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