Immer mehr Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen werden von Kriminellen manipuliert. Experten raten zur Vorsicht am Geldautomaten.
Für 600 Kunden an Duisburger Geldautomaten gab es im vergangenen Jahr zum Weihnachtsfest keine frohe Botschaft: Insgesamt 600.000 Euro buchten Kriminelle von ihren Konten ab.
Kein Einzelfall: Immer häufiger manipulieren Banden aus Osteuropa Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen. Ihre Methode, das so genannte Skimming. Dabei werden die Geldautomaten manipuliert: Vor die Kartenleseeinheit wird ein Aufsatz angebracht, der die Karteninformationen ausliest. Über eine versteckt angebrachte Kamera oder eine aufgesetzte Tastatur wird zusätzlich die PIN ausspioniert. Dann werden neue Karten erstellt. Sie heißen Whitecards – weiße Karten – weil auf ihnen kein Logo einer Sparkasse oder Bank zu sehen ist. Mit ihnen werden dann von EC-Automaten im Ausland die Konten der Betroffenen leergeräumt. Dass sie Opfer einer Skimming-Attacke geworden sind, erfahren sie erst beim Blick auf den Kontoauszug.
Die Zahl der Skimming-Attacken ist in den vergangenen Jahren in NRW stark gestiegen, wie die Zahlen des Landeskriminalamtes belegen: Von 172 manipulierten Geldautomaten im Jahr 2008 stieg die Zahl auf 271 in 2009. Bis zum 7. November dieses Jahres gab es schon 1059 Fälle – mit einer unbekannten Anzahl an Opfern.
Frank Scheulen, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen LKA mahnt die Bürger zur Vorsicht an Geldautomaten: „Auch wenn der starke Anstieg der Statistik zum Teil auf eine verbesserte Erfassung der Fälle zurückzuführen ist, hat sich die Zahl der Skimming-Fälle besorgniserregend entwickelt. Vor allem in den Ballungszentren an Rhein und Ruhr ist Skimming zu einer Gefahr geworden, die jeden Bürger treffen kann, der Geldautomaten benutzt: „Die Täter“, sagt Scheulen, „suchen sich bevorzugt Automaten mit einer hohen Besucherfrequenz aus. Dort können sie schnell viele Kartendaten sammeln. Das lohnt sich dann auch, wenn die Manipulation schon nach ein paar Stunden entdeckt wird.
Immer raffinierter werden die Tricks der vor allem aus Osteuropa kommenden Banden: Dort werden immer neue und für den Laien immer schwerer zu erkennende Automatenaufsätze konstruiert. Scheulen: „Da sind qualifizierte Experten am Werk. Was die abliefern ist HighTech.“
Das LKA rät allen EC-Automaten-Benutzern am Lesegerät und dem Tastaturaufsatz zu rütteln. Wackelt was, sollte man den Automaten meiden und Bank und Polizei informieren.
Annabel Oelmann, Expertin für Finanzdienstleitungen Verbraucherzentrale NRW, ist da skeptisch: „Die Tricks der Kriminellen werden immer besser.“
Der Bankkunde hat kaum noch eine Chance, einen manipulierten Automaten zu erkennen: „Wir erleben seit Jahren ein Wettrüsten zwischen den Kriminellen auf der einen und den Banken und Automatenherstellern auf der anderen Seite.“
An diesem Wettrüsten hat sich auch die Sparkasse Düsseldorf beteiligt. Bislang mit Erfolg: „Wir haben seit 2009 keinen Skimming Fall mehr gehabt.“ sagt Dr. Gerd Meyer, Sprecher des Geldinstitutes. Zusammen mit dem Automatenhersteller Wincor-Nixdorf habe man gemeinsam erfolgreich an Lösungen gearbeitet. Wie die aussehen, mag er nicht erzählen: „Wir wollen ja den Kriminellen keine Tipps geben.“
Klar ist nur: Immer häufiger befinden sich die Automaten der Sparkasse Düsseldorf in geschlossenen Räumen. Die Zahl der direkt am Bürgersteig platzierten Automaten ist zurückgegangen.
Je sicherer die Automaten werden, je ausgefeilter die Technik, umso größer der Aufwand, den die Banden treiben, um an das Geld der Kunden zu kommen. Über tausend Euro werden im Durchschnitt illegal abgehoben. Bei der Vielzahl der Fälle wird klar: Hier geht es um viel Geld.
Geld, das die Banken in den meisten Fällen diskret und aus Kulanz erstatten. Oelmann: „In der Regel haben Kunden keine Schwierigkeiten, ihren Schaden ersetzt zu bekommen. Das gilt allerdings nur, wenn es an einem Automaten zu mehreren Fällen kam.
Ist ein einzelner Kunde betroffen, ist es mit der Kulanz der Geldinstitute nicht weit her. „Dann“, sagt die Verbraucherschützerin, „muss man nachweisen, dass man Skimming-Opfer ist.“
Die Banken würden in Einzelfällen argumentieren, der Betroffene habe seine Kartendaten nicht entsprechend gehütet und beispielsweise seine PIN auf die Karte geschrieben.
„Das ist heute doch nicht mehr realistisch. Die meisten Menschen nutzen ihre EC-Karte fast täglich und kennen ihre PIN auswendig. Bei den Einzelfällen haben die Banken noch einen Nachholbedarf in Sachen Kundenfreundlichkeit.
NRW-Verbrauchschutzminister Johannes Remmel (Grüne) sieht die Verbraucherrechte indes ausreichend gesichert und setzt auf Anfrage der Welt am Sonntag auf mehr Technik: „Kreditinstitute müssen sich laufend um die besten Sicherheitsstandards bemühen. So wie die EC-Karten selbst fälschungssicher und vor Manipulationsversuchen geschützt sein müssen, so liegt es auch im Verantwortungsbereich der jeweiligen Bank oder Sparkasse, ihre Automaten
regelmäßig auf Manipulationen zu überprüfen.“ Und das nicht nur in den Großstädten wie Düsseldorf: „Wenn das BKA zudem beobachtet, dass die Täter von Automaten in Innenstadtnähe auf Geräte im Umland ausweichen, weil diese seltener vor Skimming-Angriffen gesichert sind, so besteht hier auf Seiten der Kreditwirtschaft zweifellos Nachbesserungsbedarf.“
Vor allem in grenznahen Gebieten hat es nach Ansicht von Gerd Meyer in letzter Zeit häufig Skimming-Attacken gegeben: „Die Täter sind dann schnell ins Ausland gezogen und haben das Geld mit den gefälschten Karten abgehoben, die an deutschen Automaten nicht funktionieren.
Endgültige technische Lösungen sind bei aller Mühe der Banken und der Industrie nicht in Sicht. LKA-Sprecher Scheulen appelliert daher an die Verbraucher, vorsichtig zu sein: „Jeder sollte am Automaten die Hand über das Eingabefeld halten und nicht immer zu den meist besuchten Automaten gehen.“ Ein hundertprozentiger Schutz ist das allerdings auch nicht.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag