Seit vielen Jahren schon bekomme ich keine ECCE-Newsletter oder deren Pressemitteilungen mehr, aber es gibt nette Menschen, die mir beides immer weiterleiten und so kam ich in den Genuss, den „ECCE-Newsletter Juni 2017“ zu lesen. Eine Meldung erregte mein Interesse:
„Das ist ja toll“, dachte ich mir im ersten Moment. Im zweiten dachte ich mir dann, dass es ja vielleicht ganz interessant sein könnte, wenn ich mir mal den Kulturbericht des Landes NRW herunterladen und durchlesen würde.
Beides habe ich getan und eines vorweg: Der Kulturbericht NRW ist interessant, differenziert, klug und durchaus kritisch – also alles, was man von Gornys Rasselbande nicht behaupten kann.
Erst einmal wird in dem Bericht die Zahl von 190.000 Beschäftigten eingeordnet:
Insgesamt arbeiteten 2014 in NrW rund 190.000 Erwerbstätige in den Kulturberufen, das entspricht rund 2 % aller Erwerbstätigen in der Gesamtwirtschaft von Nordrhein-Westfalen.
Was auffällt: Im Kulturbereich arbeiten viele Selbstständige:
Im Durchschnitt sind die Erwerbstätigen in den Kulturberufen zu rund einem Viertel auf die Selbstständigen verteilt, und rund drei Viertel gehören zu den abhängig Beschäftigten. Dieses Pro l weicht deutlich von der Gesamtwirtschaft in NrW ab, in der die Selbst- ständigen lediglich 12 % ausmachen. Bei einer genaueren statistischen Erfassung, beispielsweise in der Gruppe der kulturvermitteln- den Berufe, würde der Anteil der Selbstständigen in den Kulturberu- fen insgesamt voraussichtlich auf nahe 30 % steigen.
Das ist erst einmal eine gute Sache – Freiberufler zu sein, ist schön. Man kann, wie Wolf Lotter es 2009 in der Welt tat, guten Gründen ein „Lob der Selbständigkeit“ anstimmen.
Allerdings gibt es mit den Selbstständigen im Kulturbereich ein Problem – und im Gegensatz zu den ECCE-Mitarbeitern, die bekanntlich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, benennt der Bericht es klar:
Von den 50.000 Selbstständigen gehören 50 % zu den geringfügig Selbstständigen mit weniger als 17.500 Euro Jahresumsatz. Das bedeutet, dass diese Selbstständigengruppe durchschnittlich einen Jahresumsatz von 7.000 bis 9.000 Euro erzielt. Es ist kaum vor- stellbar, dass solche Jahreseinkünfte existenzsichernd sein können, daher erzielt diese Gruppe vermutlich zusätzliche Einkünfte aus anderen Berufstätigkeiten oder aus anderen Quellen.
Klar ausgedrückt: Fast die Hälfte der Selbstständigen könnte HartzIV beantragen. Für den Kulturbericht ist das ein Problem:
Während die Anzahl der Selbstständigen zugenommen hat, ist der Umsatz im Vergleichszeitraum 2009 bis 2015 erheblich gesunken. Als Indikator wurde der Jahresumsatz je Selbstständigen ermittelt. Danach sinkt der Umsatz bei den Künstler- und Kulturberufen ins- gesamt im Vergleichszeitraum um rund 20 %. Die Gesamtwirtschaft kann hingegen im Vergleichszeitraum einen Zuwachs von 9 % verbuchen.
Für ECCE sind alle, die im Kulturbereich arbeiten, einfach nur Zahlenmaterial, mit dem sich die eigene, klägliche Existenz gegenüber Behörden rechtfertigen lässt. Allein wegen des gelebten Zynismus sollte man die ECCE-Butze schließen.
Was erwarten Sie denn von jemanden, der ganz ernsthaft das Wort "Kulturwirtschaft" nutzt? Gerade mir als neoliberalem Kapitalisten ist doch eine der Grundwahrheiten, daß "die Kultur" immer ein Zuschußgeschäft ist und wahrscheinlich auch sein muß.
Gut gegeben, Stefan. Der selbsternannte Kaiser ist – wie immer – nackt. Hochsubventioniertes Kasperletheater zur Selbst- und Politikinszenierung. Wenn so ein Ding erst einmal läuft, traut sich Politik nicht mehr, Fehler zuzugeben und es einfach wieder zu schließen. In der Region too big to fail.
Gut, dass du nachrecherchiert und den Kulturbericht gründlicher gelesen hast.