
Hauptberuflich berichtet Timo Frasch für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Bayern. Aber immer wieder veröffentlicht Frasch in der FAZ auch Interviews, die nichts mit seinem Hauptberichtsgebiet zu tun haben. Nun ist mit „Eigentlich müssten mir die Feministinnen die Füße küssen. Gespräche mit Frauen.“ sein zweiter Interviewband erschienen.
In seinem Arbeitsalltag als Korrespondent der FAZ in Bayern berichtet Timo Frasch über die Reaktionen innerhalb der CSU auf den frisch zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag, erlaubt dem Rest der Republik Einschätzungen in das rätselhaft erscheinende Wesen Markus Söders oder geht der Frage nach, ob die CSU noch eine Partei der Kirchen sei. Bayern ist eines der wichtigsten Bundesländer und traditionell mit Politikern gesegnet, über die es sich lohnt zu schreiben – weil sie wichtig sind, aber auch, weil sie keine grauen Mäuse sind. Doch Frasch ist nicht nur ein Beobachter der bayerischen Politik. Seine Interviews mit Politikern, Schauspielern und anderen Prominenten gehören zu den lesenswertesten, die hierzulande in Zeitungen erscheinen. Frasch weiß um deren Wirkung und ordnet sie ein: „Das Interview tut so, als sei es die unmittelbarste, unfiktionalste journalistische Darstellung. Das ist nicht richtig. Man erkennt es schon daran, dass sich der Journalist mit seinem Gesprächspartner ein oder zwei Stunden lang unterhält, dass man aber das Interview, das später in der Zeitung erscheint, in fünf bis 20 Minuten gelesen hat.“
2019 veröffentlichte er mit „Sie stellen mir Fragen, die ich mir nie gestellt habe. Männergespräche“ seinen ersten Interviewband. 20 Interviews hatte er geführt, nur drei davon mit Frauen. Die wurden nicht veröffentlicht, aber es entstand der Plan, ein Buch nur mit Frauen-Interviews zu veröffentlichen. Mit „Eigentlich müssten mir die Feministinnen die Füße küssen. Gespräche mit Frauen.“ ist der nun herausgekommen.
Alle Interviews wurden in den vergangenen Jahren in der FAZ veröffentlicht. Wer die Zeitung regelmäßig – sei es auf Papier oder digital – liest, wird sich an viele von ihnen erinnern. Für das Buch ist das kein Nachteil. Sie sind es alle wert, erneut gelesen zu werden, und der zeitliche Abstand ermöglicht immer wieder einen anderen Blick. Mit Janine Wissler sprach Frasch 2016. Wissler war damals noch eine hessische Landespolitikerin und Fraktionsvorsitzende der Linken im Wiesbadener Landtag. Erst 2021 zog sie in den Bundestag ein und wurde Vorsitzende der Linken. Im Gespräch mit Frasch, in dem es um Hummer, Sozialismus und das gute Leben geht, ist ihr beinharter Dogmatismus immer wieder zu spüren, dem auch Fakten egal sind. Auf Fraschs Einwurf, der Sozialismus habe öfter den Eindruck vermittelt, als sei Bedürfnisbefriedigung nicht seine größte Stärke, antwortet Wissler:
„Und der Kapitalismus? Es gibt Zahlen der Vereinten Nationen, wonach man heute problemlos elf oder zwölf Milliarden Menschen auf der Erde ernähren könnte. Der Kapitalismus schafft es nicht einmal, sieben Milliarden zu ernähren.“
Dass es Kapitalismus und Welthandel in den vergangenen Jahrzehnten gelang, die Armut weltweit erfolgreich zurückzudrängen, interessiert die Trotzkistin nicht.
Frasch lässt seinen Gesprächspartnerinnen Zeit, gibt ihnen den Raum, Gedanken auszuformulieren, ist neugierig, will nicht aburteilen oder vorführen, sondern tritt ihnen mit Respekt gegenüber. Dieser Respekt ist es dann, der es ihm ermöglicht, nicht nur biografische oder politische Fragen, sondern auch intime zu stellen – und die Antworten nach den Gesprächen auch freigegeben zu bekommen. Denn in Deutschland ist es üblich, Interviews vor der Veröffentlichung dem Gesprächspartner noch einmal vorzulegen. Und so sagt ihm Elke Heidenreich über Harald Schmidt, dass sie ihn „auch im Alter immer noch geil“ findet, spricht die Pornodarstellerin Texas Patti über das zerrüttete Verhältnis zu ihren Eltern und Gloria von Thurn und Taxis, dass für sie immer nur die „Topboys“ in Frage kamen.
Die Interviews mit Heidenreich und Thurn und Taxis wurden nach ihrem Erscheinen viel zitiert und sorgten für Diskussionen. Aber es sind die Gespräche von Frasch mit bundesweit weniger prominenten Menschen, die das Buch so lesenswert machen. Seine Mutter Theresia berichtet davon, wie es war, in einem Dorf aufzuwachsen, dass ihren Eltern das Geld fehlte, sie auf die Realschule zu schicken – und von den Sorgen, die sie sich machte, als ihr Sohn ein Praktikum bei der Bunten machte:
Ich kann mich noch dran erinnern, als ich ein Praktikum bei der „Bunten“
gemacht hab, da hattest du Sorgen, dass ich in den Boulevardbereich gehe.
Große Sorgen.
Du sagtest: Gehst du jetzt zu den Schmutzfinken?
Das hätte mir nicht gefallen.
So wie es jetzt gelaufen ist, ist es ok?
Ist ok. Da ist zwar auch manchmal ein bisschen Boulevard dabei. Aber hält
sich in Grenzen.
Frasch ist bayerischer Schwabe. Das Gespräch mit der Dialektforscherin Edith Burkhart-Funk fand zum Teil auf Schwäbisch statt, ist aber vor allem spannend, weil Burkhart-Funk unter anderem den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und der Akzeptanz von Dialekten erklärt:
Was isch an de Oberbayern sexyer als an de Schwaben?
München zum Beispiel isch attraktiv, weils an Haufen Geld hat, weil sich da die Schicki-Mickis und die ganzen Promis treffen, und man will natürlich so sein wie die. Und na imitiert ma des.
Seinen Titel verdankt das Buch Sophia Thomalla, die ausführlich auf ihre unternehmerische Tätigkeit eingeht und der es egal ist, als was sie bezeichnet wird – solange es nicht Influencer ist, denn das sei ein anderer Begriff für Schnorrer:
„Ich verdiene Geld mit dem, was ich will. Und zwar auch in Männerdomänen. Sand, Korn, Kies. Eigentlich müssten mir die Feministinnen die Füße küssen.“
Frasch muss niemand für sein Buch gleich die Füße küssen – aber Danke sagen sollte man für den gelungenen Interviewband allemal.
Timo Frasch: „Eigentlich müssten mir die Feministinnen die Füße küssen“
Gespräche mit Frauen
26,00 Euro