Ein angezeigter Hai und die Polizei als Meteorologen: die skurrilen Wüchse des Verhüllungsverbotes in Österreich


Eigentlich sollten ja nur Burkas verhindert werden, doch weil man das nicht so explizit in Form eines Gesetzes pressen konnte, wurde ein eher fragwürdiges Gesetz auf den Weg gebracht, welches sich bisher in einigen Situationen gegen das eigene Volk gerichtet hat. Von unserem Gastautor Andre Wolf.

Seit dem 1. Oktober 2017 ist in Österreich ein neues Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz in Kraft, auch Verhüllungsverbot genannt. Dieses Verhüllungsverbot verbietet eine Vollverschleierung von Personen im öffentlichen Raum und soll zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts einer offenen Gesellschaft dienen.

Man möchte also aus Sicherheitsgründen das Gesicht eines jeden einzelnen Menschen in der Öffentlichkeit erkennen können. Das ist verständlich, auch wenn hier ein wenig der Beigeschmack vorherrscht, dass man primär keine Burka im öffentlichen Raum haben will, obschon bis dato keinerlei burkatragende Frauen einen Terroranschlag auf österreichischen Boden ausgeübt haben.

Es handelte sich bei der Inkraftsetzung des Gesetzes also wohl eher um die präventive Eindämmung einer vorherrschenden Angst, sowie auch ein schneller Vorstoß der (noch) regierenden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP, um die Sicherheitsfrage bezüglich Asylbewerbern nicht allein der FPÖ (Anmerkung: das deutsche Pendant zur FPÖ ist die AfD, nicht die FDP) zu überlassen.

Um jedoch Religionsfreiheit zu wahren, sowie auch nicht anerkannte Religionsgemeinschaften zu diskriminieren, musste dieses Verbot so säkular wie möglich gehalten werden. Sprich: es muss so ausgelegt werden, dass es nicht allein die Burka trifft, sondern allgemein angewendet werden kann. Religionsneutral as possible. Das Ergebnis daraus, sowie auch die ersten Anwendungen in der Praxis, sind daher eine bizarre Einschränkung der Freiheit geworden, die so wohl niemand gewollt hat.

Allein die Erklärung, was nun seit dem ersten Oktober 2017 (an dem Tag ist im Übrigen gleichzeitig in Deutschland die Ehe für alle gesetzlich in Kraft getreten) erlaubt, verboten und vor allem eine Grauzone ist, lässt bereits vermuten, dass es zu großen Problemen kommen kann. Daher ein Blick auf die offizielle Grafik des BM.I – Bundesministerium für Inneres in Österreich:

Foto: BMI

 

Im Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit (Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz – AGesVG) lautet es also:

„Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu bestrafen. Die Verwaltungsübertretung kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von bis zu 150 Euro geahndet werden. Öffentliche Orte oder öffentliche Gebäude sind Orte, die von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden können, einschließlich der nicht ortsfesten Einrichtungen des öffentlichen und privaten Bus-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehrs.“

Erlaubt – Verboten

Also die Bereiche oben und unten in der Grafik sind für jeden Laien verständlich: solange das Gesicht frei bleibt, ist alles in Ordnung. In Rot sind natürlich Burka und Niqab dargestellt, daher im öffentlichen Raum in Österreich verboten. Klar, darum ging es unter uns in Wirklichkeit ja auch, wir müssen uns hier nichts vormachen, denn das Gesetz zielt in erster Linie auf muslimische Frauen.

Das Problem sind jedoch nun die Kollateralschäden, also die krampfhafte Umsetzung für den säkularen Bereich, damit das Gesetz eben überhaupt auf den Weg gebracht werden konnte. Hier sehen wir mit Grau markiert teilweise mehr oder weniger alltägliche Situationen. Natürlich läuft nicht jeder von uns täglich als Clown über die Straßen (naja … also geschminkt und maskiert …), aber speziell ein Schal oder ein Tuch kann durchaus vorkommen. Genau dafür muss das Gesetz nun Schlupflöcher bieten, die es eben dem christlichen Bürger erlaubt, unbeschadet vor diesem Gesetz zu bleiben. Dazu wurde in § 2 Abs. 2 AGesVG festgehalten:

„Ein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot gemäß Abs. 1 liegt nicht vor, wenn die Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung erfolgt oder gesundheitliche oder berufliche Gründe hat.“

So darf man schon als Clown auf die Straße, wenn es sich eben um eine Brauchtumsveranstaltung handelt. Auch der Schal vor dem Gesicht geht in Ordnung, wenn es denn auch kalt genug ist. Die (gar farblich auch so dargestellte) Grauzone muss letztendlich dann auch so interpretiert werden können, dass genug Spiel da ist. Doch wer interpretiert denn nun diese Grauzone? Ganz klar, das muss in erster Instanz natürlich die Exekutive machen, die dann im öffentlichen Raume auch für die Einhaltung des neuen Gesetzes zuständig ist.

Daher soll auch die Vorfreude auf die nun folgenden Absätze nicht zu Unrecht entstanden sein, denn tatsächlich.

Die Polizei, dein Freund, Brauchtumsforscher und Meteorologe!

An dieser Stelle: ich bin grundsätzlich ein Polizeifreund, habe auch beruflich täglich mit der Polizei zu tun und veröffentliche auch täglich Inhalte, die der Polizei zur Unterstützung dienen. Daher wird es jetzt nicht zu einem Polizeibashing kommen, sondern soll eher zeigen, in welche absurde Situationen dieses Gesetz führt.

Es begann bereits damit, dass die Landespolizeidirektion Niederösterreich ZUNÄCHST Halloween nicht als Brauchtum anerkannte und somit ankündigte, das Gesetz durchzusetzen. Wäre vielleicht mal die ideale Lösung für Eltern gewesen, ihre Kinder für eine Nacht loszuwerden, denn so ein Kind ohne Ausweis, dessen Identität nicht festgestellt werden kann, es dann noch trotz Abmahnung die strafbare Handlung fortsetzt, indem es sich weigert die Verhüllung zu entfernen oder versucht, die Tat zu wiederholen, könnte von einem Polizeibeamten auf die Polizeistation gebracht werden. Also sturmfrei für die Eltern an Halloween?

Nein, natürlich nicht sturmfrei, denn das Bundesministerium für Inneres hat dann via Twitter recht zügig auf die Auslegung der Landespolizeidirektion Niederösterreich reagiert und somit wohl abertausende Halloweenparties gerettet, indem man kurzweg Halloween als ein weitläufig traditionellen österreichischen Brauchtum anerkannt hat. Glück gehabt.

Also Halloween ist demnach nun ein österreichischer Brauch, die berühmten Wiener Pferdemasken-Musikanten wiederum mussten am letzten Donnerstag (5. Oktober 2017) unverhüllt spielen, da sie eine Belehrung durch die Polizei erhalten haben. Wie genau diese Belehrung aussah, ist nicht bekannt, einer der Pferdemasken-Musikanten gab gegenüber „Wien Heute“ die Belehrung mit den Worten „die Maske ist verboten. Wenn wir noch einmal (gemeint: mit Maske) spielen, gibt es eine Strafe.“ wieder. Inwiefern das zutrifft, ist offen, denn von Seiten der Polizei sagte man darauf, dass die Belehrung dahin ging, dass sie WÄHREND der künstlerischen Darbietung die Masken tragen dürfen, jedoch nicht davor oder danach.

 

Etwas weniger Glück hatte jedoch eine Radlerin in Wien, die einen Gratiswetterdienst der Polizei bekommen hat. Obschon die Polizei ankündigte, mit Fingerspitzengefühl dieses Gesetz umsetzen zu wollen, so müssen sie am Ende natürlich schon eine Entscheidung treffen. Und wie es so schon österreichisch „Vurschrift is Vurschrift“ lautet, geht man auch als Polizist am Ende natürlich (und verständlicherweise) auf Nummer „Sicher“, wenn man sich eben an die Vorschrift hält.

Und so kam es wie es kommen musste, eine Radlerin wurde in Wien angehalten, weil sie während der Fahrt zum Schutz vor der Kälte einen Schal über dem Mund trug. ich zitiere an dieser Stelle aus der österreichischen Zeitung Der Standard:

„Da habe sie ein Polizist aufgehalten mit den Worten: „Nehmen Sie den Schal runter.“ – „Wieso? Es ist kalt.“ – „Es ist nicht kalt, nehmen Sie ihn runter.“ Die Amtshandlung habe mit einer Abmahnung geendet.“

Auch wenn das im ersten Moment recht amüsant klingt, so trägt es doch einen mehr als bitteren Beigeschmack mit sich, denn bei voller Durchsetzung hätte die Polizei durchaus diese Situation mit 150 € Strafe ahnden können.

Und nun kommt die Tragweite des Gesetzes und auch der Grauzoneninterpretation zum Vorschein: als Bürger ist man an dieser Stelle wohl zunächst grundsätzlich der interpretativen Auslegung der Polizei unterlegen, selbst wenn es um Temperaturen geht. Was dem Gesetzeshüter zu warm, kann dem Bürger zu teuer. So in der Art. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass eine Reihe der Erstinstanzinterpretationen vor dem VfGH oder gar dem EGMR landen.

Die Radlerin kam jetzt zwar mit einer Abmahnung davon (es ist jedoch immer unangenehm, von der Polizei zurechtgewiesen zu werden, speziell dann, wenn man nun wirklich nichts gemacht hat), an anderer Stelle endete es jedoch mit einer Anzeige. Und das ist jetzt kein Scherz:

Hai angezeigt!

 

Ohne große Erklärungen, sondern einfach nur ein Blick auf die Statusmeldung auf Facebook geworfen:

Ein Promo-Mitarbeiter, der ein Hai-Kostüm trug, musste im Zuge des Verbotes nun die Haimaske abnehmen. Dazu gab es eine Anzeige. Der Mann war Teil einer Promo-Aktion vor einem neueröffneten McShark-Geschäft in der Wiener Innenstadt. Ist natürlich nun für den Shop eine nette Promo im Nachhinein, jedoch insgesamt auch hier bedenklich, da der junge Mann seine beruflichen Pflichten ausübte.

Wie mittlerweile von der Polizei bekanntgegeben, handelten diese nicht aus Eigeninitiative, sondern wurden zu dem Ort durch einen anonymen Dritten gerufen, der durch den Hai das Gesetz gebrochen sah. Man kann eventuell sogar davon ausgehen, dass der Anrufer/die Anruferin ein Gegner des Gesetzes ist und die Absurdität damit unterstreichen will, da die Polizei ja eingreifen muss.

Noch bedenklicher wird diese Situation, wenn man parallel die Meldung von leadersnet.at hinzuzieht, in der nicht unbegründet davon ausgegangen wird, dass die Promo-Firma vielleicht selbst die Polizei einschaltete, um einen Skandal zu inszenieren. Das macht die Situation nicht besser, sondern gar schlimmer: die Unausgewogenheit des Gesetzes, sowie die noch nicht durchweg einheitliche Handlungsweise der Polizei wäre dadurch ausgenutzt worden und zeigt somit, wie manipulativ dieses Gesetz angewendet werden kann (*Zusatz vom 10.10.2017).

Wie auch immer, der junge Mann soll dadurch keinen Schaden erleiden, McShark als Auftraggeber gab via Facebook bekannt, dass sie die Verantwortung dafür tragen werden.

Liebe DiskutantInnen,

bevor es hier zu Missverständnissen kommt:

die Anzeige ging natürlich direkt an unser Unternehmen und nicht an den Promoter selbst und wir tragen auch die Verantwortung dafür.

Schönen Abend,
euer McSHARK Team

So wollte das wohl niemand!

Nun sind diese Interpretationen in der Tat streitbar, denn gerade der Hai hätte in Ausübung seiner beruflichen Pflicht laut § 2 Abs. 2 AGesVG geschützt sein müssen, sowie auch die Pferdemasken-Musikanten jedem Wienbesucher und den Wienern sowieso bekannt sind und zumindest genauso traditionell für Wien sind, wie das Halloweenfest an sich für Österreich.

Schwieriger wird es im Falle der Radlerin sein, die tatsächlich dem Wohlwollen der Temperaturfühligkeit unterlegen ist. Gar schwieriger wird es für das Tragen eines medizinischen Mundschutzes sein: wer keinen Attest vorlegt, dürfte sich strafbar machen. Ähnliches gilt dann wohl auch für einen Schal. Fraglich wird es sein, wie ein abgedunkeltes Visier bei Helmen gilt (die Sicherheit wird durch nicht beeinträchtigt, wenn das Visier von außen klar ist). Ab wann ist Wind so stark, dass man den eigenen Mund verhüllen darf, welche Feste werden in Zukunft als österreichisches Brauchtum angesehen?

Die Burka und den Niqab dürfte man nun von Österreichs Straßen verdrängt haben (ob nun einige Frauen ihre Wohnung nicht mehr verlassen *dürfen*?), jedoch haben die Bürgerinnen und Bürger diesen Preis der vermeintlichen neuen Sicherheit mit der Einschränkung ihrer eigenen Rechte bezahlt. War es das wert?

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
11 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Lemurian
Lemurian
7 Jahre zuvor

Zitat:

"Um jedoch Religionsfreiheit zu wahren, sowie auch nicht anerkannte Religionsgemeinschaften zu diskriminieren, musste dieses Verbot so säkular wie möglich gehalten werden. Sprich: es muss so ausgelegt werden, dass es nicht allein die Burka trifft, sondern allgemein angewendet werden kann. Religionsneutral as possible."

Wenn Burkas und Kopftücher zur Religion gehören würden – das tun aber NICHT! Im Koran steht kein einziges Wort von einer Burka oder von Kopftüchern.
Burkas sind keine religiöse Kleidung sondern eine idiologische Uniformierung sowie eine Art Sklavenoutfit bzw. Kennzeichnung weil in dem Fall Frauen NULL Rechte haben und für die patriachalische Männerkultur in arabischen Ländern Sklavendienste verrichten müssen.

Fragt mal einen echten Islamexperten oder Wissenschaftler ob irgendwo im Koran steht das Burkas oder Kopftücher ein Gebot Allahs sind – der wird euch sagen das sie dort nirgendwo erwähnt werden. Aber nen richtigen Islamexperten fragen und keinen salafistisch eingestellten.

ke
ke
7 Jahre zuvor

Grauzonen gibt es bei jedem Gesetz. Oft sieht es auch danach aus, dass der Gesetzgeber diese Grauzonen explizit einbaut, um Anwälten und Gerichten eine dauerhafte Beschäftigung zu sichern.

Wie bei jedem Gesetz wird es auch hier nach einer Anlaufphase funktionieren.

War es das wert? Das müssen Herr und Frau Österreicher wissen. Sie können ja auch bald wieder wählen.

Lemurian
Lemurian
7 Jahre zuvor

Zitat.

"Oft sieht es auch danach aus, dass der Gesetzgeber diese Grauzonen explizit einbaut, um Anwälten und Gerichten eine dauerhafte Beschäftigung zu sichern."

Ich glaube Verschwörungstheorien sind hier nicht so gerne gesehen… ^^

Himynameis
Himynameis
7 Jahre zuvor

@1: Im Koran ist ganz allgemein davon die Rede, dass Frauen sich schamvoll bedecken sollen. Wichtig ist, wie die Gläubigen das verstehen und leben – die verschiedenen und voranschreitenden Grade der Verhüllung sind im Mainstream Konsens – und nicht irgendwelche angeblichen Experten. Es gibt keine sunnitischen Papst und auch kein sunnitisches Lehramt. Was es wiederum mehr als genug gibt, sind Atheisten und Agnostiker, die den Muslimen den Islam erklären.

yohak
yohak
7 Jahre zuvor

Es stimmt zwar, daß "bis dato keinerlei burkatragende Frauen einen Terroranschlag auf österreichischen Boden ausgeübt haben."
Aber in anderen Ländern ist die Burka/Niqab durchaus schon bei Terroranschlägen und anderen
Verbrechen benutzt worden. Und nicht nur in arabischen und anderen islamischen Ländern, sondern
auch in Europa: Siehe
http://www.lci.fr/faits-divers/fusillade-mortelle-a-toulouse-le-tueur-etait-habille-d-un-niqab-et-cachait-son-arme-dans-une-poussette-2057480.html

Enzo
Enzo
7 Jahre zuvor

Ich freu mich schon auf die Comic Con im November in Wien. Ich glaub ich werd dann auch zum Denunzianten und Anzeigen erstatten. Man muß die Absurdität dieses Gesetzes, daß nur dem Wahlkampf geschuldet ist, auf die Spitze treiben. Es gibt in Österreich eh kaum einheimische Burka Trägerinnen – die wenigen die man in Wien sieht, sind Touristinnen aus Saudiarabien oder Frauen von Diplomaten bei der OPEC oder der UNO – das wird da eh auch noch lustig werden. Wie siehts zb mit Burkaträgerinnen mit Diplomatenausweis aus …

Arnold Voss
Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Es handelt sich, was die Burka betrifft, nicht um ein V e r hüllungs v e r bot sondern um ein E n t hüllungs g e bot.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

@#5 yohak: Sie wissen hoffentlich, dass dieses Attentat in Toulouse nichts mit islamistischem Terrorismus zu tun hatte, sondern "Ergebnis" einer Fehde unter Drogenhändlern war. Der Täter hätte sich genauso "effektiv" als behelmter Motorradfahrer oder Oma mit Hackenporsche verkleiden können.

Hopping Hipster
Hopping Hipster
7 Jahre zuvor

Am Beispiel Österreich sieht man was man bekommt wenn Gesetze durchgedrückt werden die populistisch Ressentiments bedienen. Purer Opportunismus.

Derweil in Brüssel:
https://www.heise.de/tp/news/Zensurfilter-sollen-ueber-Europa-kommen-3849140.html

RobinS
RobinS
7 Jahre zuvor

150,00 Euro Strafe wird die Mitglieder arabischer Königshöuser in den Ruin treiben.

Ich gehe davon aus, dass es bald einen Fonds geben wird, der die anfallenden Strafgebühren ersetzt- so wie früher hierzulande die Fonds für Schwarzfahrer in ÖPNV.

Letztlich ist das nicht mehr als Symbolpolitik und wird an der Situation zwangsweise vollverschleierter Frauen rein gar nichts ändern – aber das ist ja auch nicht beabsichtigt gewesen.

Walter Stach
Walter Stach
7 Jahre zuvor

1.
Welches demokratische Gemeinwesen ist in Wahlkampfzeiten, besser wohl vor allem in Wahlkampfzeiten , frei von "populistischen" Versuchungen und von Gesetzesvorhaben, die diese Versuchungen befriedigen wollen, notfalls mit sog. politischen Schnellschüssen? Insofern gibt es m.E. weder aus Österreich eine Besonderheit zu vermelden noch für die Außerösterreicher Anlaß, sich deshalb als die besseren Demokraten aufzuspielen.

2.
In der Sache "Verbot der "Ganz-Körper-Verhüllung" neige ich letztendlich dazu, einem solchen Verbot zuzustimmen, aber nicht frei von Bedenken.

2. 1
Es gibt einerseits das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit -sh.dazu Art. 2 (1)(1) GG-, demgemäß sich jeder so kleiden darf wie es ihm gefällt und nicht so zu kleiden hat, wie es andere "gut heißen". Ich erinnere hier an diverse Diskussionen bei den Ruhrbaronen, in denen es regelmäßig zu heftigem Widerspruch gekommen ist, wenn staatlicherseits versucht wurde, in dieses Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit einzugreifen.
Also:
Der Staat hat niemanden daran zu hindern, sich gänzlich verschleiert in der Öffentlichkeit zu zeigen.

2. 2
Da gibt es andererseits Einschränkungen dieses Freiheitsrechtes.

Einschränkungen, die sich

a.)
begründen lassen in der verfassungsrechtlichen Interpretation eines Menschenbildes, nach dem der Mensch nicht als "isoliertes Individum" zu verstehen ist , sondern als ein " in die Gemeinschaft hineingeborenes und dieser vielfältig verpflichtetem Wesen. Privatheit ist danach eben nicht die Eigenschaft eines sozial isolierten Individuums , sondern Privatheit ist zu verstehen als die eines in die Gemeinschaft hineingeborenen und dieser Gemeinschaft vielfältig verpflichtetem Wesen. Die so begründete generelle Gemeinschaftsbezogenheit eines jeden Grundrechtes verbietet folglich die von mir unter a.) "vollzogene" Interpretation bzw. den daraus abgeleiteten Schluß;

Einschränkungen, die sich
b.)
begründen lassen mittels der sog. Schrankentrias im Art. 2(1)(2) GG:
"die Rechte Anderer,"
"die verfassungsmäßige Ordnung"
"das Sittengesetz.

Ohne auf die Inhalte, die Probleme, die unterschiedlichen Auslegungen dieser sog Schrankentrias einzugehen, läßt bereits ihre bloße Aufzählung erkennen, daß das GG nicht eine schrankenlose individuelle Freiheit garantiert, sondern dieser Freiheit Schranken setzt. Und das schließt die "Kleiderfrage" ein und nicht etwa aus.

Gestützt auf diese grundsätzlichen Verständnis von individueller Freiheit im Sinne des GG und ausgehend von Sinn und Zweck der sog. Schrankentrias sowie der mir dazu bekannten Rechtsprechung des BVerfG komme ich für mich zu dem unter 2. festgehaltenen Ergebnis -"nicht ohne moralische und verfassungsrechtliche Bauchschmerzen wegen der so gezogenen Grenzen des inviduellen Selbstbestimmungsrecht eines Menschen, z.B. bezüglich seiner Kleidung.

Wie im Streitfall, z.B. aufgrund der Verfassungsbeschwerde einer Burka-tragenden Muslimin, über die Verfassungsmäßigkeit eines einschlägigen Bundesgesetzes entscheiden würde,bleibt abzuwarten. Das schließt eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des sog. "Vermummungsverbotes" als Grundlage konkreter polizeilicher Maßnahmen gegen eine Burka-Trägerin ein. Diesbezüglich verdient der Hinweis Beachtung, wo nach jeder staatliche Eingriff in Freiheitsrechte der Bürger dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen hat "…man darf nicht mit Kanonen nach Spatzen schießen".

3.
In der Diskussion zum "Burka-Verbot" ist zudem zu bedenken, daß sich möglicherweise die Burka-tragenden Muslimen in einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG gar nicht oder nicht primär auf die sog. allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2(1)(1) GG beruft, sondern auf die sie schützenden speziellen Grundrechte, nämlich a.) auf die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und/oder b.) auf das Recht der ungestörten Religionsausübung.

Zu diskutieren wäre diesbezüglich darüber, ob sich und wie sich das Tragen einer Burka religiös begründen läßt. Bekanntlich gibt es dazu auch unter den Muslimen unterschiedliche Auffassungen, zu denen ich mich mangels Kenntnis nicht äußern kann.

Und zu diskutieren wäre ähnlich wie zur allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2(1)(1) geschehen über grundgesetzkonforme Schranken der Freiheit des religiösen Bekenntnisse und der Freiheit der ungestörten Religionsausübung, denn die existieren, auch wenn es im Art. 4 nicht die Einschränkung des Gesetzesvorbehaltes gibt.
Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, verweise ich darauf, daß allein schon die Besonderheit des Fehlens eines dieses Grundrecht einschränkenden Gesetzesvorbehaltes im Art. 4 GG
darauf hin deutet, welch hohen Wertgehalt die Verfassung der Freiheit des religiösen Bekenntnis und der Freiheit der ungestörten Religionsausübung zumißt, die es auch zu beachten gilt bei Heranziehung/Auslegung des hier relevanten Art. 140 GG (u.dazu 136 Weimarer Verfassung).
Ich gehe hier nicht darauf ein, ob und inwieweit die Sonderheit zu beachten ist, die sich für die Bekenntnis – und Religionsausübungsfreiheit dann ergibt, wenn der Grundrechtsträger diese geltend macht in einem "besonderen Gewaltverhältnis" -als Lehrer, als Richter, als Soldat, als Insasse einer Haftanstalt-, denn die hier laufende Diskussion geht m.E. im wesentlichen nicht um Lebenssituationen in solchen "besonderen Gewaltverhältnissen", sondern um die allgemeine Lebenssituation im alltäglichen öffentlichen Leben.

Also…
sh.-2-einleitend:
Ich meine……, aber mit einigen Bedenken.

Ich würde jedenfalls nicht wetten wollen, daß das BVerfG im Falle einer Entscheidung über eine einschlägige Verfassungsbeschwerde gegen ein solches umfassendes Burka-Verbot zu einem Ergebnis kommt, das meiner Meinung entsprechen würde.

Burka – Verbot hin oder her.
Ich finde, es tut der Gesellschaft gut, wenn sie aufgrund solcher Einzelfallproblematiken immer wieder zu einer Diskussion angehalten ist über Inhalte und Schranken persönlicher Freiheiten in einer pluralistischen Gesellschaft und wenn dies geschieht auf der Grundlage iherer Staatsverfassung.

PS
Ich frage mich allerdings, ob die gesamte Diskussion über ein generelles Burka-Verbot -hier aufgrund der in Österreich getroffenen gesetzlichen Verbotsregelung-,ob meine eigenen vorab formulierten Erwägungen, ob große politische Debatten darüber nicht deshalb "seltsam", nicht deshalb "irrtierend", nicht deshalb "eigenartig" erscheinen könnten, weil es in Deutschland unter den mehr als 8o Mio hier lebenden Menschen nur……(geschätzt 1.ooo?) sehr, sehr wenige den Ganzkörperschleier tragenden muslimischen Frauen gibt. Ich jedenfalls habe solche den Ganzkörperschleier tragenden Frauen in mir auffallender Zahl zuletzt in London gesehen. Wie es damit aktuell z.B. in Berlin, in München (oder in DOI, BO, GE) aussieht, weiß ich allerdings nicht.

Werbung