Am Sonntag-Morgen, um 8 Uhr und 5 Minuten hat ein Passant Marcus Bensmann im Schnee gefunden. Er lag da, bewusstlos. Sein Gesicht zerschlagen, sein Kiefer gebrochen, seine Hände erfroren. Marcus Bensmann lag im Schnee der kasachischen Hauptstadt Astana. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad. Es heißt, Marcus Bensmann sei aus einem fahrenden Wagen hierhin geworfen worden, in das Eis der Steppe.
Wir wissen nicht, ob es ein politischer Anschlag war oder ob Marcus Opfer einer kriminellen Entführung geworden ist. Wir wissen, sie haben ihm ins Gesicht getreten, bis seine Augen brachen. Wir wissen, sie haben ihn in das Eis geschmissen. Wir wissen, es war ein Mordversuch. Marcus Bensmann ist 38 Jahre alt.
Marcus Bensmann ist ein Freund. Und ein Journalist. Er schreibt seit Jahren über Zentralasien, für die neue Zürcher Zeitung, für die ARD, die dpa und die taz. Dabei ist er einer der wenigen, die nicht über die schönen Berge fabulieren oder die Seidenstraße. Marcus schreibt über Kinderarbeit in den Baumwollfeldern. Er schreibt über den Fall Musafar Avazow in Usbekistan. Über den Mann, der im Gefangenenlager Yaslik gekocht wurde. Marcus hat die Beweise besorgt, Fotos der entstellten Leiche. Marcus hat gezeigt, wie Rücken, Bauch, Beine und Arme des vierfachen Vaters eine einzige Brandblase bildeten.
Und Marcus hat über das Öl Zentralasiens geschrieben und über das Gas. Wer es kauft, wer es haben will und wer das Schmiergeld kriegt. Die Berichte von Marcus Bensmann waren teuer. Sie haben Despoten in ihren Geschäften gestört.
Vor allem der Diktator von Usbekistan stand immer wieder im Zentrum der Berichterstattung. Marcus Bensmann war einer der wenigen Journalisten im usbekischen Städtchen Andischan am Tag des Massakers, als hunderte Menschen abgeschlachtet wurden. Er überlebte den Kugelhagel. Er sah die Leichen. Er rannte mit den Überlebenden. Und Marcus berichtete und berichtet weiter darüber. Er lässt die Toten nicht vergessen. Er schreibt an gegen die Verharmloser, gegen die Abwiegler, gegen die Vertuscher. Die auch in Deutschland im Außenministerium sitzen. Und dort für die Rehabilitierung der usbekischen Schlächter antichambrieren.
Marcus hat darüber geschrieben, nicht weil es ihm Spaß machte. Sondern weil es wichtig für uns alle ist. Deutschland hat Interessen in der Region. Deutschland macht Politik in der Region. Deutsche Soldaten stehen in Usbekistan. Die Deutsche Regerung zahlt Geld an das Regime in Usbekistan. Der Westen will Zugang zu den Gaslagerstätten in Usbekistan. Und: Politiker Europas hofieren die Greuelherrscher der Region.
Marcus Bensmann wollte aufklären, bei welchen Geschäften sich die deutsche Außenpolitik unter ihrem Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mitschuldig macht. Marcus deckte auf, dass sich Steinmeier in der EU dafür eingesetzt hat, die Sanktionen gegen Usbekistan zu lockern. Während er gleichzeitig als Friedensapostel im Nahen Osten auftritt. Mit seinen Berichten lüftet Marcus das Tuch des Schweigens, das über diese dunkle Seite der deutschen Außenpolitik geworfen wird. Er hat die Beweise gesammelt.
Zuletzt hat Marcus Bensmann einen Bericht für das ARD-Magazin Monitor über den Zynismus dieser Politik gemacht. Der Anlass hier war schrecklich. Der usbekische Exiljournalist, Alisher Saipov, war vor seinem Haus in Kirgistan vermutlich vom usbekischen Geheimdienst erschossen worden. Zwei Schüsse in die Beine, einer in den Kopf. Saipov war ein enger Kollege von Marcus Bensmann. Der Mord am Reporter war kein Anlass für den deutschen Außenminister seine freundliche Haltung gegen den Diktator Usbekistans zu überdenken.
Das Auswärtige Amt nimmt Marcus Bensmann diese Arbeit übel. Immer wieder kamen Zwischentönen aus dem Amt, die seine Arbeit diskreditieren sollten, die ihn beleidigten. Im diktatorischen Zentralasien konnten diese Signale nur so gedeutet werden, dass die Deutsche Regierung kein Interesse am Wohl des Journalisten Marcus Bensmann habe.
Marcus war auch jetzt in Zentralssien, um die Wahrheit zu berichten. Über das, was jenseits der Propaganda geschieht. Marcus Bensmann ist während seiner Arbeit zerschlagen worden.
Als Marcus im Krankenhaus lag, schaute ein Botschaftsangesteller nur kurz vorbei. Und verschwand wieder. Dem Autoren gegenüber machte der Diplomat nachher telefonisch deutlich, dass ihn der Journalist nicht interessiere. Erst auf Druck der Medien wurde diese Haltung später von der Deutschen Botschaft in Kasachstan geändert. Schnell hieß es, der Überfall könne nur einen kriminellen Hintergrund haben. Marcus sei betrunken gewesen. Stimmt das? Ist das Wahrheit oder der Beginn einer Vertuschung? Macht das überhaupt einen Unterschied?
Fakt ist: Marcus war Samstagabend in einer Kneipe in der kasachischen Hauptstadt, um dort einen Drehort zu recherchieren. Als er die Kneipe verließ, verschwand er und wurde einige Stunden später aus einem fahrenden Wagen geworfen. Wir wissen nicht, ob ihm den Tag über Geheimdienstbeamte gefolgt sind, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, einen staatlich gelenkten Anschlag wie eine „normale“ Verschleppung aussehen zu lassen. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Schon im vorliegenden Polizeibericht gibt es Widersprüche zur Realität. So heißt es bei der kasachischen Polizei Marcus Bensmann habe um 2:32 Ortszeit Astana die Kneipe verlassen. Fakt ist, die Frau von Marcus Bensmann hat in Gegenwart des Autoren kurz vor 3:00 Ortszeit Astana mit Marcus Bensmann telefoniert. Da war er noch in der Kneipe und machte einen normalen Eindruck.
Wir wissen nur eines sicher: Marcus ist das Opfer eines Verbrechen geworden. Marcus Bensmann hat den Mordversuch überlebt. Er ist zurück in Deutschland. Die ARD und der WDR haben ihn rausgeholt. Dafür gebührt ihnen Dank.
danke für diesen Artikel – bin gleichermaßen geschockt und wütend…was kann man tun, um auf die Mißstände hinzuweisen ausser – wie Ihr – darüber zu schreiben?
Liebe Grüße,
Casi
Nö, außer schreiben und dem Steinmeier sagen, dass man ihn für eine doppelzüngige Schlange hält, kann man nicht machen. Aber das ist schon mehr, als man in den meisten Ländern tun darf. Deswegen bin ich mit unserem Staat eigentlich sehr zufrieden. Grundsätzlich meine ich.
Grüße David
Mein Gott, wie schrecklich. Ich mache mir wirklich zu selten bewußt, wie billig Freiheit hier zu Lande scheint.
Guter Artikel, danke.
Marcus Bensmann…
Ruhrbarone berichtet über den deutschen Journalisten Marcus Bensmann, der in Usbekistan arbeitete und dort einen Anschlag fast nicht überlebte. Man liest und ist fassungslos.
Noch ein paar zusätzliche Infos:
Kommentar von Marcus Bensmann zu den Wahl…
Ein verdammt mutiger Journalist, würde ich sagen…
Hier mal ein längerer Artikel – das Thema ging in den etablierten Medien ziemlich unter – über den deutschen Journalisten Marcus Bensmann, der seit Jahren über diverse politische Missstände in den zentralasiatischen Ländern berichtet und jetzt bei…
Wieso kann man die Kommentare nicht zuende lesen?
Hi Roithammer:
Die Kommentare die man nicht zu Ende lesen kann sind von den Autoren als Teaser hineingestellt worden und verweisen auf Texte in deren eigenen Blogs.
Viele Grüße,
Stefan
GRAUENVOLL;ENTSETZEN
Mit welchen Systemen treibt die BRD eigentlich noch Handel und Wandel, hält die politische Elite ihre Hände und Beine über derartige verachtenswerte Mechanismen, wie Usbekistan, Weiß (Bjelo-)-Rußland und nicht zuletzt Iran.
Was kann man und frau tun? Weshalb steht dieser Artikel nicht in der grandiosen „taz“, dazu hat es wohl nicht in das Konzept gepaßt.
Steinmeier wird immer übler. Die Sauerei mit Muhabbet hatte offensichtlich System. Der landet wie Schröder weich und bereitet es jetzt schon vor.
Das noch: es wäre gut, wenn Ihr noch Details nennen würdet, zu den Diskreditierungsversuchen das AA z.B.
Onkel Toby hat so recht…. Wir leben wirklich im (relativ gesehen) Paradies. Unsere Freiheit wird nicht am Hindukusch, sondern von Menschen wie Marcus Bensmann verteidigt.
[…] Plan scheiterte. Marcus wurde in der kasachischen Hauptstadt Astana gekidnappt, geschlagen, getreten. Seine Gesichtknochen zersplitterten, bevor ihn die Täter ohne Jacke und Schuhe in die […]
[…] Jahre später liegt Marcus im Krankenhaus. Sein Freund, der Journalist David Schraven, erzählt mir, was er am deutschen Sonntagabend weiß. Er ist bei aller Tragik beruhigt, […]
[…] Zentralasien sehr viel weniger interessiere, als für andere Regionen dieser Welt. Aber speziell solche Nachrichten liest man eben auch nicht auf den ersten Seiten unserer Zeitungen, wenn überhaupt. In den […]