Vor etwa drei Wochen kam es in Düsseldorf zu einer starken Explosion in einem Kiosk, die zunächst drei Todesopfer und eine Schwerverletzte forderte. Bei der Schwerverletzten handelte es sich um Dr. Elena Solominski, die den Kampf um ihr Leben am vorgestrigen Tag verlor. Von Yuri Nikitin und Daniel Bleich.
Daniel über Elena:
Ich habe Elena um das Jahr 2012 bei meinem damaligen Arbeitgeber in Düsseldorf kennengelernt. Elena war für Teile der russischsprachigen PR und Kommunikation verantwortlich. Wie sie hierfür noch Zeit finden konnte, war mir immer schleierhaft. Wenn man Elena traf, dann erzählte sie stets von neuen Projekten, an denen sie arbeite, einem neuen Buch, einem Kulturprojekt und überhaupt war Elena unglaublich sozial und künstlerisch engagiert.
Geboren wurde sie 1963 in Kiew und promovierte dort in Philosophie, seit 1993 lebte sie in Düsseldorf. Elena konnte sich ausdrücken und Ausdruck finden. Eine emotionale, hochbegabte Rednerin, eine Frau, die die Sprache liebte. Sie zeichnete sich durch ein unfassbares Wissen im Bereich von Kunst und Kultur aus, kuratierte mit Leidenschaft Ausstellungen zu russischer und jüdischer Kultur und war, das ist am wichtigsten, ein ganz feiner, angenehmer Mensch. Auffällig war ihr Humor. Ich habe wenige Menschen kennengelernt, die einen so trockenen, schwarzen, zynischen und doch sehr stilvollen und pointierten Humor hatten. Ein Bekannter bezeichnete es als „inhärent jüdischer Humor“.
Unter Ihrer Leitung standen unter anderem das „Deutsche Kulturjahr in Moskau“ (2005) und das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (2021). Sie war die Autorin der russischsprachigen Biographie Jacob Teitels: „Jacob Teitel. Beschützer der Geflüchteten. Richter im Russischen Zarenreich und Vertreter der Öffentlichkeit in Deutschland“ (Aleteja, 2019) sowie der deutschsprachigen Ausgabe „Helfen bedeutet Leben. Jacob Teitel und der Verband russischer Juden in Deutschland (1920 – 1935)“ (Hentrich und Hentrich Verlag, 2023).
Als russische Muttersprachlerin stand Elena öfters bei mir, wenn sie auf Deutsch Texte geschrieben hatte: „Sorg mal bitte dafür, dass das auch auf Deutsch gut klingt.“ Wir konnten uns immer gut unterhalten, ich erinnere mich an zahllose Tassen Kaffee mit ihr. Im Unternehmen waren alle Russisch-Muttersprachler, bis auf mich. Seit ich im Unternehmen, war hielt sie auf Firmenfeiern vortan einen Teil ihrer Reden auf Deutsch.
Das Unternehmen habe ich 2019 verlassen, persönlich habe ich Elena seither nicht mehr getroffen. Regelmäßig aber tauchte ihr Name auf, bei Social Media, bei Kunst- und Kulturveranstaltungen im Großraum Düsseldorf, als Autorin.
Das wird jetzt fehlen. Elena wird fehlen.
Ich bin sprachlos.
Yuri über Elena:
Wir kannten uns seit 25 Jahren. In dieser Zeit waren wir befreundet, haben zusammengearbeitet, gemeinsame Projekte realisiert, sind zusammen in Ausstellungen und ins Theater gegangen, haben gefeiert und uns manchmal auch gestritten.
Lena hat mich immer beeindruckt, nicht nur wegen ihres großen Interesses an Kultur und Kunst, sondern auch wegen ihres tiefen Wissens in den unterschiedlichsten Bereichen: vom Ballett, in das Lena wahnsinnig verliebt war, bis hin zu wenig bekannten Künstlern, deren Werk auch Dank ihrer Bemühungen und Forschungen viel bekannter wurde. In den letzten 10 Jahren war die Kunst der Mittelpunkt und Sinn ihres Lebens.
Neben Artikeln hat sie zahlreiche Bücher zur Geschichte des Judentums in der Ukraine, Russland und Deutschland geschrieben und veröffentlicht. Sie engagierte sich in Ausstellungen, im Theater, aber vor allem half sie anderen. Elena war ein zutiefst empathischer Mensch, und ihr Lebensweg war stets geprägt von der Hilfe für die Schwachen und Schutzbedürftigen. Angefangen von ihrem ehrenamtlichen Engagement in der Arbeit mit älteren Menschen in der jüdischen Gemeinde Düsseldorfs Ende der 90er Jahre bis hin zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge nach Beginn der Aggressionen Russlands gegen die Ukraine.
Es tut mir sehr leid, dass wir in den letzten fünf Jahren viel weniger Kontakt hatten und uns nur gelegentlich auf Ausstellungen und verschiedenen Veranstaltungen getroffen haben. Am erstaunlichsten ist, dass wir uns buchstäblich zwei Wochen vor diesem tragischen Ereignis, das ihr Leben nahm, kurz gesehen haben – diesmal nicht im Museum oder Theater, sondern bei #Run4Lives Ende April, einer wöchentlichen Aktion in Düsseldorf und hunderten von Städten weltweit, die die Freilassung israelischer Geiseln fordert.
Vielleicht ist es sehr symbolisch, dass ihr letztes geschriebenes und veröffentlichtes Buch „Helfen bedeutet leben“ heißt – genau nach diesem Motto lebte Lena ihr ganzes Leben. Sie wird uns allen fehlen.
Mein tiefstes Beileid, Gesundheit und Kraft für Elenas Eltern.