Mit jetzt Anfang Fünfzig bin ich noch immer Single. Böse Zungen sagten mir seit Jahren nach, dass ich es mit der Suche nach einer Lebenspartnerin ja auch gar nicht wirklich ernst genommen hätte. Und da ist vielleicht auch was dran. Jahrelang wollte ich mich von meiner Traumfrau nämlich viel lieber finden lassen, habe es als zunächst eher schüchterner Zeitgenosse gerne dem Schicksal überlassen. Irgendwie hat das aber nicht geklappt.
Frauen, die ich mochte, fanden mich im Regelfall nur ‚nett‘. Wenn mich mal jemand mit eindeutiger Absicht ansprach, war ich meist nicht wirklich interessiert. Was also tun, wenn man so langsam in ein ‚gesetzteres Alter‘ kommt, kein ‚Vereinsmeier‘ ist und schon lange nahezu ausschließlich im Homeoffice arbeitet?
Von der Dating-App ‚Tinder‘ hatte ich natürlich schon viel gehört. Also entschloss ich mich im vergangenen Herbst es einfach einmal damit zu versuchen. Jetzt, genau ein Jahr später, beende ich dieses Experiment wieder.
Heute möchte ich euch an dieser Stelle einmal kurz von meinen Erfahrungen damit berichten. Vielleicht haben einige von euch ja völlig andere Erlebnisse mit ‚Tinder‘ gehabt, oder aber auch durchaus ähnliche Erfahrungen bzw. Beobachtungen machen müssen.
Als ich mich Ende Oktober 2023 bei ‚Tinder‘ registrierte, da merkte ich rasch, dass das kostenlose Basis-Abo eher für Frustration sorgt. Ich erhielt direkt in den ersten Tagen einige ‚Likes‘ von Frauen, die ich aber nur über ein zufälliges ‚Match‘ hätte anschreiben können. Bei der riesigen Anzahl von Profilen und der zugleich begrenzten Zahl von täglichen eigenen ‚Likes‘ ein eher aussichtsloses Unterfangen.
Also entschied ich mich schon nach kurzer Zeit für das sogenannte ‚Gold-Abo‘. Der Hauptvorteil davon war bzw. ist, dass man als zahlendes Mitglied dieser Art direkt sieht, wer einen da gerade angesprochen hat und bei Interesse eben auch rasch ‚matchen‘ und miteinander chatten kann. Die fälligen knapp 82 Euro für sechs Monate, die riskierte ich daher gerne.
Sofort ergaben sich einige Kontakte, chattete ich mit mir bis dahin komplett unbekannten potentiellen Partnerinnen. Nach ein paar Tagen bemerkte ich dann aber, dass es die Damen mit der Suche nach einer Beziehung häufig wohl nicht so richtig ernst meinten. Nach einigem Smalltalk stellte sich in der großen Mehrheit der Fälle heraus, dass hier wohl nur etwas verkauft werden sollte oder meine Gesprächspartnerin gar nicht in erreichbarer Nähe lebte, so wie bei mir in den Voreinstellungen ausgewählt.
Nach einiger Zeit nervten mich die offenkundig falschen Entfernungsangaben und Verkaufsversuche dann ziemlich. Zudem war ein riesiger Anteile von Profilen vorhanden, aus denen man gar nicht richtig schlau wurde. Entweder waren keine sinnvollen Fotos enthalten, oder aber es gab kaum bzw. keine Vorabinfos zum Profil der Person. Was will ich zum Beispiel mit Bildern von Landschaften, Haustieren oder Speisen? Nur ein nettes Foto vom angeblichen Gesicht der Person, aber keine weiteren Infos, das ist irgendwann auch ziemlich nervig, wenn man ein paar Tage dabei ist.
Viele dort scheinen nicht bereit zu sein, auch nur ein paar Einblicke in ihre Persönlichkeit zu gewähren. Was soll das Ganze dann überhaupt?
Auch die Funkstille, die sich nach einem Match häufig einstellte, ohne dass auch nur ein einziger Austausch per Chat stattfand, wurde irgendwann zum nervigen Problem. Entsprechend genervt präsentierte nicht nur ich mich nach einiger Zeit, sondern auch die Damenwelt auf der anderen Seite. Beim Lesen vieler Profile konnte man direkt den Frust des Gegenübers herauslesen. Verständlicher Weise. Nur der Sache an sich tut das natürlich so nicht gut. Wer will sich schon mit jemandem unterhalten, der noch von seinen vergangenen ‚Tinder‘-Kontakten genervt ist und entsprechend kurz angebunden ist?
Mein Optimismus, der sich ob des sich vermeintlich rasch eingestellten Interesses der Frauen bei ‚Tinder‘ an meiner Person kurz nach Anmeldung eingestellt hatte, er wich im Laufe der Monate immer mehr der Übellaunigkeit und dem Frust. Keine gute Grundlage für neue Freundschaften.
Zudem fiel mir auf, dass sich in vielen Profilen direkt über ähnliche Phänomene ‚ausgekotzt‘ wurde, wie auch ich sie erlebt hatte. Den Frauen ging es also offenbar auch nicht anders als ‚uns Männern‘. Getarnte Crypto-Verkäufer, etliche Fake-Profile, dazu viele Personen ohne irgendwelche relevanten Infos im Netz. Da fällt es einem nach einiger Zeit echt schwer den Glauben an ein ‚Happy End‘ zu behalten.
Trotzdem entschied ich mich im Frühjahr mein ‚Gold-Abo‘ noch einmal um weitere sechs Monate zu verlängern. Auch das erfolglos, wie ich heute weiß. Nun könnte man ja ins Grübeln kommen und die ‚Schuld‘ dafür bei sich selber suchen. Vielleicht sehe ich einfach nicht gut genug aus für eine nette Partnerin, bin inzwischen zu alt oder zu langweilig in den Gesprächen. All diese Gedanken können einem da rasch kommen. Und vielleicht ist ja auch etwas Wahres daran.
Wenn ich jedoch mit anderen ‚Tinder‘-Nutzern spreche, dann geht/ging es denen häufig ähnlich. Viele kehren der App daher irgendwann frustriert den Rücken. Auch ich ziehe mich jetzt von ‚Tinder‘ enttäuscht wieder zurück. Zu einem ‚echten‘ Date hat es in der vergangenen zwölf Monaten bei mir dort zwar nicht gereicht, an Erfahrungen bin ich dafür jetzt aber wesentlich reicher.
Es war also kein komplett vergeudetes Jahr, wenn man einmal von den knapp 164 Euros für das Abo absieht. Ich bin jetzt in meiner Außendarstellung und in Gesprächen zum Thema mutiger und selbstbewusster geworden, kann zudem beim Thema ‚Tinder‘ aus eigener Erfahrung mitreden. Und ein paar wirklich nette Chats mit Frauen quer durch die Republik hatte ich auch.
Meine zukünftige Partnerin werde ich ab sofort aber wohl wieder in erster Linie beim täglichen Gang zum Bäcker oder durch den örtlichen Supermarkt suchen müssen. Und vielleicht spricht ja sogar sie mich an, so wie ich mir das früher immer vorgestellt hatte. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt! 😉