Die Eishockeysaison steht vor der Türe, auch für die Ruhrgebietsvereine aus Duisburg, Essen, Herne und Dortmund. Für die Ruhrbarone sprach Simon Ilger mit Artem Klein, in der kommenden Saison für den Herner EV auf dem Eis, über seine bisherige Karriere, das deutsche Eishockey und die anstehende Spielzeit.
Ruhrbarone: „Hallo Artem, herzlichen Dank für Deine Zeit. Die neue Saison steht vor der Tür und Du steckst vermutlich mitten in den Vorbereitungen. Wie sieht Dein Trainingspensum aktuell aus? Wie bereitet man sich auf die Saison vor, jetzt wo es noch kein Eis gibt?“
Artem Klein: „Hallo! Ja genau, Mitte Juli bereiten sich wahrscheinlich schon alle Jungs auf die neue Spielzeit vor, da die meisten Teams schon in der zweiten bzw. dritten Augustwoche mit dem Eistraining beginnen. Ich persönlich lege eigentlich schon seit Jahren einen großen Wert auf meine Physis und versuche mich von Woche zu Woche besonders in den Bereichen Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer zu verbessern. Ich trainiere an sechs Tagen in der Woche und versuche meine Pläne abwechslungsreich zu gestalten, da es einem alleine manchmal echt langweilig werden kann. Die Jungs aus dem Nachwuchs bzw. aus der DEL haben in der Hinsicht sicherlich Vorteile! Sie haben einen professionellen Trainer, der ihnen jeden Tag hilft und auch die Pläne zusammenstellt. So müssen die Spieler an nichts anderes mehr denken, denn ihnen wird alles zur Verfügung gestellt. Ebenso kann man in einer Trainingsgruppe mehr an seine Grenzen gehen und sich gegenseitig motivieren. Aber auch alleine kriegt man ein gutes Training hin. Man muss natürlich Zeit investieren und braucht die nötige Eigendisziplin. Neben dem Training stelle ich auch die Ernährung in dieser Zeit um und ernähre mich deutlich eiweißreicher. In der Saison hingegen, braucht man dann mehr Kohlenhydrate als im Sommer, um den Speicher nach den vielen Spielen wieder zu füllen.
Dennoch muss es jeder für sich entscheiden was und wie viel er trainieren muss, denn im Endeffekt kommt es darauf an, wie erfolgreich ein Spieler auf dem Eis ist. Fit zu sein kann zwar ein Vorteil sein, dennoch spielt sich vieles im Eishockey im Kopf ab. Auch die Erfahrung spielt besonders in der Oberliga eine große Rolle. So sind auch Jungs, für die Turnschuhe und Langhanteln Fremdwörter sind, dennoch Topspieler in der Liga. Man muss einfach Eishockey spielen können!“
RB: „In der kommenden Saison spielst Du für den Herner EV! Was sind Deine persönlichen Ziele für die kommende Saison und was wollt ihr als Team erreichen?“
AK: „Ich denke die Mannschaft hat letztes Jahr bewiesen wozu sie im Stande ist und welche Möglichkeiten man besitzt. Die Jungs haben eine Serie von 23 Spielen, ohne in der regulären Spielzeit zu verlieren, hingelegt. Das ist mehr als eine halbe Saison! Dieses Jahr hat sich an der Kaderzusammenstellung nicht viel getan und der Kern der Mannschaft ist derselbe geblieben. Ich glaube das ist ein großer Vorteil. Die Spieler kennen sich seit Jahren und wissen über die Stärken und Schwächen des Kollegen wie kaum ein anderer. Dazu kommt noch, dass wir sehr ausgeglichen auf allen Positionen besetzt sind. Die Last liegt somit nicht nur auf ein bis zwei Spielern, wie es bei den meisten Vereinen ist, sondern ist auf allen verteilt! Da die Liga dieses Jahr wieder etwas anders aussieht und einen anderen Modus mit sich bringt, ist es schwer über Ziele zu sprechen. Man sollte sich immer vornehmen, besser zu sein als im Jahr zuvor, welches die Mannschaft über die letzten Jahre immer geschafft hat. Die Saison wird schon zeigen, wohin der Weg führen kann. Als primäres Ziel sollte aber die Teilnahme an den Playoffs sein. Und dort ist alles möglich!
Persönlich gesehen, freue ich mich erstmal, dass es mit einem Wechsel geklappt hat. Ich will versuchen eine Verstärkung für die Mannschaft zu sein und meinen Teil zum Erfolg beizutragen. Wie schon oben erwähnt, sollte man sich als Spieler auch von Jahr zu Jahr verbessern und erfolgreicher werden. Genau das will ich erreichen. Nichtsdestotrotz, steht aber der Mannschaftserfolg im Vordergrund!“
RB: „Mit Frank Petrozza hinter der Bande und unter anderem Stefan Kreuzmann auf dem Eis trainierst und spielst Du mit sehr erfahrenen Leuten, die im eishockeyinteressierten Ruhrgebiet beinahe Legendenstatus erreicht haben. Was bedeutet es für einen jüngeren, aber dennoch bereits sehr erfahrenem Spieler wie Dich mit so „alten Hasen“ arbeiten zu dürfen?“
AK: Es bedeutet viel Leute um sich zu haben, die Erfahrung und Können gleichzeitig mitbringen. Nicht nur im Eishockey, sondern generell im Leben. „Kreuz“ ist unser Leitwolf und gibt die Marschroute stetig vor. Ob es Training oder Spiel ist, gibt er immer 100% und ist mit vollem Einsatz dabei. Er schafft es die anderen zu motivieren und mit voller Energie auf das Eis zu gehen. Ein echter Leader, der viel Erfahrung mit sich bringt!
„Franky“ hingegen steht am Anfang seiner noch jungen Trainerkarriere, was aber überhaupt nicht von Nachteil ist. Durch seine jahrelange Karriere als Spieler ist er in Deutschland so vernetzt, dass kaum jemand die Liga so gut kennt wie er. In den letzten zwei Jahren wurde er zum besten Trainer der Liga gewählt. Eine Auszeichnung, die schon alles über seine Arbeit in Herne verrät. Er hat es gemeinsam mit dem Vorstand immer geschafft, von Jahr zu Jahr eine bessere und erfolgreichere Truppe auf die Beine zu stellen und dies wird auch weiterhin so bestehen!“
RB: „In der Jugend hast Du in der U16 und U18-Nationalmannschaft gespielt, bist Top-Scorer in der U16 gewesen, hast für Krefeld in der DNL über 50 Punkte und auch in der Oberliga in 119 Spielen 120 Punkte erzielt. Für einen richtigen Durchbruch im Profi-Eishockey hat es bislang aber noch nicht gereicht. Ist der Sprung vom Nachwuchseishockey in die Profiligen zu groß oder woran liegt es?“
AK: „Erst einmal ist zu erwähnen, dass Punkte nicht das Wichtigste im Eishockey sind. Es spielen ganz andere Komponente eine Rolle. Es ist zwar gut wenn man „scoren“ kann, dennoch muss man heutzutage ein kompletter Spieler sein, der offensiv als auch defensiv seine Aufgaben erledigt. Außerdem sollte man sich auch zunächst an die eigene Nase packen und hinterfragen, warum es nicht mit einer Profikarriere funktioniert hat, um sich dann Gedanken über die Struktur des deutschen Eishockeys zu machen. Klar ist das deutsche Eishockey nicht am besten aufgebaut und es gibt viele Sachen, die einen zum Nachdenken bringen, ob das alles überhaupt noch Sinn macht. Für mich ist es aber am unbegreiflichsten, wieso die Ausländeranzahl in der DEL seit Jahren so hoch ist. Wie kann es sein, dass die Hälfte des Teams aus Ausländern besteht? Hinzu kommen noch viele eingebürgerte Kanadier, Tschechen, Amerikaner usw.. So hat jedes Team grade mal vier bis sechs Deutsche im Kader. Das ist ein Witz! Seit Jahren erzählt man, wie unzufrieden man mit den Leistungen der deutschen Nationalmannschaft ist, aber was dagegen zu unternehmen, das traut sich keiner! Ich will nicht sagen, dass der deutsche Nachwuchs so gut ist, dass man diesen unter allen Umständen in die DEL einbauen muss, aber dadurch wäre wohl die A-Nationalmannschaft, als auch die U18 und U20 um einiges erfolgreicher, denn ein vorletzter Platz bei einer U20 B-WM ist schon sehr traurig. Und das ist nur ein Punkt. Langsam sollte echt durchgegriffen werden, sonst spielen unsere Nationalmannschaften bald nur bei unterklassigen Weltmeisterschaften . Schweden, Finnen und die Schweizer machen das doch in ihren Ligen vor. Sie sind den Deutschen um Einiges voraus!
Persönlich gesehen haben sicherlich einige Faktoren irgendwo eine Rolle gespielt, aber es ist ja nicht so, dass es niemand schafft. Viele Jungs mit denen ich zusammen bzw. gegeneinander gespielt habe, haben diesen Sprung geschafft. Dominik Kahun ist für mich jetzt schon einer der besten Mittelstürmer in der DEL. Dazu kommt noch Fabio Pfohl, der ein unglaubliches Jahr gespielt hat. Über Leon Draisaitl und Tobias Rieder braucht man wohl nichts mehr sagen. Die Jungs repräsentieren förmlich das deutsche Eishockey in der ganzen Welt. Jährlich schaffen es etliche Spieler in die DEL oder DEL2. Es sind zwar nicht so viele wie es sein könnten, bzw. in anderen Ländern zu Profis werden, dennoch ist die Chance nicht gleich Null.
Um zurück zu mir zu kommen, bin ich fest davon überzeugt, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt in meiner Laufbahn deutlich mehr drin gewesen wäre. In vielen Situationen habe ich aber falsch gehandelt und nicht die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich war ein Sturrkopf und wusste immer alles besser. Das hat mir vieles gekostet. Aber aus Fehlern lernt man und man sollte niemals zurückblicken und trauern. Aus jeder Situation sollte man das Beste herausholen und immer nach vorne schauen! Ich freue mich jetzt einfach auf die kommende Saison!“
RB: „Du bist in Omsk in Russland – einer der großen Eishockeynationen – geboren. Wie bist Du zum Eishockey gekommen? War es quasi in die Wiege gelegt?“
AK: „In Russland spielt doch fast jeder kleiner Junge Eishockey. Es ist die Sportart Nummer eins im Land und sehr begehrt Vergleichbar mit Fußball in Deutschland. In die Wiege gelegt habe ich es aber nicht. Mein Vater war Leichtathlet und gehörte in den 80ern zum erweiterten Kader der UDSSR im 400m Hürdenlauf. Meine Mutter hatte nichts mit Sport am Hut. Beide haben aber dennoch gerne Eishockey angeschaut und sich dann entschieden mich im Verein bei Avangard Omsk anzumelden. Ein großartiger und traditionsreicher Club in Russland. Mir hat es als kleiner Junge schon gefallen und Spaß gemacht und so hat sich das über Jahre bis auch zu unserem Umzug nach Deutschland verankert. Ein Leben ohne Eishockey wäre nicht nur für mich, sondern auch für meine Eltern unvorstellbar.“
RB: „Du hast die Nationalmannschaft gerade bereits angesprochen. Die Leistung des Teams bei der diesjährigen WM war sehr stark und hat dem deutschen Eishockey mehr mediales Interesse gebracht, ebenso wie die Tatsache, dass die Telekom in der kommenden Saison alle Spiele der DEL live übertragen wird. Das Problem des unterklassigen deutschen Eishockey ist jedoch immer wieder ein finanzielles, wie aktuell z.B. in Neuwied. Wie ist das aus Spielersicht, wenn die Ungewissheit besteht, ob „sein“ Verein im nächsten Jahr noch am Spielbetrieb teilnimmt?“
AK: „Ich finde es echt schade, dass Neuwied nun weichen musste. Es hat immer viel Spaß gemacht dort zu spielen und die Mannschaft war in den letzten Jahren sehr stark besetzt. Zum Glück hat Leipzig die Kurve noch bekommen und kann nächstes Jahr teilnehmen. Ohne die Icefighters und Neuwied wäre es schon ein Schlag für die Spieler als auch für die Liga. Als Spieler muss man sich eben schon direkt Gedanken machen, wohin man wechselt. Dass nun Vereine wie Neuwied und Leipzig Probleme bekommen, hätte wohl keiner gedacht. Aber es ist halt das typische Sommertheater im deutschen Eishockey. Mittlerweile kann man sich als Spieler auch nicht mehr sicher sein, ob man in ein paar Monaten seinen Vertrag erfüllen kann oder nicht. Für die Spieler in Neuwied ist es besonders bitter! Zum jetzigen Zeitpunkt haben die meisten Clubs ihren Kader voll besetzt und keine Plätze mehr frei. Ich denke die Topspieler werden bzw. haben schon einen neuen Arbeitgeber gefunden, aber für die Spieler aus den zweiten und dritten Reihen wird es nicht allzu einfach sein, einen neuen Verein zu finden, besonders für die, die neben dem Eishockey studieren, arbeiten, eine Ausbildung machen oder mit der Familie fest dort leben. Man kann den Jungs nur viel Glück wünschen und hoffen, dass sie aus der Situation das Beste machen werden.“
RB: „Nochmal zurück zur kommenden Saison: was erwartest Du von Euren Konkurrenten? Der EV Duisburg hat seine Leistungsträger halten können und sich prominent verstärkt. Tilburg wird auch wieder sehr stark sein, denkst du sie sind eine Bereicherung für die Oberliga?“
AK: „Duisburg war letzte Saison schon sehr stark, nur sind die Playoffs unglücklich verlaufen. Mit Spielern wie Barta und St. Jacques haben sie sich echt enorm verstärkt. Diese Leute sind bestimmt nicht wegen der sportlichen Perspektive in die Oberliga gegangen. Da haben sicherlich ganz andere Faktoren eine Rolle gespielt. Aber auch in der Breite ist Duisburg sehr gut aufgestellt. Sie sind der Aufstiegsfavorit schlechthin, auch wenn sie auf der Torhüterposition meiner Meinung nach, schwächer aufgestellt sind, als einige anderen Teams in der Liga. Wenn wir auf Tilburg kommen, habe ich ehrlich gesagt nicht viel von ihnen gehört. Als amtierender Meister werden sie aber wohl den Fokus darauf setzen, den Kader der letzten Saison zusammenzuhalten. Allgemein ist Tilburg für mich eine Bereicherung für unsere Liga. Sportlich als auch wirtschaftlich! Und zwar für jeden Verein! Ehrlich gesagt kann ich mir auch das Geheule nicht mehr anhören, warum Tilburg überhaupt in der Liga ist. Es sind immer dieselben Leute, die sich dadurch benachteiligt fühlen und irgendwas zu sagen haben. Schafft man es nicht unter die ersten acht, dann hat man es auch nicht verdient in den Playoffs zu spielen, ob mit oder ohne Tilburg! Die Besten sollen den Meistertitel unter sich ausspielen und Tilburg hat es im nachhinein sogar allen gezeigt, das sie sogar die Besten in der Oberliga waren. Vergleicht man die Zuschauerzahlen aller Mannschaften der Liga, so sieht man, dass eine Mannschaft wie Tilburg mehr Zuschauer in die Halle lockt, als ein durchschnittlicher Gegner, gegen welchen der Sieger schon vor dem Spiel feststeht. Nimmt man die Derbys außen vor, so haben die Heimspiele gegen Tilburg bei jedem Verein den Durchschnitt der Zuschauerzahl erhöht. Das heißt, mehr verkaufte Karten und das heißt wiederrum, mehr Umsatz. Also soll man lieber froh sein, dass wir die Holländer in der Liga haben und nicht irgendwelche Ausreden suchen, obwohl man auf Tilburg sogar selbst angewiesen ist.“
RB: „In Herne habt ihr mit Bradley Snetsinger den Top-Scorer des letzten Jahres geholt und auch die im letzten Jahr etwas schwächelnden Teams aus dem Norden – allen voran die Crocodiles Hamburg haben schlagkräftige Truppen zusammengestellt. Das Niveau war insgesamt betrachtet in der letzten Saison schon sehr hoch, werden die Zuschauer erneut mit mitreißendem Eishockey rechnen können?“
AK: „Den Spieler der letzten Saison hätte bestimmt jeder gerne in seiner Mannschaft und es ist echt ein Coup, welcher unseren Verantwortlichen gelungen ist. Es ist klar, dass dies ohne die Unterstützung der Fans in Herne nicht möglich wäre, aber zeigt auch, wie familiär und vertrauensvoll die Zusammenarbeit funktioniert! Brad wird eine Säule in unserem Sturm sein. Er ist der einzige Spieler der letzten Saison, welcher die magische Grenze von 100 Punkten (105) erreicht hat. Er wurde nicht umsonst Spieler des Jahres. Er wird unseren Angriff prägen und sicherlich einige Spiele für uns entscheiden. Zusammen mit Aaron Mcleod haben wir meiner Meinung nach, die zwei besten Ausländer der Liga in unserem Kader stehen. Dass die Liga nun auch ausgeglichener sein wird, ist auch kein Geheimnis. Hamburg, Wedemark, Essen und auch die Preußen haben namhafte Spieler holen können und werden im Playoffrennen ein Wörtchen mitreden können! Aber auch andere Teams aus dem unteren Feld haben sich verstärkt und werden für Überraschungen sorgen können. Diese Saison wird jeder jeden schlagen können, da bin ich mir sicher. Genau sowas will man als Spieler und auch die Fans können sich auf viele spannende und unterhaltsame Spiele freuen!“
RB „Artem, herzlichen Dank für Deine Zeit und Dir und dem HEV viel Erfolg in der kommenden Spielzeit.“
AK: „Vielen Dank!“