Ein Mann betritt den Ring

Foto: presseportal

Manchmal, wenn die Nacht am tiefsten ist. Wenn alles nur noch grau und schwarz erscheint, kommt plötzlich ein Lichtstrahl aus einer unerwarteten Richtung. In diesem Fall ist der Lichtstrahl rund Einmetersiebzig hoch, 67 Jahre alt und hat einen Hang zum Übergewicht. Die Rede ist von Wilhelm Bonse-Geuking und der Debatte um das einheitliche Ruhrgebiet.

Gestern abend stellte sich der Chef der RAG-Stiftung bei seinem Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf als Mann mit Ambitionen für das Ruhrgebiet vor. Er hielt eine erste politische Grundsatzrede, in der er von allen Verantwortlichen im Pott unverblümt mehr Kooperation einfordert. Damit nicht genug. Der Ex-Manager der Veba und BP, der gelernte Bergmann und Wirtschaftslenker bringt Ideen mit.

Und das ist ein heller Hoffnungsschimmer. Denn nach dem Ausscheiden der WAZ aus der Ruhrgebiets-Debatte drohte die Suche nach einer Idee für die Ruhrstadt zu versanden. Es schien, als wäre die Frage nach der richtigen Lösung für den Pott nur noch etwas für alte Männer mit dem Hang zum Idealismus. Eine staubige Sache für staubige Menschen.

Geschenkt, auch RAG-Chef Bonse-Geuking ist ein alter Mann. Aber zumindest in seiner Position ist er jung. Die Stiftung hat erst seit wenigen Monaten Geld, um ihren Auftrag zu erfüllen, das Revier auf den Ausstieg aus dem Kohlebergbau vorzubereiten.

In seiner Analyse geht der Mann aus der Wirtschaft weit. Er sagt, die Region leide daran, dass zu viele Leute etwas zu sagen hätten und doch nur ihre eigenen Interessen verfolgen würden. Das Gesamte gerate ihnen zu oft aus den Augen. Er sagt, seit über 50 Jahren sei die Frage unbeantwortet: „Wo liegt die Zukunft der Ruhr?“ Und das will er ändern.

Er plädiert dafür, einen gemeinsamen Sinn zu finden. Ein Ziel zu definieren, dass es zu erreichen gelte. Erst wenn man das geschafft habe, sei es möglich eine Prioritäten-Liste aufzustellen, was zu welchem Zeitpunkt zu geschehen habe.

Bonse-Geuking beschreibt das Grundproblem in der Schwäche eines gesunden Mittelstandes, aus dem die Kreativität für den Wandel kommen könnte. Diese innovative Schicht sei „unterentwickelt, viel mehr als anderenorts in NRW.“ Die Menschen hätten sich stattdessen viel zu lange auf die Stärken der Großindustrie verlassen. Er gibt ein Beispiel, das ich gerne in ganzer Länge zitiere:

Bei einer Adventsfeier des Bergwerks Prosper Haniel sang ein eindrucksvoll frischer, fröhlicher Chor junger Bergleute unter anderem das schöne Lied: „Glückauf ihr Bergleute jung und alt.“

Darin gibt es eine Strophe, in der heißt es: „nun lobt die werte Obrigkeit, die für uns sorgt und fürderhin zu sorgen ist bereit.“

Die Erwartung, die da oben werden schon für uns sorgen, ist nach meinem Eindruck tief in der Mentalität des Ruhrgebietes verankert.

Und dann sagt Bonse-Geuking:

Wie erreichen wir den Mentalitätswandel?

Bonse-Geuking will die Menschen erreichen, will sie mitnehmen auf die Reise in die Zukunft. Er will ein gemeinsames Ziel finden und dieses verfolgen. Dazu sucht er nicht die eine zentrale Steuerung, aber einen ordnenden Gedanken, der für alle eine Gewinner-Position schafft.

Viele kennen diese Worte und denken an die Summe der Einzelteile, die nie im Ruhrgebiet ein Ganzes gab. Viele werden an die Versuche der Projekt Ruhr GmbH unter Hanns-Ludwig Brauser erinnert, der alle Oberbürgermeister und Landräte zusammenholte, um einen Plan für das Ruhrgebiet zu entwerfen. Bei diesem Scheitern kam eine Sammlung von individuellen Wünschen heraus, die wenig Gemeinsames brachte. Dafür Millionengräber wie den Ruhrpiloten oder das Projekt Digitales Ruhrgebiet.

Bonse-Geuking denkt als Realist weiter. Er sagt, man müsse zur Not die Gemeinden zu ihrem Glück zwingen. Das gehe relativ einfach. Wenn man nämlich Zuwendungen von gemeinsamen Ideen abhängig mache. Etwa beim Konjunkturpaket II, das in wenigen Wochen und Monaten  über 2 Mrd Euro nach Nordrhein-Westfalen spülen soll.

Bonse-Geuking sagt, er wünsche sich, dass es eine „zentrale Priorisierung“ für das Geld gebe. Es müsse nach dem Grundsatz verfahren werden: „wo erreichen wir den größten Nutzen für das Ruhrgebiet als Ganzes?“

Dies ist in meinen Augen ein großer Wurf.

Momentan suchen alle Städte nämich für sich alleine nach Möglichkeiten, das versprochene Geld zu investieren. Niemand hat bisher davon gesprochen, die Millionen für gemeinsame Ziele auszugeben. Auch der Chef des Regionalverbandes Ruhr, Heinz-Dieter Klink nicht, von dem man soetwas hätte erwarten können, wenn er das Format dazu hätte.

Bonse-Geuking aber sagt: „Wir brauchen ein Ziel und eine Strategie für das Ganze.“ Die Oberbürgermeister und Landräte im Revier werden diese Sätze beunruhigen, genauso wie den verschlafenen Direktor des Regionalverbandes.

Hier ist einer der Ideen hat, der führen will und es auch kann. Dass Bonse-Geuking zudem als RAG-Stiftungs-Chef Macht hat und über Einfluss bis in die NRW-Landesregierung hinein verfügt, macht aus der Unruhe vielleicht Sorge.

Was ist, wenn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) die Idee aufnimmt?

Vieles ist denkbar.

Selbst für die Stiftung gibt sich Bonse-Geuking ein politisches Programm. Er will mit seinen Mitteln über die RAG Immobilientochter und die RAG Flächenverwaltung Pilotprojekte initiieren, die zeigen, was man erreichen kann. Wie man Viertel aufwecken kann aus dem Tiefschlaf. Wie man Bildung zu jungen Leuten bringt nd Aufbruchstimungen erzeugt. An diesen Erfolgen wollen dann alle teilhaben, ist sich der politische Manager sicher.

Ich drücke Bonse-Geuking die Daumen, dass er seine Träume nicht aufgibt, sondern die Kraft findet, sie durchzusetzen. Mich freut es ungemein, dass sich hier ein neuer politischer Kopf in den Ring gestellt hat. Die Punkte werden ab jetzt neu vergeben.

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Torti
Torti
15 Jahre zuvor

Bleibt zu hoffen, das noch viele weitere politische Schwergewichte bereit, das harte Brett der Ruhrstadt zu bohren.

Leider scheint die Landespolitik nicht breit auch die strukturellen Vorausetzungen zu schaffen wie z.B. die Zusammenlegung der Regierungsbezirke.

Hier wird eigentlich seit der Gründung von NRW nach dem Prinzip verfahren: Teile und herrsche !

Und die unter der faktischen Zwangsverwaltung stehenden Ruhrgebietsstädte dürfen gar nicht mehr über den Tellerrand blicken.

Beschämend ist, das ausgerechnet der RVR mit einem politischen Grüssgott-August besetzt ist. Ein Schuft der Böses dabei denkt…

Ach was wäre das für ein Paradies, vernetzer Nahverkehr, gemeinsame Gewerbegebiete…

Perlentaucher
Perlentaucher
15 Jahre zuvor

130 Mrd. Euro an Subventionen, bis 2018 werden dass noch einmal 24 Mrd. Euro sein. Eine gewaltige Summe, die man sicherlich sinnvoller einsetzen könnte. Aber einen Mentalitätswandel werde ich erst erreichen können, wenn es einen gibt, der die Macht und auch die Vision hat – die Macht, die Provinzfürsten in den Kommunen zu entmachten und eine Vision, einen politischen Oberbau neu zu installieren – etwa eine Ruhrstadt. Die Geschichte Berlins über die letzten 200 Jahre zeigt doch, dass die Berliner sich nur als Berliner fühlen, weil irgendwann ein politischer Überbau auch die Spandauer zu Berliner machten. Doch ob Jürgen Rüttgers, der größte Placebo-Politiker der Landesgeschichte, sich einer solchen Vision annimmt, darf doch bezweifelt werden. Er kümmert sich lieber um seine Machtspielchen, verpasst den richtigen Einsatz beim Ringen um den Kohleausstieg, wartet, bis die WestLB richtig in der Milliardenkrise ist, lässt zu, dass Sal. Oppenheim nach Luxemburg geht und hat auch sonst wirtschaftspolitisch eine Bilanz, die zum Heulen ist – und das ist dem Land, in dem die größten und wichtigsten deutsche Konzerne beheimatet sind. Eine stramme Leistung! Rüttgers als Visionär für das Ruhrgebiet – das wäre wohl endgültig das Todesurteil für diese Idee.

Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

Die Idee das Geld den Städten nur zu geben, wenn sie sich über die Verwendung einig sind ist ein gefährlicher Gedanke: Sie brauchen nur fünf Minuten um das geld untereinander zu verteilen und sich gegenseitig zu bescheinigen, dass sie es vernünftig ausgeben. Was es braucht ist Konzept für das Ruhrgebiet als Ganzes – und für dieses Konzept sollte dann das Geld ausgegeben werden. Dafür braucht man eine starke zentrale Instanz – gerne so etwas wie eine Ruhrstadt. Aber da die nicht da ist sollte das Ruhrparlament über die Vergabe des Geldes entscheiden – mit 2/3 Mehrheit.

Perlentaucher
Perlentaucher
15 Jahre zuvor

@stefan: stimme voll zu. erst müssen die provinzfürsten in den kommunen entmachtet werden. ein erster schritt wäre daher die einrichtung eines regierungsbezirkes ruhrgebiet. doch das scheitert an der landesregierung, weil die sich damit eine gegenregierung ins haus holen würde. so werden auf dem altar der machtpolitik sinnvolle ideen verhindert – und das, obwohl ein konzept dringend notwendig wäre. denn der cdu-mann und rüttgers-vertraute (ich will nicht hoffen, dass er nur der verlängerte arm des placebo-politikers rüttgers ist) hat ja vollkommen recht: das größte problem war und ist, dass es im revier keinen ausgeprägten mittelstand bei den unternehmen gibt. es gibt nur die großkonzerne (die keine jobs schaffen) und die mini-firmen (die kaum steuern zahlen und wenig gesamtwirtschaftlichen nutzen haben. was bringt gesamtwirtschaftlich schon eine döner-bude). hier muss gehandelt werden. die spd, als die ursprüngliche partei der politischen vision, wäre der geeignete part für diese idee. doch die beschäftigt sich ja allen ernstes eher damit, weitere milliarden in den kohleabbau zu stecken.

Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

@Perlentaucher: Rüttgers würde einen Ruhrbezirk schaffen (wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt) wenn der Druck FÜR einen solchen Bezirk größer wäre als der Druch GEGEN eine solche Lösung – aber hier versagen sowohl die Medien im Ruhrgebiet, die sich um das Thema kaum kümmern (Was einer der Gründe war die Ruhrbarone zu starten) und des RVR, der bei diesem Thema für die Region sprechen müsste. Aber das Ruhrgebiet und seine Protagonisten sind zu selbstsüchtig und zu blöd diese Chance zu erkennen und machen nichts – ausser dem immer gleichen Schrei nach Hilfe und Geld. Ad ist sie, die von Bonse-Geuking beschrieben Mentalität der Unselbstständigkeit mit all ihren fatalen Folgen.

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