Ein Menschheitsverbrechen

 Armenische Flüchtlinge beim Überqueren der britischen Linien zur Zeit des Genozids.  Imperial War Museums.
Armenische Flüchtlinge beim Überqueren der britischen Linien zur Zeit des Genozids. Foto: Imperial War Museums.


Ihre “Umsiedelung” kostete bis zu 1,5 Millionen Armenier das Leben. Auch 100 Jahre danach ist der Genozid in der Türkei mit Tabus besetzt – und nicht nur dort…Von unserer Gastautorin Judith Kessler.

Am 15. März 1921 erschießt der armenische Student Soghomon Tehlirjan auf der Berliner Hardenberg-, Ecke Fasanenstraße (unweit der Stelle, wo der Asylbewerber Kemal Altun Selbstmord beging) den früheren türkischen Großwesir Talaat Pascha – für die einen “der türkische Bismarck“, für die anderen “die Seele der Armenierverfolgungen“. Beim Prozess gegen Tehlirjan legte der Sachverständige Johannes Lepsius dem Gericht Dokumente vor, die klar die Verantwortung der türkischen Regierung und Talaats für die Deportationen und den Massenmord an den osmanischen Armeniern belegen. Überraschend wird der Attentäter (wegen Unzurechnungsfähigkeit) freigesprochen. Die Zuschauer applaudieren minutenlang – unter ihnen: Robert M.W. Kempner, später US-Ankläger im Nürnberger Prozess. An diesem Tag, erinnert er sich, sei zum ersten mal der Grundsatz anerkannt worden, dass ein durch eine Regierung begangener Völkermord durchaus von anderen Staaten bekämpft werden kann, ohne eine unzulässige Einmischung zu sein.

Was das Gericht nicht wusste (oder nicht wissen wollte): der junge Armenier war kein verwirrter Einzeltäter, sondern Mitwirkender der “Operation Nemesis“, die ihr Volk rächen wollte, wie Rolf Hosfeld in seinem gleichnamigen Buch schreibt. Denn obgleich das türkische Parlament 1919 bekannt hatte: die “Gräueltaten an den Armeniern… haben unser Land in ein gigantisches Schlachthaus verwandelt“, das oberste Kriegsgericht von einem “Verbrechen gegen die Menschheit“ sprach und Talaat, den Kriegsminister Enver Pascha und 15 weitere Hauptverbrecher zum Tode verurteilte, wurden nur drei von ihnen hingerichtet. Die anderen hatten sich 1918 mit deutscher Hilfe aus der Türkei abgesetzt. Doch “Nemesis“ spürte sie fast alle auf – in Berlin, Rom, Tbilissi. Fünf der Verbrecher aus dem “Komitee für Einheit und Fortschritt“– die heute allesamt als Helden und Märtyrer gelten – bekamen allerdings unter Mustafa Kemal “Atatürk“ nach der Gründung der Türkischen Republik 1923 wieder Ministerposten. “La question armenienne n’existe pas“, hatte Talaat stolz verkündet, als anderthalb von zwei Millionen Armeniern tot waren. “Die armenische Frage existiert nicht mehr“ galt nun auch für die Erinnerung. Das armenische Leid war so schnell vergessen wie das türkische Schuldbekenntnis von 1919 – und ist es bis heute.

Heute leben nur noch etwa 60.000 Armenier in der Türkei. Wie die Juden haben die Armenier ein eigenes Wort für ihre nationale Katastrophe: ihre “Schoa“ heißt “Aghet“ (oder “yeghern“) – “die Tat des Fremden“, und die ist tabu und nennt sich amtstürkisch “Umsiedlung“ oder “Notwehr“. Ohne Schutz und Hilfe des Deutschen Reiches wäre sie nicht möglich gewesen. Die Deutschen leisteten dem Bündnispartner Militärhilfe, lieferten Waffen, stellten Logistik und Personal zur Verfügung. Allein die deutsche Militärmission in Konstantinopel verfügte über 12.000 Soldaten. Die Regierung in Berlin war bestens über die Massaker informiert, durch ihre Konsulate in allen Provinzen, durch die Fotos des Sanitätsoffiziers Armin T. Wegner, die erschütternden Berichte des Theologen Lepsius (der sogar nach Holland fliehen musste, als er sie drucken und verbreiten ließ) und die zahllosen Appelle von Überlebenden, Krankenschwestern, Diplomaten. Vizekonsul Kuckhoff sieht sich an die Judenverfolgung in Spanien und Portugal erinnert, Generalmajor von Lossow nennt das “Aushungern der Armenier“ eine “neue Form des Massenmords“. Der unbequeme Botschafter Paul Graf Wolff-Metternich appelliert unentwegt an die Regierung, dem Treiben ein Ende zu setzen – und wird abberufen. 1916 läuft auch eine Parlamentsanfrage Karl Liebknechts zur “Ausrottung der türkischen Armenier“ ins Leere. Niemand will so genau wissen, was in der Türkei passiert. Schließlich befindet man sich an der Seite der Türken im Krieg. Diese Allianz ist wichtiger als alle Berichte über Leichenberge, über grausam verstümmelte Menschen, die aneinander gebunden von hohen Felsen in den Euphrat gestürzt werden, über die Blutorgien der Kurdenbanden und Sonderkommandos. Deren Einsatz organisiert ein Deutscher: Colmar Freiherr von der Goltz. Andere Deutsche befehligen Einheiten des türkischen Heeres. Oberstleutnant Boettrich ist für den Tod Tausender Zwangsarbeiter der Bagdadbahn mitverantwortlich, sein Kollege von Schellendorf weist ebenfalls Deportationen an, kritisiert einen deutschen Konsul, weil der Brot an Armenier verteilen lässt und macht die Opfer zu Tätern: Der Armenier sei “wie der Jude,… ein Parasit, der die Gesundheit seines [Aufenthalts-] Landes aufsaugt“ und deshalb gehasst werde.

Ahnte Franz Werfel, was den Juden bevorsteht, als er seinen Roman “Die vierzig Tage von Musa Dagh“ über den Widerstand armenischer Dorfbewohner schrieb, in dem prophetisch von “wandernden Konzentrationslagern“ die Rede ist? Das Buch wird in der NS-Zeit zum Fingerzeig für viele Juden und eine der Hauptlektüren in den Ghettos. In den 1980er-Jahren sind es wieder jüdische Autoren, die den Toten ein Denkmal setzen: Ralph Giordano mit dem Film “Die armenische Frage existiert nicht mehr“, Edgar Hilsenrath mit dem “Märchen vom letzten Gedanken“. Er nennt die Täter “Lehrmeister des Holocaust“, wegen der perfiden Systematik, mit der sie vorgingen und wegen ihrer Vorbildwirkung, denn die Welt hätte damals erlebt, dass die Verbrechen ungesühnt blieben – Hitler 1939: “Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“.

Im Unterschied zur Ermordung der Juden im modernen Industriestaat Deutschland gab es im Osmanischen Reich noch keine technisch perfekte Vernichtungsmaschinerie und Christen konnten ihr Leben zum Teil durch Übertritt zum Islam und Heirat mit Türken retten. Dennoch gibt es viele Parallelen: Wie die Juden in Mitteleuropa waren die Armenier im 19. Jahrhundert anderen Bürgern formal gleichgestellt worden. Wie bei den Juden gesellte sich in dieser Zeit zu ihrer religiösen Ablehnung sukzessiv ein rassistisches Moment und galten die Armenier als “die Juden des Orients“. Hinzu kam sozialer Neid, die fehlende Sanktionierung vorheriger Pogrome (gegen Juden in Osteuropa, gegen Armenier in der Türkei 1895/96, 1909) und eine Propaganda, die einen Gegensatz zwischen staatsloyalen Muslimen und illoyalen christlichen “Schädlingen“ konstruierte und so die “Endlösung“ vorbereitete, wie bei den Juden: Erst Verleumdung (Armenier bereichern sich oder vergiften Lebensmittel) und Ausgrenzung (“Kauft nicht bei Armeniern!“), dann Ausschaltung der Eliten, dann Deportation – “ins Nichts“, in die mesopotamische Wüste. Wer hier nicht verdurstete oder verhungerte wurde erschlagen oder erschossen. Ein Ort nach dem anderen wird “armenierfrei“ (und umbenannt – wie das alte “Zeitun“ in “Süleymanli“). Und wie Deutsche von Juden profitieren die Türken von den Armeniern. All ihr Hab und Gut wird systematisch “umverteilt“ – Geld in Banken beschlagnahmt, Tote nach Gold gefleddert, Häuser ausgeräumt. Die Ausschaltung der unliebsamen Konkurrenz (“wirtschaftlicher Patriotismus“ genannt) endet damit, dass bei Gründung der Türkischen Republik nur noch fünf Prozent der Kaufleute und Gewerbetreibenden Christen sind; vor dem Genozid waren es 80 Prozent. Fast die gesamte christliche Bevölkerung von fünf Millionen Bulgaren, Griechen, arabischen und aramäischen Christen und nun auch Armeniern ist beseitigt. Die Jungtürken haben den ethnisch homogenen Nationalstaat, den sie wollten.

Auch der Begriff “Holocaust“ wurde erstmals im Zusammenhang mit Pogromen gegen Armenier benutzt – von der amerikanischen Missionarin Corinna Shattuck, die 1895 miterlebte, wie in Urfa Armenier in einer Kirche verbrannt wurden. Trotz aller Analogien zur Schoa ist der Genozid an den Armeniern heute nicht im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verankert, unter anderem weil sich, anders als in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, in Kleinasien nach dem ersten Krieg und dem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts die alliierte Ordnung der Sieger nicht durchsetzen konnte. Dennoch: Das Europa-Parlament und zwei Dutzend Staaten, darunter Frankreich, Russland, Italien, Kanada, haben den Genozid inzwischen offiziell verurteilt und als Völkermord benannt. Deutschland nicht, Israel nicht.

Wie hochsensibel das Thema noch immer ist, zeigte der wütende türkische Protest, als sich Brandenburg 2005 als einziges Bundesland herausnahm, den Völkermord in den Geschichtslehrplan aufzunehmen, wenn auch nur als winzigen Klammersatz. Im selben Jahr debattierte der Bundestag zum 90. Jahrestag der Ereignisse nach langem Hickhack erstmals vorsichtig die deutsche Mitschuld und eine Entschließung, mit der die Türkei aufgefordert werden soll, sich ihrer historischen Verantwortung zu stellen. Zwar wurde der Antrag nach einem Kanzlerbesuch verabschiedet, von “Völkermord“ ist darin jedoch keine Rede, und fünf Jahre später war die Bundesregierung (auf eine Kleine Anfrage der LINKEN hin) noch immer der Meinung, die Bewertung der Ereignisse solle der Wissenschaft vorbehalten bleiben und die Aufarbeitung sei zuallererst Sache der betroffenen Länder Armenien und Türkei.

Den Nato-Partner und die deutsch-türkischen Wähler will niemand zu sehr brüskieren – Erinnerungskultur hin, Erinnerungskultur her. Die Türkei protestiert bei jedem Vorstoß vorsorglich. Meist hat sie damit auch Erfolg. Als im Jahr 2000 der US-Kongress die Ereignisse von 1915 als Völkermord einstufen wollte, drohten die Türken mit der Sperrung der Luftwaffenbasis Inçirlik für die USA; als 2007 der Auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses einer Resolution zustimmte, nach der die Verfolgung und Vertreibung der Armenier als ”Völkermord“ eingestuft werden soll, wehrten sich Präsident Bush und das US-Außenministerium und die Türkei berief ihren Botschafter zeitweise zurück (Barack Obama forderte zwar 2011 von der Türkei eine Anerkennung der Massaker, vermied aber ebenfalls den Begriff Völkermord).

Ähnlich in Israel: Als im Jahr 2000 auf Initiative Yossi Sarids der Genozid in den israelischen Schulunterricht einfließen sollte und in einer Broschüre des Außenministeriums das Wort “Massenmord“ auftauchte, kam es zu einer Staatskrise mit der Türkei. Seitdem hat sich nicht viel geändert, wenngleich u.a. der heutige Staatspräsident Reuven Rivlin schon seit 1989 (damals als Parlamentspräsident) versucht, das Thema immer wieder auf die politische Agenda zu setzen.

Die türkischen Archive sind weiter dicht, die Einbeziehung des Themas bei internationalen Genozid-Konferenzen wird verhindert, Abweichler werden bedroht (oder gar ermordet wie 2007 in Istanbul der armenischstämmige Journalist und Verleger Hrant Dink), und kein Wort des Bedauerns für die Opfer. Die türkische Gesellschaft scheint noch nicht reif für die Realität, auch die hierzulande nicht – für den Vorsitzenden des Rats türkischer Staatsbürger in Deutschland, Yasar Bilgin, ist der Völkermord nach wie vor “nichts weiter als eine Lüge“; das türkische Vorgehen war legitime Notwehr gegen armenische Übergriffe, heißt es.

Es sind Künstler und Geistesschaffende, die dem “Tunnelblick” entgegenwirken und den Massenmord an ihren ehemaligen Landsleuten und das Schweigen darüber thematisieren – wie der in Köln lebende Autor Doğan Akhanlı mit dem Roman “Die Richter des Jüngsten Gerichts” und dem Theaterstück “Annes Schweigen” oder wie der Hamburger Regisseur Fatih Akin mit seinem Spielfilm “The Cut”.
Der Artikel erschien bereits auf Hagalil

 

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Yilmaz
Yilmaz
9 Jahre zuvor

Man fragt sich unweigerlich, warum sich die deutschen Medien so auf den Völkermord an den Armenier fixieren – Anstatt im eigenen EU-Haus den Nachbarn auf die Finger zu schauen und welche Leichen diese im Keller haben.

Nehmen wir die z.B. die Belgier, die im Kongo von 1888 bis 1908 gewütet haben und in dieser zeit 8 – 10 Millionen Menschen zu Tode gekommen sind. Die Ereignisse werden verniedlichend als „Kongogräul“ bezeichnet. Bislang hat sich der belgische Staat noch nicht dazu durchringen können, dies als Völkermord zu bezeichnen.

Oder die Franzosen. Die Franzosen haben in Indochina, Algerien, Madagaskar und den meisten anderen Kolonien Millionen von Menschen getötet und schreiben in Ihren Schulbüchern immer noch, das der Franz. Kolonialismus gut für die unterdrückten Völker war.

Und was ist mit den Italienern ? Die in Nordafrika und Abessinien/Äthiopien Millionen Menschen auf dem Gewissen haben!!!

Dieses ständige Rumreiten auf der Türkei OHNE dabei gleichzeitig auch die anderen europäischen Staaten in die Verantwortung zu nehmen, zeigt nur, das in der EU mit doppelten Standards gemessen wird.

discipulussenecae
discipulussenecae
9 Jahre zuvor

Der Artikel ist nicht mehr so ganz aktuell:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/armenier-tuerkei-attackiert-joachim-gauck-wegen-voelkermord-wortwahl-a-1030607.html

http://www.spiegel.de/politik/ausland/lammert-bezeichnet-verbrechen-an-armeniern-als-voelkermord-a-1030374.html

Verwiesen sei auch ausdrücklich auf den hervorragenden und erschütternden Film ‚Aghet‘, der hin und wieder von einschlägigen Bildungssendern gezeigt wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Aghet_%E2%80%93_Ein_V%C3%B6lkermord

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

@Yilmaz

Du fragst: “ …warum sich die deutschen Medien so auf den Völkermord an den Armenier fixieren.“

Hier ein paar Antworten:

1. Weil Deutschland sehr früh vom Genozid an den Armeniern wußte. Deutschland war Kriegsverbündeter der Osmanen und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich mit dem Aufbau einer Verkehrsinfrastruktur in Anatolien beschäftigt. Zur damaligen Zeit waren sehr viele Deutsche vor Ort, Ingenieure im Zusammenhang mit der Bagdadbahn, Missionare wie Johannes Lepsius, Diplomaten wie Hans Humann, Ärzte, Krankenschwestern… Viele dieser deutschen Zeugen haben den Völkermord akribisch festgehalten und die Archive bei uns in der Bundesrepublik sind voll mit Dokumenten, die den Völkermord belegen.

2. Das Deutsche Reich hat nicht nur zugeschaut sondern auch aktiv am Genozid an den Armeniern mitgewirkt. Insofern trägt Deutschland als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches eine Mitverantwortung an dem Völkermord und versucht dieser Verantwortung gerecht zu werden, indem es seine Schuld anerkennt und das Gräuel an den Armeniern als das bezeichnet, was es ist, nämlich als einen Völkermord. Zumindest der Bundespräsident und der Bundestag als die legitimierten Vertreter der Bevölkerung tun das. Eine Leugnung oder Relativierung eines Völkermordes wäre auch nichts anderes als seine Fortsetzung,

Relativieren tust Du übrigens reichlich, Yilmaz, wenn du auf Belgier und Franzosen verweist so unter dem Motto, was ist am Völkermord der Türken an den Armeinern so schlimm, andere haben sowas ja auch gemacht?!…

3. Deutschland hat im zweiten Weltkrieg 6 Millionen Juden vergast mit dem Ziel alle Juden zu ermorden. Die Dimension dieses Völkermordes ist einzigartig in der Geschichte, aber dieser Genozid ist nicht beispiellos, wie das im Text erwähnte Hitler-Zitat (“Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“) zum Ausdruck bringt. Wenn wir wirklich wollen, dass sich Geschichte nicht wiederholt – und sie droht sich zu wiederholen (siehe Ruanda, siehe Burundi, siehe Srebrenica, siehe die Yesiden im Singschar) – dann geht das nur, indem wir Völkermorde auch beim Namen nennen und ihre Leugnung ächten. Insofern machen die Medien, an denen du Dich stößt, bei uns in Deutschland einen guten Job. Im Gegensatz zu denen in der Türkei.

Wach auf Yilmaz. Die Entstehung der heutigen Türkei war alles andere als ein Märchen aus 1000 und einer Nacht. Eure Nationalstaatsgründung war eine extrem schwere Geburt, welche mit dem Versuch einher ging, die armenischen, assyrischen und aramäischen Völker und die Pontosgriechen auf dem Boden der heutigen Türkei systematisch zu vernichten.

Weißt Du, was ich bei Dir, aber auch bei vielen anderen meiner türkischen Mitbürger nicht verstehe? Warum seid ihr immer so schnell beleidigt, wenn man die Türkei kritisiert? Und wieso fühlt ihr Euch in Eurer Opferrolle („Dieses ständige Rumreiten auf der Türkei“) nur so wohl?

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

1.
Mir fällt, jedenfalls nicht spontan, kein Staat ein, der in seiner Geschichte nicht versucht hat, Völker in Gänze oder zumindest in ihrer Substanz auszuschlöschen.
Wenn diese Staaten Kritik am sog. Völkermord anderer Staaten üben, dann stellt sich mir folglich immer die Frage, iniwieweit diese Kritik moralisch durch eigenes Tun oder Unterlassen gerechtfertigt werden kann.
Das zu fragen, schließt Kirtik nicht aus.

Das stets zu bedenken könnte dazu beitragen, Kritik in Form und Inhalt so vorzutragen, daß sie nicht im Gewande moralischer Überlegenheit daher kommt und daß sie bei Kritisierten und bei Kritikern ehe Nachdenklichkeit produziert und weniger wechselseitig sich wiederholende Retourkutschen.

Mir scheint zudem, daß moralische Entrüstung in der Beziehung zu anderen Völkern und Staaten
immer dann geäußert wird, wenn diese in das akuelle außenpolitische Kalkül paßt und sie folglich dann gänzlich unterbleibt, wenn das den eigenen außenpolitischen Interessen dienlich erscheint.
So paßt es durchaus in das politiscchen Kalkül „maßgeblicher“ Politiker in Deutschland, wenn „man“ die Türkei in eine Ecke stellen kann, in der „man“ sie mit Blick auf einen Beitritt zur EU nur allzu gerne sieht.

2,
Speziell auf Deutschland bezogen frage ich mich, naheliegend, womit wir angesichts des von uns
industriell organisierten und praktizierten Völkermordes an den Juden unsere führende Rolle
in der Kritik am Völkermord des osmanischen Reiches bzw. an dessen Nachfolgestaat Türkei an den Armeniern moralisch legitimieren und diese glaubwürdig politisch für vertretbar halten.

Speziell auf Deutschland bezogen frage ich mich zudem, ob es grobe Fahrlässigkiet oder gar Vorsatz ist, wenn unsere moralische Entrüstung, unser politischer Aufschrei gegenüber der Türkei so gezielt auf den Begriff „Völkermord“ abstellt, daß infolgedessen der Holocaus nur noch als einer unter vielen Völkemorden wahrgenommen werden könnte.

3.
Mein unter 1. und 2. formuliertes Unbehagen, meine Nachdenklichkeit bezüglich eines
von mir wahrgenommen Gehabes moralischer Überlegenheit Deutschlands bzw. vieler Deutscher gegenüber der Türkei, reihen sich bei mir ein in politisches Unbehangen gegenüber dem Bild, was sich
generell viele Menschen im Ausland von uns zu machen pflegen -zunehmend-:

-Weil wir uns wirtschaftlich/fianziell stark fühlen, belehren wir Dritte, sich -alternativlos- in Wirtschafts- und
Finanzfragen nach deutschen Volbild zu richten.
-Weil wir uns für außergewöhnlich tüchtig, fleißig, innovativ, kreativ halten, wird von uns
jede Kritik an den exorbitant hohen und dauerhaften Exportüberschüssen trotz aller von Volkswirten weltweit geäußerten Bedenken zurückgewiesen; „die Anderen sind selbst schuld, wenn………“.
-Weil wir………….

Wenn ich Gauck und andere, aktuell gegenüber der Türkei, aber eben nicht nur dazu,höre, geht mir -leider- der Ausspruch nicht aus dem Sinn:
„Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.
Wenn das die deutsche Mehrheitsgesellschaft generell und konkret mit Blick auf die deutsche Kritik an der Türkei in Sachen Völkermord an den Armeniern ganz anders sieht als ich, und das ist offenkundig so, dann nehme ich das zur Kenntnis, ohne daß das mein Unbehagen, mein Unwohlsein minmiert.
Telefonate in den letzten Tagen mit Verwandten und Freunden in England und Frankreich waren -wieder einmal-angetan, darüber nachzudenken, was denn „diese deutsche Wesen erklärt“, dem die moralischer Überlegenheit, dem das Belehren andere Völker und Staaten geschuldet ist; und dieses alles exakt 7o Jahren nach dem Ende einer Ära größtmöglichen moralischen Versagens des ganzen deutschen Volkes.
Mir wäre jedenfalls wohler, wenn wir angesichts der NS-Verbrechen, nicht nur, aber vor allem gegneüber den Juden, wenn wir uns angesichts der millionen Toten durch den II.Weltkrieg bzw. in desen Folge weniger belehrend, weniger überheblich, weniger arrogant, sondern ehe zurückhaltend und ohne den „erhobenen Zeigefinger moralischer Überlegenheit“ zu Mißständen, zu Verfehlungen, zu Unterlassungen, auch zu Verbrechen anderer Völker und Staaten äußern würden.

Oder ist die hier wahrzunehmende moralische Entrüstung politischen Führungspersonales in Deutschland
, wie ich vorab schon angedeutet habe, lediglich Bestandteil in ihrem immer währenden Spiel um persönlich-politische Aufmerksamkeit, ihrer Eitelkeit geschuldet und in stiilschweigender oder bewußter Abstimmung mit den Medien inzeniert und zelebriert?
Und“übermorgen“bedarf es dann wegen des dominierenden Verlanges der politischen Akteure (und der Medien) nach stets neuen, aktuellen Inzenierungen und Zelebrierungen anderer Anlässe.
Der Völkermord an den Armeniern wird dazu „übermorgen“ nicht mehr taugen ; er verschwindet vom politisch-medialen Schauplatz.

Gerd
Gerd
9 Jahre zuvor

„Ohne Schutz und Hilfe des Deutschen Reiches wäre sie nicht möglich gewesen. Die Deutschen leisteten dem Bündnispartner Militärhilfe, lieferten Waffen, stellten Logistik und Personal zur Verfügung. Allein die deutsche Militärmission in Konstantinopel verfügte über 12.000 Soldaten.“

Stimmt, aber die waren dort wegen des Weltkriegs, der dort gleich an drei Fronten tobte und nicht gut für die Osmanen verlief. Mit Nebensächlichkeiten wie den Armeniern hat sich das Reich nicht aufgehalten, dazu waren Russen und Engländer zu gefährlich. Und die Osmanen hatten schon Jahrzehnte vorher demonstriert, dass sie Armenier zu zigtausenden ohne fremde Hilfe ermorden konnten.

Und was von der Goltz angeht, so irrt der Autor völlig!

„In December 1915 Goltz directly intervened, threatening to resign his command if the deportations were not halted. It was a measure of Goltz’s stature in the Ottoman Empire that he, as a foreign military officer, was able, if briefly, to influence domestic policy. However, he was able to effect only a temporary reprieve, and then only in Mesopotamia.“

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Wenn in der Türkei vor dem Ersten Weltkrieg tatsächlich 80 Prozent aller mittelständischen Wohlstandspositionen („Kaufleute und Gewerbetreibende“) in Hand der christlichen Minderheit waren, dann handelt es sich hier um einen Zustand, der mit christlichen Werten unvereinbar ist – der überhaupt nur von Namenschristen ohne echte religiöse Überzeugung vertreten werden konnte.

Es wäre Sache jedes ernsthaften Christen gewesen, einen türkisch-islamischen Mittelstand aufzubauen bzw. emporkommen zu lassen. Die notwendige Begabung gab es bei den türkischen Moslems durchaus. Gab es dazu Initiativen? Das werden wir von Frau Kessler wohl nie erfahren.

Angelika
Angelika
9 Jahre zuvor

Ich finde es auch seltsam, dass über Belgisch-Kongo usw. usw. kaum bis gar nicht gesprochen wird. Wenn schon Vergangenheitsaufarbeitung, -bewältigung, dann umfassend.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Rainer Möller #6

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Die Armenier sind an ihrem Genozid selber schuld?

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

Arnold, genau das habe ich auch verstanden. „M“ wird wohl doch nicht der ev.Theologe sein, den wir hinter seinem Nicknamen vermuteten. Vermutlich hat doch der immer Verdacht schöpfende @Pommeskind“ in seinem Fall Recht.

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Arnold Stach,
das war nun eigentlich eine Bemerkung von Christen für Christen – diese 80-Prozent-Geschichte wäre innerchristlich gesehen in jedem Fall ein Skandal, ganz unabhängig von der weiteren Entwicklung.

Tatsachenmäßig könnte man fragen, wieweit diese 80-Prozent-Geschichte einen kausalen Einfluss auf die weiteren Abläufe gehabt hat – da weiß ich nicht mehr darüber, als ich bei Kessler gelesen habe. Und dann bliebe immer noch die Frage, wie man den Zusammenhang moralphilosophisch und strafrechtlich bewerten will.

Und einem Streit über Schuldfragen mit Nichtchristen fühle ich mich einfach nicht gewachsen..
Wir Christen sind ja per definitionem eine Gemeinde von Sündern; ob wir im Einzelfall ein bisschen mehr oder weniger schuld sind, ändert da nichts wesentliches und kann gerade deshalb ganz nüchtern und rational verhandelt werden. Im Prinzip kann man sagen: Ein Christ ist für das mitverantwortlich, was sein Nächster mit ihm anstellt – im Maße des Zusammenhangs und seiner Einsicht in diesen Zusammenhang („Reize deinen Bruder nicht zum Zorn.“). (Ich bin auch für die negativen Reaktionen mitverantwortlich, die ich hier auslöse.)

Ich weiß aber, dass es im Land der Nichtchristen; ganz anders zugeht; da ist es emotional hochwichtig, auf seiner Unschuld zu bestehen; deshalb ist es mir im Land der Nichtchristen immer etwas unbehaglich. (Ich hätte auf Kesslers Artikel auch gar nicht reagiert, wenn sie nur von Armeniern gesprochen hätte und nicht von Christen.)

Helmut Junge
9 Jahre zuvor

@10 Möller
Den Namen ihres Gesprächspartners über etliche Postings und Diskurse sollten Sie schon richtig schreiben. Da glaube ich nicht an ein Versehen.
Und weil der Sie bei dem Experiment erwischt hat, aus einer so oder so schon heißen Debatte, einen neuen, dritten Aspekt, nämlich die Schuld den Ermordeten zu geben, weil sie keine richtigen Christen gewesen sein sollen, können Sie Ihre Aussage auch nicht, einmal erwischt, damit zurücknehmen, daß Sie plötzlich sagen, „Und einem Streit über Schuldfragen mit Nichtchristen fühle ich mich einfach nicht gewachsen..“
Sie haben diesen Aspekt doch in die Diskussion gebracht. Sie allein!
Sie scheinen mit Ihren trollhaften Einwänden einfach nur zu experimentieren, ziehen sich bei starkem Widerspruch ganz zurück, oder relativieren ihre eigenen Kommentare.
So gerne ich auch diskutiere, setze ich doch bei meinen Diskussionspartnern eine gewisse Ernsthaftigkeit voraus. Mit dem obigen Salto rückwärts aber sind Sie bei mir jetzt unten durch.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Wäre es denkbar, sog. historische Gedenken, Gedenktage nicht primär zu nutzen, um je nach moralischer Gesinnung, nach geselllschaftspolitischer Einstellung Schuld und Unschuld, Schuldige und Unschuldige aufzulisten, gegeneinander auf- und abzurechnen und damit diei Gefahr herauf zu beschwöen, die Urschen eines alten Konfliktes zu den Ursachen eines neuen zu machen, sondern sich vielmehr an einen solchen Gedenktag zu fragen, was die (ehemaligen) Konfliktparteien an gemensamen Interessen verbinden könnte, über welches Potential sie an gemeinsam Werten, an gemeinamen Interessen verfügen , das es , aus der Vergangenheit lernend , zukunftsorientiert zum Besten ihrer Völlker, ihrer Staaten,ihrer Kulturen, ihrer Werteordnungen kreativ, innovativ, mutig, entschlossen zu nutzen gilt?

Damit ich nicht mißvverstanden werde:
Ich beschwöre keine Vergessenheitskultur, kein „politisches Schwamm darüber“.Ich meine lediglich, daß „man“ das Erinnern primär nutzen könnte, nutzen sollte, um daraus für das Jetzt und für das Morgen gemeinsam Positives zu bedenken und ggfls. gemeinsam zu schaffen.

Kraft , Mut, Entschlossenheit, um die Problem der Menschen heute und morgen lösen zu können, entstehen dann nicht, entwickeln sich dann nicht, weder beim einzelnen Menschen noch in Gesellschaften und Staaten, wenn man im Gestriegen verharrt, wenn man nur der alten Wunden wegen diese ständig wieder aufreißt,wenn man den Gegenüber, den Anderen anklagt, weil es eben der Gegenüber, der Andere war und er das zu bleiben hat, sondern wenn man sich stadessen fragt, was es trotz allem an Gemeinsamkeiten gibt, auf denen man aufbauen kann, um zusammen, um miteinander das Beste für die Menchen, für die Völker, für die Staaten zu erreichen.

Neben diesen Überlegungen noch eine weitere Bemerkung:
Ich habe den Eindruck, daß unabhängig von der Art des jeweiligen Problemes und unabhängig davon, ob dieses als geschichtliches oder als ein aktuelles zu verorten ist, in den hier laufenden Diskussionen von dem einen oder dem anderen bei jeder Gelegenhiet primär danach gesucht wird, ob und wie sie genutzt werden kann, um das, „was man schon immer wußte, was man schon immer für falsch oder für ichtig hiletg“ als wieder einmal bestätigt registrieren zu können nach dem Motto: „Habe ich schon immer gewußt. Konnte ja nicht anders sein; denn das ist doch typisch für die Christen, die Sozialisten, die Kommunisten, die Atheisten, die Amerikaner, die Russen, die muslimischen Türken… ( die.BVBer, die S04er, die Bayern)“.
Befördert das einen Diskurs?

Daß jeder, der hier diskutiert, ich eben auch, dieses tut auf der Grundlage seiner kulturellen, seiner politischen, seine weltanschaulichen Position (seiner Anhängerschaft zum BVB oder…) steht meiner o.a.Bemerkung nicht entgegen.

Das ist kein Versuch, diese oder andere Diskussionen in Frage zu stellen oder sie zu (be-)werten, was mir gar nicht ansteht und mir auch nicht in den Sinn kommen wrüde. Das sind nur spontane Gedanken, unreflektiert, die mir so eben „durch den Kopf“ gegangen sind, die mich also beschäftigt haben und von denen ich mich mit ihrem Niederschreiben erst einmal entlastet haben.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

@ Rainer Möller # 10

Eine Grundschuldvermutung gegen alle hilft hier nicht weiter, Rainer. Auch keine indirekte Mitschuld durch „Zornerregung“. Mord, egal aus welchem Motiv, ist Mord. Auch für Christen. Der, der mordet, ist des Mordes schuldig und nicht der, der ermordet wird. Sie sind ein Schwafeler vor dem Herrn, und als solcher wird sie ihr Gott zur Rechenschaft ziehen. Er hat mir erlaubt ihnen auch schon seine Strafe anzukündigen: 1000 Jahre Ruhrbarone lesen ohne kommentieren zu dürfen. 🙂

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Arnold Voss #13 Kicher!!

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

-11-
Helmut,
ich habe die Anrede von R.Möller unter -10- gar nicht registriert. Warum, weiß ich nicht.
Über das Warum dieser Anrede spekulieren? Nee, warum denn?

Thomas Weigle,
bei der Gelegenheit der folgende Hinweis:
Die TAZ -TAZ.DIE TAGESZEITUNG- http://www.taz.de/Kultur@taz.de-bringt heute auf S.15/S.16 unter GESELLSCAFT+KULTUR einen zweiseitigen Bericht über den Umweltschützer Michael Succow. Ich habe erstmals durch diesen Beriicht mehr über den Menschen Succow erfahren als mir bis dahin bekannt war.Ich denke, daß dessen DDR-Bioagraphie so wie sie in demBericht skizziet wird, eine sehr ungewöhnliche und deshalb besonders interessanter ist, namentlich auch für Dich wegen Deines hier bei den Ruhrbaronen merhfach bewiesenen ungewöhnlichen Wissens um gesellschaftliche Zustände in der DDR..

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

vor 10 Jahren äußerte sich der armenische Botschafter bei der Unesco, Schahnur Asnawurjan, in der Zeit wie folgt:

„Es wäre auch an der Zeit, dass Deutschland dieses Verbrechen völkerrechtlich anerkennt, so wie es bereits Frankreich und die Schweiz getan haben. Deutschland, das mit Verantwortung daran trägt. Nicht weil seine Politiker die Ausrottung der Armenier befohlen, sondern weil sie zugeschaut haben. Weil sie ihren damaligen Verbündeten, den Türken, sagten: Tut, was ihr für richtig haltet. Dass die Deutschen diesen Völkermord anerkennen, wäre ein großer Schritt. Dann würden auch seine Alliierten dazu genötigt. Das waren die Türken damals, und vielleicht sind sie es auch heute. …

Als Frankreich den Genozid anerkannte, wollte die Türkei angeblich die Beziehungen abbrechen. Ein großer Irrtum! Frankreich ist der größte Fürsprecher für den EU-Beitritt der Türkei. Darin besteht überhaupt kein Widerspruch. Man kann sehr wohl die Vergangenheit akzeptieren und zugleich an die Zukunft denken. Die französisch-türkischen Beziehungen sind übrigens trotz allem ungetrübt. Ebenso verhält es sich in der Schweiz. Das wird bei jedem Land so sein. Die Botschafter kommen und trampeln mit den Füßen, aber das bedeutet überhaupt nichts. Die türkische Politik kann nicht ewig weiter im Rückwärtsgang fahren und sagen: Dann reden wir nicht mehr mit euch. Es ist Zeit für eine ehrliche Debatte.“

Schahnur Asnawurjan ist das Kind eines armenischen Ehepaares, das 1915 vor dem Völkermord nach Frankreich geflüchtet ist. Den Älteren dürfte er unter seinem französischen Namen Charles Aznavour vermutlich bestens bekannt sein (La Boheme, She, Du lässt dich gehn…)
……

Was mich an der Diskussion hier stört ist der Umstand, dass sich die Beiträge lediglich um die Interessen Deutschlands und/oder der Türkei drehen, die Sicht der Armenier aber überhaupt nicht in den Überlegungen vorkommt. Offensichtlich sind nicht nur Gerhard Schröder oder Frank Walter Steinmeier der Ansicht, wir Deutschen hätten ein „Copyright auf den Holocaust“ (Henryk M. Broder).

hier gehts zu Aznavour Traum in der Zeit. Viel scheint sich in den letzten 10 Jahren nicht verändert zu haben:
http://www.zeit.de/2005/14/Traum_2fAznavour_14

hier noch ein Bisschen Broder, „Steinmeier und der deutsche Sündenstolz“
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article140082537/Herr-Steinmeier-Sie-haben-von-nichts-eine-Ahnung.html
und: „Gibt es ein Holocaust-Copyright?“
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article12677913/Gibt-es-ein-Holocaust-Copyright-Herr-Schroeder.html

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Als „Revisionist“ bin ich durchaus der Meinung, dass D. kein Copyright auf Völkermord und Holocaust hat. Wichtiger ist eh, welche Lehren daraus gezogen werden. In erster Linie sollte D. sich aber um den von ihm verantworteten und durchgeführten Holocaust kümmern, da ist noch immer genug zu tun, wie man in letzter Zeit leider feststellen musste.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Ich empfehle zum Thema das Buch von Ben Kiernan „Erde und Blut – Völkermord und Vernichtung von der Antike bis heute“.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

1.
Ich bleibe bei meiner Meinung -trotz oder gerade wegen Broders Meinung-, daß die oftmals aus simplem (tages-)ipolitischen Kalkül praktzierte inflationäre Verwendung des Begriffes Völkermordes dazu beitragen könnte, den Holcaust zu relativeren. Dazu will ich und dazu kann ich nicht beitragen.
2.
Zudem scheint mir generell für alle Völker, Kulturen, Staaten das zu gelten was dem einzelnen Menschen wesensgemäß zu sein scheint:
"Schuldfähigkeit ist immer nur der Anderer.. Das Böse ist dem Eigenen fremd. Das Böse ist im Wesen eines Anderen begründet."
Solches Denken, das selbst gestandenen Historiker, das Journalisten, das Poltiker zu eigen ist, produziert Fehlurteile, Fehleintschätzungen über das was war, und es führt in die Irre mit Blick auf das, was gegenwärtig möglich und zukünftig zu erwarten ist -auch durch und von "uns".
Wer meint, für alle Zeiten seien nach dem Holocaust Menschheitsverbrechen, sei ein Völkemord dem "deutschen Wesen" fremd,der geht in die Irre.

Arnold Voss
9 Jahre zuvor

Walter, wenn man ein Volk ganz oder teilweise systematisch zu ermorden/vernichten versucht, ist das Völkermord, egal wie groß das Volk ist. Das hat mit der Relativierung des Holocaust rein garnichts zu tun. Völkermord ist keine Quantität sondern eine Qualität. Inflationär ist im Falle der Armenier einzig und allein die Leugnung des Völkermords. Ansonsten verweise ich nochmal auf # 18. Insbesondere den Teil III, „Genozid im 20. Jahrhundert“ und in der Einleitung das Kapitel „Historische und juristische Definitionen“.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Wenn ein Volk ganz oder teilweise umgebracht wird, mit welchen Mitteln auch immer, ist es Völkermord. Deutschland hat daher kein Copyright auf diesen Begriff. Wenn ich auf andere Völkermorde hinweise, ist das keine Relativierung des Holocaustes, der zwar in der deutschen Geschichte einmalig ist, es aber nicht global gesehen ist. Welcher Hochmut ist es, den Opfern anderer Völkermorde gegenüber, sie sozusagen eine Opferebene tiefer anzusiedeln?

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

2o-21
Arnold, Thomas Weigle,
ich kann meine Besorgnis nicht aufgeben, die darin besteht, daß fahrlässig oder gar vorsätzlich, und zwar zur Zeit bemerkenswert oft, medial/politisch mit dem Begriff des Völkermordes hantiert wird und daß dieses gesxchieht, um damit (tages-)politischen Zielen zu dienen.
Ich kann ganz und gar nicht erkennen, daß dann, wenn nach wie vor mit dem Begriff Völkermord primär der Holocaust gemeint ist, wenn der Begriff Völkermord das Synonym für den Holocaust ist und bleibt -oder umgekehrt- und die Morde an den Armeniern, an den Herror in Südafkrika, an den Indidanern in Nord-Amerika, an divesen Völkerschaften in der ehemaligen UDSSR zu Stalinszeiten- Menschenheitsverbrechen genannt werden. Wie die Verwendung des Begriffes Menschheitsverbrechen statt Völkermord bedeutet,damit "die Opferebene" tiefer aniedeln zu wollen, erschließt sich mir ganz und gar nciht.

-Ich habe mich jetzt so nebenei dazu verleiten lassen, Beispiele für die von mir so bezeichnenten Menschheitsverbrechen zu nennen, was deshalb probleamtisch ist, weil ich damit die vielen, vielen anderen Menschheitsverbrechen ausklammere, die nicht ausgeklammert werden dürfen.)
Arnold,
danke für den Literaturhinweis.
Der Genozid = Mord an rassitischen, nationalen, religisen Gruppen.
Wer mag, verwendet statt des Begriffes Genozid generell das deutsche Wort "Völkermord", eben nicht nur für den Genozid der Deutschen an den Juden.
Wenn ich von Menschheitsverbrechen spreche, dann mag das verstanden werden als Prädikatisierung eines jeden Genozids.
Thomas Weigle,
Ich meine, daß nicht wir, die Deutschen, uns zu fragen, ob es ein deutsches Copyxrigth auf den Begriff Völkermord gibt, sondern das es darum zu gehen hat, was weltweit die Menschen mit dem Begriff Völkermord verbinden. Nach meinen Wahrnehmungen scheint es so zu sein, daß sie im Regelfall, wenn von Völkemord die Rede ist, damit den Holocaust , also den Völkermord der Deutschen an den Juden verbinden. Darin ändert sich nichts durch eine innerdeutsche Diskussion darüber, ob der Quanität und der Qualität dieser Verbrehen wegen von einer insofern gegeben Einmaligkeit als Menschheitsverbrechen gesprochen werden kann oder nicht.
Im übrigen zeigt der Beitrag der Gastautorin, der überschrieben ist mit Menschheisverbrechen, und in dem von Genozid und Völkermord die Rede ist, daß das Sreiten über Begriffe, über Worte, nicht wesentlich dazu beiträgt, dem Warum nähezukommen, dem "warum es immer wieder zur massenhaften Ermorderung von Menschen durch Staaten, durch Nationen, also durch andere Menschen, kommt, und zwar gezielt deshalb, weil es jeweils gilt, Gruppen von Menschen zu beseitigen , die sich sich rassisch, religios,national von der der Mehrheit der jeweiligen Gesellschaft unterscheiden.
Darüber gilt es, ständig nachzudenken und zu diskutieren, ohne die "richigen Wortwahl" übermäßig in den Mittelpunkt einer solchen Diskussion zu stellen. Provozierend gefragt -sh.bereits mein Schlußsatz zu -19-:
"Ein Völkermord, ein Genozid, ein Menschheitsverbrechen: Für Deutschland und für die Deutschen für alle Zeiten auszuschließen,weil………..?". Eine solche Diskussion könnte an die Wurzeln all dieser Verbrechen heranführen.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Walter Stach vielleicht ist es hilfreich, sich auf die UN-Definition von Völkermord zu einigen. "Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören." Dazu gehört bspw auch, die Schaffung von Lebensbedingungen, die das Überleben verunmöglichen, also Hungerrationen, schwere körperliche Arbeit, unzureichende Wohnverhältnisse, wie sie in den KZs und Ghettos herrschten.Nicht angewendet werden kann laut UN dieser Begriff auf politische oder ökonomische Gruppen, denn die SU verhinderten dies mit Blick auf den von ihr angerichteten "Holodomor" in der Ukraine und andere Verbrechen gegen "Kapitalisten" im Zuge der "Verschärfung des Klassenkampfes" unter Stalin bzw. der Ausschaltung bürgerlicher Schichten in der Folge der sog. Oktoberrevolution, des Bürgerkrieges und der Hungersnot 21/22 unter Lenin.
"…ausschließen, weil wir aus der Geschichte gelernt haben, weil wir Teil einer Gemeinschaft sind, die aber immer noch um ihre Werte u.a. im Mittelmeer ringen muss…" Kann man das so formulieren? Gibt das Hoffnung?
Für mich hat der europäische Gedanke etwas ungeheuer faszinierendes, dass die Generationen vor uns, von Ausnahmen abgesehen so nicht kannten, die Frage stellt sich: bleibt diese Faszination für die Generationen nach uns erhalten? Nur dann können wir deine letzte Frage guten Gewissens und optimistisch beantworten.
Natürlich war die Arbeiterbewegung vor allem vor dem ersten Weltkrieg internationalistisch ausgerichtet, aber sie konnte diesem Anspruch aus vielerlei Gründen nicht gerecht werden. Gründe, die durchaus nachvollziehbar und verständlich erscheinen, die aber im allgemeinen Geschimpfe über die Sozialdemokraten, die uns angeblich verraten haben, untergehen.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
das "europäische Projekt", wenn damit mehr gemeint ist als eine "Wirtschaftsgemeinschaft plus",
k ö n n t e dazu beitragen, daß die "böse Saat", die nach wie vor in allen Menschen, eben auch in den Menschen in Deutschland, in Europa steckt, nicht mehr aufgeht, nie mehr aufgeht, jedenfalls nicht mehr in dem Maße aufgeht wie das in Deutschland während der NS-Zeit der Fall war.

Wichtig erscheint mir, daß "man" sich stets bewußt ist, daß es keinen Anlaß gibt anzunehmen, daß das Böse in den Menschen, eben auch in den Menschen in Deutschland, ein für alle Male mit dem 8. 5. 45 ausgerottet wurde. Das Böse, das den Holocaust möäglich gemacht hat, ist latent vorhaden -weltweit!-..

Wichtig erscheint mir zudem, daß die oftmals in diesem Zusammenhang m.E. vernachlässigten bzw. nur für sekundär gehaltenen Prinzipien, Regeln, Mittel und Möglichkeiten des demokratischen Rechtstaates durch die Staatsgewalt konsequent beachtet und konsequnet praktiziert werden, vor allem eben dann, wenn es darum geht, d e n Grudnwert menschlichen Zusammenlebens nicht in Frage stellen zu lassen, nämlich den von der u n a n t a s t b a r e n W ü r d e eines j e d e n Menschen.

Ich baue also insofern weniger auf den "moralisch besseren, besser gewordenen Menschen" als vielmehr auf den demokratischen Rechtstaat mit dem seiner Staatsgewalt legitim und legal innewohnendenden Möglichkeiten -seinen Pflichten-, "dem Aufgehen" der bösen Saat" konsequent zu begegnen.

Der Grudnwert der Staats- und Gesellschaftsorndung der Bundesrepublik Deutschland von der unantastbaren Würde jedes Menschen könnte/sollte merh denn je derjenige sein, zu dem sich alle Menschen in Europa bekennen und der letzendlich als d e r Wert von den Europäern "hochgehalten werden", der sie einigt.
In diesem Sinne k ö n n t e dann, Thomas Weigel, das Projekt Europa Anlaß zur Hoffnung sein, daß sich der Holocaus nicht widerholt, daß sog. Menschheitsverbrechend sich nciht wiederholen werden.
Nur zeigt der Blick auf die politischen Entwicklungen in den europäischen Staaten -sh.alle sog. rechtextremistischen Bewegungen-, daß das Gemeinsame in Europa das Gegenteil von dem sein bzw. sich ins Gegenteil von dem entwickelt könnte, was Du als Möglichkeit zur Hoffnung angedeutet hast und worauf ich mich bezogen habe.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Vielleicht @ Walter Stach. ist der europäische Gedanke bei uns Älteren stärker verankert als bei denen nach uns. Wir haben, so wie Du, den Krieg bewusst oder auch nur unbewusst, miterlebt. Oder wie ich, die zerstörten Städte und die rigorosen Grenzkontrollen in Richtung Osten erlebt, den kalten Krieg mit Chrustchev-Ultimatum und Mauerbau durchlebt. Ich habe noch gut die Begeisterung bei de Gaulles Besuch 62 in der Bundesrepublik vor Augen und in den Ohren, die Bilder bewegen mich bis heute. Zudem bin ich in einer Kleinstadt groß geworden, die von Anfang an auf Jumelage in der Folge gesetzt hat und dafür schon vor langer Zeit vom Europarat geehrt wurde.
Die wiedererwachten Nationalismen, egal wo, erschrecken mich. Wer hätte solche in den 70ern in Frankreich, Italien vermutet? Das waren doch Vorbilder. In Italien schienen die Eurokommunisten vor der Regierungsteilnahme zu stehen, in Frankreich siegte 81 die "Volksfront" von Sozialisten und Kommunisten, die halb oder ganz faschistischen Diktaturen in Spanien und Portugal verschwanden von der Bildfläche. Le Pen in Frankreich schien doch eher eine Lachnummer zu sein.
Auch heute wurde in Deutschland die Würde des Menschen von rechtsradikalen Gewalttätern verletzt. Salafisten haben ein großes Event um Frankfurt verhindert. Wir haben Grund zur Sorge, dürfen uns und den demokratischen Rechtsstaat nicht aus der Pflicht entlassen. Die Ruhrbarone sind in dieser Hinsicht gut aufgestellt und bestens unterwegs. Daran kann es keinen Zweifel geben.

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
ist der "europäische Gedanke" bei den Alten tatsächlich stärker ausgeprägt als in der jüngeren Generation?
Ein Gedanke, der darauf abzielt,das Projekt Europa als ein politisches zu verstehen, das letztendlich auf einen föderativen europäischen Bundesstaat abzielt, weil nur in ihm und mit ihm der Frieden bewahrt werden kann -in Europa und gegen Bedrohungen Europas von Außen- und weil nur so in ihm gemeinsxchafsweit -und mit ihm nach Außen- der unantastbare Wert "von der unverletztlichen Würde eines jeden Menschen" vertreten, gesichert udn verteidgit werden kann?

Ja, da gab es in der Tat in der sog. Nachkriegszeit emotional eine positive Einstellung zu dieser großen europäischen Idee. Heute ist von dieser großen Idee in der Gesellschaft, im Staat kaum noch etwas zu verspüren. Europa ist für die große Mehrheit der Deutschen gleich EU und die wird von den meisten Deutschen -und den anderen Europäern- primär als eine Wirtschafts- und Finanzunion wahrgenommen, als ein Projekt von Technokraten und Bürokraten, und darüber wird zudem im wesentlichen auf eine politischen Ebene diskutiert, die weit weg ist von den Menschen. So wird u.a. über die hier einschlägige
Politik der AFD diskutiert unter dem Label "Euro", es wird eben nicht über das Ob, das Wie, das Wann des politschen Projektes der Vereinigten Staaten von Europa, z.B. in Form eines föderativen Bundesstaates, gestritten.
Ich bedauere das deshalb, weil ich wie vor ca. 6o Jahren auch heute noch der Auffassung bin, daß es im Interesse der Sicherung humanistischer, christlicher, jüdischer Grundwerte -unantastbaren Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Bürderlichkeit- der Verenigten Staaten von Europa bedarf.

Steht meiner skeptischen Betrachtung des politschen Projektes der Vereinigten Staaten von Europa entgegen, daß heutzutage mehr denn je, jedenfalls mehr als in meinem bisherigen Leben, junge Menschen in Europa in großer Zahl ohne Grenzen leben -arbeiten, studieren,verreisen, Freundschaften pflegen-, also für sie de facto das "Vereinte Europa"exisitert und es dazu keines politisch-staatlichen Überbaues über die EU hinaus in Form eines föderariven Bundestaates, der Vereinigten Staaten von Europa bedarf?
Ich bin der Meinung, daß weder die EU als "Wirtschafts- und Finanzunion plus" noch das de facto grenzenlosen Leben vieler der jüngeren Menschen in Europa ein hinreichender Ersatz für die politische Idee der Vereinigten Staaten von Europa sein kann.
Was ist es denn letztlich, was europaweit die Menschen einigt, einigen sollte? Ist das die gemeinsame Währung, ist das ein europäisches Parlament oder sind das Grundwerte, Prinzipien wie ich sie vorab genannt haben? Gibt es nicht doch eine Chance, daß die Europäer heute mehr denn je erkennen, daß es letztendlich darum zu gehen hat, das Gemeinsame zu erkennen, sich dem Gemeinsamen verpflichtet zu füheln -Würde, Freiheit, Gleichheit- und zu erkennen, daß d i e s e Gemeinsamkeit heute mehr denn je im Inneren -und von Außen- bedroht ist und i h r e t w e g e n die Vereinigten Staaten von Europa gewollt werden sollten?
Ich meine, daß es an der Zeit ist, über dieses Europa zumindest wieder einmal öffentlcih und in allen europäischne Staaten zu diskutieren, und zwar nciht primär unter uns Alten, sondern in der jüngeren Generation.
Bezogen auf den Anlass für diese Überlegungen:
Völkermorde auszuschließen, Menschheitsverbrechen zu verhindern bzw. gegen diese zu agieren, den Frieden zu wahren, für die Ideale Freihiet, Gleichheit, Brüderlichkeit zu streiten, d a s durch die Vereinigten Staaten von Europa garantieren zu wollen, könnte das nicht d i e Motivation sein, die Verenigten Staaten von Europa wieder zu d e r politischen Idee in Europa zu machen? Dieses Bewußtsein wäre zudem die Basis, daß sich in der aktuellen Situation die Jugend in Europa in ener
g e m e i n s a m e n Bewegung gegen Antisemitismus, Rassimus, Fremdenfeindlichkeit zusammenfinden könnte?

Also,
Thomas Weigle,
ist es mehr als eine Utopie, darauf zu bauen, daß "die Jugend Europas" mehr als bisher, auch emotional, ihrer gemeinsamen Grundwerte wegen sich gemeinsam gegen Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit positioniern und dabei zugleich mehr denn je -oder jetzt wieder wie vor 6o-7o Jahren-erkennen, daß es dieser gemeinsamen Werte wegen der Vereinigen Staaten von Europa bedürfen könnte?

Diese idealistisch erscheinden Betrachtungen stehen in keinen Widerspruch zur Notwendigkeit, in Europa dem dramatisch wachsenden Gefälle im sozialen Status der Menschen- bis hin zur Erniedrigung der ng der Menschen zu enem menschenunwürdigen Leben- zu begegenen, im Gegenteil. Grundwerte wie Würde, wie Freiheit,wie Gleichheit werden eklatant verletzt, wenn Gesellschaften und Staaten in Europa diese menschenunwürdigen Erniedrigung teilnahmslos, tatenlos zur Kenntnis nehmen.

Thomas Weigle,
ich weiß nicht, ob eine Chance besteht, daß sich in diesem Sinne unter den jungen Menschen in Europa eine Diskussion ergeben könnte oder sogar eine neue euroäische Bewegung.
Ich weiß zudem nicht, ob es eine Chance gibt, daß die politischen, kulturellen Eliten bereit sein könnte, diese Idee aufzugreifen , um sie mit ihren Mitteln und Möglichkeiten zu unterstützen, zu fördern.

Wir "eiern" vermutlich politsich weiterhin herum, streiten über den Euro. über Griechenland, über Russland, über die Ukraine, über Rechtsradikale in Deutschland, in Frankreich, in ……, über TTIP, über NSA und BND, über Resolutionen des Eurparates gegen Menschenrecchtsverletzungen, über Rassismus, über Antisemitimus, über Fremdenfeindlichkeit o h n e Orientierung, die gefudnen werden könnte in der Besinnung auf gemeinsame europäischen Grundwerte -Würde, Freiheit, Gleichheit- und die gewährleistet, die gesichert werden könnte in den Vereinigten Staaten von Europa .

Helmut Weigle,
zur Erinnerung an die europäische Empathie in den 195oer/196o er Jahren ergänzend zu dem, was Du ausgeführt hast:
Wenn Du 'mal via Internet die "Seite Stadt Castrop-Rauxel" aufsuchst, kannst Du anhand dieser mittelgroßen Ruhrgebietsstgadt nachlesen, wie positiv es dort um die Menschen bestellt war, wenn es um Europa ging.
1950 gab es dort einen Volksentscheid. Gefragt waren die Bürger -in freier, geheimer Wahl-, ob sie für die Vereinigten Staaten von Europa seien, und zwar unter Aufgabe der eigenen staatlichen Selbsttändigkeit Deutschlands. Die Wahlbeteiligung betrug 74 %. Dafür gestimmt haben 96 % der Wahlbeteiligten.
Deshalb und wegen einer intensiven Pflege von Städtepartnerschaften erhielt die Stadt CAS-R 1962 per Beschuß des Europarates den Ehrentitel "Gemeinde Europas" und für ihr europäischen Engagement 1979 den Th.Heuss-Preis der gleichnamigen Stiftung in der Münchener Residenz mit H.D.Genscher als Festredner.
Das alles war nur möglich, weil die Menschen in CAS-R zu europäischne Idee standen, weil sie von ihr überzeugt waren, nicht nur die Politiker der Stadt.
Nostalgie?
Ja,
weil die Zeiten andere waren -sh.das von Dir angesprochen Miterleben des II.Weltkrieges, sh. das seinerzeit allmählichn wachsende Bewußtsein der Menschen vom Holocaust, sh. das daraus reslutierenden " Nie wieder" in Sachen Krieg, in Sachen Antisemitismus, Rassismus und die Einsicht, diesem "Nie wieder"am besten in einem Vereinten Europa gerecht werden zu können.
Nostalgie?
Nein, weil das "Nie wieder" in Sachen Krieg, in Sachen Antisemitismus, in Sachen Fremdenfeinlichkeit heuter mehr als in den letzten 7o Jahren in Europa gefährdet ist.

Thomas Weigle,
gut, da stimme ich zu, daß wir darüber bei den Ruhrbaronen diskutieren können.
Nur bewirken werden wir allein damit in der Gesellschaft nichts..

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Walter Stach wir können zumindest hier bei ruhrbarons unsere Argumente schärfen, verbessern für Diskussionen in unserem unmittelbarem Umfeld,privat oder beruflich. Zu große Erwartungen an unsere "Wirksamkeit", an die Logik unserer Argumente, produziert nur Enttäuschungen und Resignation.
Dem was du beschreibst, an Bedenken formulierst, sehe ich ähnlich, wir leben in für ein vereintes Europa ungünstigen Zeiten. Dies ist für mich die größte politische Enttäuschung der letzten Jahrzehnte.
In einem Punkt allerdings möchte ich mich etwas korrigieren. Ich schrieb weiter oben, dass wir genug zu tun haben, unsere eigene Geschichte aufzuarbeiten und nicht auf andere schauen sollen.
Gemessen an dem, wie zum Beispiel die SU/Russland mit ihrer Geschichte des Marxismus/Leninismus/Stalinismus umgeht, oder China mit den Verbrechen des Maoismus, da hat bei uns was die historische Aufarbeitung angeht, ein wahrer Aufklärungssturm stattgefunden, selbst die juristische Aufarbeitung bei uns, die wir zu Recht als skandalös bezeichnen, ist Welten von der in diesen Ländern entfernt. Wir sprechen in beiden Fällen von Opferzahlen, die an die des gesamten 2. Weltkrieges heranreichen. Beide Staaten werden gute Gründe haben, dass sie ihre Archive weitgehend verschlossen halten. Gerade die angelsächsischen Geschichtswissenschaftler weisen in ihren Werken auf die große Bereitschaft deutscher Archive und Universitäten hin, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Das entbindet uns allerdings nicht von der Pflicht, gerade beim Antisemitismus hartnäckig am Ball zu bleiben.
Und nun ein etwas flapsiger Schluss. Wenn es tatsächlich so ist, wie Du an anderer Stelle schreibst, dass viele Fußballfans Barca gegen Bayern die Daumen drücken, steht es vielleicht doch nicht so schlecht um den europäischen Gedanken bei uns. Oder doch nur antibayerische Vorurteile?

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
1.
ich habe im 3.Absatz meines Beitrages -26- auf das "real -existierende Leben ohne Grenzen" im heutigen Euroa hingewiesen, vor allem für "junge Leute" und auf die daraus resultierenden europaumfassenden Interessen kultureller, sportlicher Art eine bemerkenswert großen Zahl jüngerer Menschen einschließlich ihrer grenzenlosen beruflichen Aktivitäten.
Dazu paßt , daß wir Fußballfans uns mittlerweile in den europäischen Ligen fast ebenso gut auskennen wie in der Bundesliga, daß wir Lieblingsvereine in ganz Europa haben, daß dann und wann eben nicht mehr a priori dem Bundesligisten die Daumen gedrückt werden, sondern gelegentlich einem Verein aus einem anderen euorpäischen Land, z.B. Barca.

Insofern ist Dein abschließender Hinweis kein flapsiger Schluss, sondern ein Hinweis auf ein die nationalen Grenzen sprengendes europäisches Fan-Interesse im Fußballsport -"auf ein euroäisches Bewußtsein"?
Das wiederum zwingt mich dazu, selbstkritisch zu fragen, ob diese Realität im Kontext mit den übrigen europaweiten Interessen und Engagements junger Leute -aber auch Älterer!!- nicht letztendlich und auf die Dauer zu den von mir gewünschten Vereinigten Staaten von Europa führen wird, ohne daß es dafür der Besinnung auf gemeinsamen Grundwerte der Menschen in Europa bedarf, also eines "ideologischen Überbaues". Ich lasse diese Frage 'mal so unbeantwortet "im Raum stehen".

2.
Thomas Weigle,
daß wir mit unseren Überlegungen

" Wider die Menschheitsverbrechen, wider den Antisemitismus, wider die Fremdenfeindlichkeit, für "Würde, Freiheit, Gleichheit aller Menschen ( eben auch für die Flüchtlnge, die nach Eurpa kommen bzw. kommen wollen) und mit der sich darauf beziehenhenden Frage, ob h i e r nicht die Basis für die gemeinsame politische Kultur aller Euroäer zu liegen hat, ob es mehr denn je geboten sein könnte, daß sich alle Europäer dieser gemeinsamen Basis bewußt werden, daß daraus reslutierenden die Idee von den Verenigten Staaten von Europa neue Impulise bekommen könnte,

nicht in die Ecke "idealistischer Einzelgänger" gehören, sondern Teil einer aktuellen, m.E. be- und nachdenkenswerten eurpaweiten Debatte sind, zeigen folgende Zitate:

a.)
"Kant schlägt einen "Kosmopolismus" als Leitprinzip vor, um Menschen vor Krieg zu schützen und gleichsam ein Recht zu etablieren, das moralisch auf dem Prinzip universeller Gastfreundschaft zu begrüden wäre."

b.)
"Das normative Ideal des Aufklärungskonzeptes des Kosmopolismus ist das Streben nach einer perfekten Zivilunion der Menschen".

c.)
"Die jüngsten Tragödien an den Küsten Europas signalisieren wiederum ein Scheitern der Aufklärung und deren Prämissen "Menschlichkeit" und "Humanismus". Erneut sind wir Zeugen einer Krise der europäischen Ambitionen, der Garant fü globale Gerechtigkeit , Menschenrechte und Demokratie zu sein".

-Einschub meinerseits:
Wenn Europa tausende Flüchtlinge auf dem Mittelmeer sterben ,in ihren Heimtländer verhungern oder den Mordorgien in ihren Heimatländern tatenlos zusieht, kann das Anlaß sein, den Begriff "Menschheitsverbrechen" auf uns Europäern zu beziehen?-

d.)
"Die jüngsten Schiffsunglücke im Mittelmeer sind eine grausige Erinnerung daran, daß im postkolonialen Europa nicht nujr Geflüchtete, sondern die Aufklärungsideale selbst in Gefahr sind".

-Einschub meinerseits:
Vielleicht hätte es im letzten Zitat richtigerweise lauten sollen: ….die Aufklärungsideale wieder einmal selbt in Gefahr sind, wie so oft in der jüngeren deutschen und euroäischne Geschichte"-.

Die Zitate habe ich einem Essay in der TAZ entnommen -TAZ.DIE TAGESZEITUNG vom 5.5.2o15, S.17, GESELLSCHAFT + KULTUR; http://www.taz.de (kultur@taz.de) unter der Überschrift "Die Aufklärung vor den Europäern retten" von Nikita Dhawan.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@ Walter Stach Ich kann Dir und auch der TAZ nur zustimmen. Was den Fußball angeht, so gab es ja den EC und die UEFA vor den Römischen Verträgen und er hat einiges zur Überwindung von Grenzen und Vorurteilen beigetragen und auch zur Rückkehr des DFB und der Bundesrepublik in die Völkergemeinschaft beigetragen.

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