Ein unwichtiger Ketzer im Vorfeld des Papstbesuchs

Rolf Schwanitz - Foto: Seeheimer Kreis
Ach, eine Frage: kennen Sie Rolf Schwanitz? Nicht? Macht nichts; denn: „So wichtig ist Herr Schwanitz nicht.“ So sagt es jedenfalls Wolfgang Thierse, und den kennen Sie ja. Gut so; denn der ist bekanntlich ja auch wichtig. Auf jeden Fall wichtiger als dieser Herr Schwanitz.

Nur für den Fall, dass Sie all seiner Unwichtigkeit zum Trotz Herrn Schwanitz doch ein wenig kennenlernen möchten, hier eine Kurzbeschreibung: Rolf Schwanitz ist seit 1990 SPD-Bundestagsabgeordneter, von 1998 bis 2005 war er in den Schröder-Regierungen Staatsminister im Bundeskanzleramt und anschließend von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt.
Schwanitz gehört dem Seeheimer Kreis an, also dem rechten Flügel der SPD. Letztes Jahr versuchte er die Gründung eines Arbeitskreises „Laizistinnen und Laizisten in der SPD“ zu initiieren. Der Parteivorstand verweigerte jedoch die Anerkennung als eine offizielle Gliederung innerhalb der SPD, so dass sich die Gruppe jetzt „laizistische Sozis“ nennt.
So weit, so unwichtig. Am Samstag ist jedoch über RP Online bekannt geworden, dass Schwanitz die Papstrede am 22. September im Bundestag boykottieren wird, und an seine 146 SPD-Fraktionskollegen schriftlich appelliert hat, es ihm gleichzutun. Der Papst-Auftritt sei mit dem „Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates unvereinbar“. Der Bundestag werde als „schmückendes Beiwerk missbraucht“.
Der Papst sei der „letzte absolute Monarch“ in Europa und trage mit seinen Auffassungen, etwa zu Frauenrechten und Empfängnisverhütung, die Mitschuld „an der bisher global nicht gestoppten Aids-Epidemie sowie an der Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung von Millionen Menschen“.
Joseph Ratzinger, wie der Papst als deutscher Staatsbürger heißt, wird dem Protokoll zufolge am 22. September als ausländisches Staatsoberhaupt im Bundestag reden. Doch selbstverständlich spricht Ratzinger als Oberhaupt der katholischen Kirche. „Keine angenehme Organisation“, wie Stefan Laurin hier bereits im Dezember darlegte:
„Wäre sie eine Partei, sie wäre in Deutschland verboten. Frauen und Schwule werden aufs Übelste diskriminiert. Verbrecher in den eigenen Reihen solange geschützt wie es geht – ob Mafia-Kontakte oder Kinderschänder – man pocht erst einmal auf die eigene Gerichtsbarkeit. Das tut jede Räuberbande auch.“
Zurück zu Rolf Schwanitz, der nun gerade nicht verlangt hatte, gegen Herrn Dr. Ratzinger wegen seiner weithin bekannten Verfehlungen strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen und wegen der in diesem Fall offenkundig bestehenden Fluchtgefahr Untersuchungshaft anzuordnen.
Sondern der einfach nur bekundet hatte, mit der Einladung des Deutschen Bundestags an diesen Herrn nicht einverstanden zu sein, deshalb dieser Veranstaltung fernbleiben zu wollen, und seine Fraktionskollegen gebeten hatte, es genauso zu halten.
Wer weiß, ob Schwanitz auf Gnade gehofft hatte? Wenn ja, es wäre eine trügerische Hoffnung gewesen. Der fromme Herr Thierse erklärte, wie gesagt, Schwanitz sei „nicht so wichtig“ – dem Kölner Domradio. Sozialdemokratische Gefühlsduselei oder christliches Menschenbild, alle Menschen seien gleich wichtig: kein Gedanke. Schwanitz ist es jedenfalls nicht.
SPD-Chef Sigmar Gabriel ist, so lesen wir es im Hamburger Abendblatt, schon ganz „gespannt auf den Papst“. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lehnt Schwanitz´ Initiative ebenfalls ab. Sein Geschäftsführer Thomas Oppermann ist über Schwanitz´ Brief „unglücklich“, weshalb er eine Diskussion darüber in der Fraktionssitzung verhindert  hatte. Der „Bild am Sonntag“ erklärte er unterdessen, er freue sich auf die Rede des Papstes.
Bei der politischen Konkurrenz ist Gottes Welt ohnehin in Ordnung. Bei den Grünen, wo es ebenfalls vereinzelt kritische Stimmen gegen den Papstbesuch gegeben hatte, klärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Situation. Bei den Linken freut sich Dietmar Bartsch auf den Staatsgast. Und bei der Christenunion heißt es sowieso: „Feuer frei!“
Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer bezeichnete Schwanitz´ Boykottaufruf als „weltfremd und kirchenfeindlich“. Und Hermann Kues, Vorsitzender des Kardinal-Höffner-Kreises, eines Zusammenschlusses christlicher Politiker, ist „schockiert über so viel Ignoranz und Verblendung.“
Ignoranz und Verblendung fangen schon da an, wo Schwanitz einen „Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates“ konstruiert. Man betrachte den Artikel 4 des Grundgesetzes: „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“
Gerade auch im Bundestag! Insbesondere wenn der Papst kommt. „Freiheit des Glaubens“ heißt es, nicht etwa Freiheit des Unglaubens. Und Gotteslästerung steht unter Strafe, in § 166 des Strafgesetzbuches. Der Scheiterhaufen für Ketzer ist abgeschafft. Einstweilen. Solange die Bildzeitung mit denen fertig wird. Wir sind Papst. Noch. Wenn der Heilige Vater marschiert, werden die Reihen … – Stopp! Zu gefährlich.

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[…] SPD-Chef Sigmar Gabriel ist, so lesen wir es im Hamburger Abendblatt, schon ganz „gespannt auf den… GA_googleFillSlot("468x60_chameleon"); […]

Mir
Mir
13 Jahre zuvor

Etwas Glamour, ein Eklat, ein Hauch Empörung würde etwas Leichtigkeit in das Parlament bringen. Der Verpackungskünstler Christo durfte eine Rede halten. Ist ja nur eine einzige Rede. Also, erst anhören, dann kritisieren.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

@Mir,
sehe ich ähnlich.
Der katholische Oberpriester hat eine ähnliche Funktion wie der Dalei Lama.
Der war auch im Bundestag, hatte allerdings keine Rede gehalten, weil „man“ Angst vor dem chinesischen Protest hatte. Man nahm außenpolitische Rücksichten.
Und, frage ich mich, hat mir das Auftreten des Dalai Lamas im Bundestag geschadet?
Vermutlich nicht.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

@ MIR
Was hat diese bieder kostümierte Papst mit Glamour zu tun? Aber er ist auf seine Art ein Verpackungskünstler, das ist keine Frage 😉

@ Helmut Junge

Dieser Papst hat schon einer Menge Leuten Schaden zugefügt. Unschädlich mag seine Rede für den Bundestag sein, er selbst ist es auf keinen Fall.

aps
aps
10 Jahre zuvor

auch ich musste den r. schwanitz, weil anstandslos, als schlechten menschen kennen lernen.

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