23.01.2025, auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv: Etwas abgehetzt kommen wir nach unserem japanischen Abendessen beim ausgemachten Treffpunkt der Pub Crawl an. Wir sind überrascht: Der Tourismus ist, nach dem 7. Oktober 2023, in Israel noch nicht so richtig in Fahrt gekommen. Bei der spontanen Anmeldung über die Get-Your-Guide-App hatte ich mit wenigen Teilnehmern gerechnet: Etwa 25 Menschen wollen mit Guide Royee das Nachtleben in Tel Aviv erleben. Fast die Hälfte davon sind Menschen aus Tel Aviv, die zweite Überraschung für mich.
Wenige Gehminuten von unserem Treffpunkt entfernt ist die Nahalat-Binyamin-Straße. Zwei Tage zuvor wurden hier vier Israelis bei einem Anschlag verletzt. Der Terrorist wurde glücklicherweise schnell eliminiert. Der gerade zurückliegende Terroranschlag ist hier kein Thema. Man lebt mit dem Terror.
Unser Guide Royee stellt sich und das Programm gegen 22:30 Uhr vor. Vier Locations, jeweils gibt es einen Shot für jeden Teilnehmer. In den ersten drei Locations verbleiben wir jeweils 30 Minuten. Bei der letzten Location gilt „Open End“. In Anbetracht des Preises für die Tour, circa 20 Euro, ein lukratives Angebot.
Wir machen uns auf den Weg zu unserer ersten Location, dem Bavel. Unterwegs knüpfen wir erste Kontakte zu anderen Teilnehmern der Pub Crawl: Aus England, USA, Indien und Israel. Neben meiner Freundin und mir ist noch ein weiterer Teilnehmer aus Deutschland anwesend.
Ich komme mit Kfir, einem Israeli aus Tel Aviv, ins Gespräch über seine Motivation, als „Nicht-Tourist“ an dieser Tour teilzunehmen: Er hatte Langeweile, wollte nicht alleine trinken und hat deshalb spontan diese Tour gebucht.
Wir erreichen das Bavel: Royee teilt uns mit, wann wir uns wieder vor dem Laden treffen. Unsere Taschen werden kontrolliert und unsere Körper werden abgetastet: Normal in Tel Aviv. Sicherheit geht hier vor. Wir gehen eine Treppe runter, Funk & Soul ertönt aus den Boxen, der Laden ist gut gefüllt. Das Ambiente ist ansprechend. Ein Junggesellinnenabschied findet gerade statt. Wir bekommen relativ schnell unsere Shots, genießen die Atmosphäre und machen uns 30 Minuten später auf den weg nach Draußen.
Erste Grüppchen haben sich in der Gruppe gebildet. Man zieht weiter zum Jimmy Who?. Dieser Club liegt direkt an der Nahalat-Binyamin-Straße, wo wenige Tage zuvor der Anschlag stattgefunden hat. Ich habe ein paar Fragen an den Anbieter der Tour und bekomme Antworten:
Ruhrbarone: Seit wann gibt es diese Touren?
Pub Crawl: Seit Juli 2017.
Ruhrbarone: Wer nimmt an diesen Touren teil?
Pub Crawl: Touristen und Israelis. Ich glaube, die Touristen machen mit, um das Nachtleben zu entdecken und zu erleben, und die Israelis machen mit, weil es auch Spaß macht, Leute aus der ganzen Welt zu treffen, und sie machen insgesamt mit, weil es Spaß macht und ein gutes Angebot ist.
Ruhrbarone: Wie hat der 7. Oktober 2023 die Touren beeinflusst?
Pub Crawl: Es hat sich auf die Touren ausgewirkt, weil die Bars nach der Tragödie etwa einen Monat lang geschlossen waren, so dass wir ein paar Wochen lang nicht gearbeitet haben. Bis die Nachfrage wieder da war und wir beschlossen, sie wieder einzurichten, um den Leuten zu helfen, neue Leute zu treffen und aus dem Haus zu kommen. Außerdem sind seit dem 7. Oktober viel weniger Touristen hier, so dass auch weniger Touristen an der Tour teilnehmen als vorher.
Ruhrbarone: Welchen Einfluss hat der Kampf gegen den Terror und das Ausbleiben des Tourismus?
Pub Crawl: Es hat eine große Auswirkung, weil es weniger Flüge und weniger Touristen gibt.
Auch hier wieder Sicherheitskontrollen. Technosound erschallt aus den Lautsprechern, es ist eher dunkel. Es gibt einen Raucherraum und einen Shop, in dem man Zigaretten, Handschellen, Vibratoren, Reizwäsche und andere praktische Utensilien für das weitere Nachtleben erwerben kann. Wir bekommen unsere Shots, ich nehme noch ein zusätzliches Bier zu mir, bevor es wieder weiter geht.
Durch den Hintereingang des Ladens verlassen wir diesen. Wir müssen etwas auf den Rest der Gruppe warten. Ich habe ein. paar Fragen an Kfir.
Ruhrbarone: Du bist aus Tel Aviv?
Kfir Menashe: Ja.
Ruhrbarone: Und du machst heute diese Tour?
Kfir Menashe: Ja, ich habe mich dazu angemeldet.
Ruhrbarone: Das erste Mal?
Kfir Menashe: Ja, das ist mein erstes Mal. Es ist Donnerstagabend. Ich hatte keine Pläne. Ich dachte mir, ich bleibe zu Hause oder unternehme etwas. Ja, das ist eine der verfügbaren Optionen. Also habe ich spontan diese Tour gebucht. Es war eine spontane Entscheidung.
Ruhrbarone: Und es gefällt dir?
Kfir Menashe: Ja, bis jetzt eigentlich schon, ja. Aber wegen der Leute, weißt du, ich habe einige Freunde getroffen und ich mag die Gruppe.
Ruhrbarone: Ist das Verlangen, wieder ausgehen zu wollen, auch eine Reaktion auf den Waffenstillstand mit den Terroristen?
Kfir Menashe: Ja, es scheint so, als gäbe es keinen Krieg. Aber ich weiß nicht, wie es aussehen wird, wenn der Krieg tatsächlich zu Ende ist. Ich glaube, man wird ein bisschen mehr sehen als das, was man jetzt sieht. Aber das ist normal. Das ist so, als ob es keinen Krieg gäbe, Sie werden dasselbe sehen. Das ist Tel Aviv, wenn es keinen Krieg gibt. Das ist nicht die Frontlinie. Man gewöhnt sich also an die Situation und lernt, damit zu leben. Man macht mit seiner normalen Routine weiter, alles, was man weiß, die meisten Arbeitsplätze sind zur normalen Routine zurückgekehrt. Man hat sich also an den Krieg gewöhnt. Und doch sieht es so aus, als ob man lebt, als ob der Krieg im Hintergrund ist. Im Hintergrund, und du lebst dein Leben weiter. Das ist es also, was wir im Moment sehen.
Ruhrbarone: Wirst du die Tour irgendwann noch mal wiederholen oder versuchst du es?
Kfir Menashe: Ich glaube, ich werde es sehen. Okay. Mir gefällt es soweit. Lass uns mal die anderen beiden Orte sehen. Hoffentlich werden sie so sein wie der erste und nicht so wie dieser. Ich bin eigentlich zufrieden.
Wir ziehen weiter zu einem Wohnhaus. Von außen ist kein „Club“ zu erkennen: Das ändert sich, als wir einige Treppen runtersteigen. Das Radio kann, wegen seiner Lage, praktischerweise auch als (wegen des Alkoholvorrates: attraktiver) Schutzraum fungieren. Es läuft 90er Musik, Dance Floor.
Die Musik und die Lautstärke sind für uns angenehm. Nach unseren Shots genehmigen wir uns noch einen Campari mit Orangensaft – und sind nicht unglücklich, dass wir im Radio etwas länger als in den ersten Clubs geblieben sind. Meine Freundin und ich überlegen spontan – am Mittwoch müssen wir um 3:00 Uhr morgens am Ben-Gurion-Flughafen für unseren Rückflug nach Deutschland aufschlagen – ob wir in der letzten Nacht nochmals diesen Laden, nur zur Überbrückung bis zum Flughafentransfer, nochmals aufzusuchen.
Es geht weiter: Das Lima Lima auf der Lilienblum-Straße ist die letzte Location für diesen Abend – leider: Im vorletzten Laden wären wir gerne länger geblieben, die letzte Station in dieser Nacht ist nicht wirklich unser Fall. Die anderen drei Locations und der günstige Preis des Events gleichen dies aber aus. Fazit: Wir werden die Pub Crawl, die besuchten Clubs variieren bei jeder Tour – bei unserem nächsten Tel-Aviv-Trip definitiv nochmals buchen.