Bärbel Bas wurde am 3. Mai 1968 in Walsum geboren. Nicht in Duisburg, da dieser Stadtteil erst seit 1975 ins Duisburger Stadtgebiet eingemeindet wurde und bis Ende 1974 zum Kreis Dinslaken gehörte. Eine Information, die ich noch vom Bau ihrer Website, vor über 20 Jahren, in Erinnerung habe. Jetzt ist sie nominiert für das zweithöchste Staatsamt. Schlecht ist das nicht. Ich habe gestern und heute einiges über ihre Vita gelesen. Ihre wirklichen Stärken gehen aus dieser, meiner Meinung, nicht hervor. Ein persönlicher Blick auf die zukünftige Bundestagspräsidentin.
Siegfried Ambrosius wäre extrem stolz gewesen
Was – sogar für mich – tragisch an der Nominierung von Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin ist, das ist das schlechte Timing. In die SPD eingetreten bin ich im September 1989. Als ich mit meinem ausgefüllten Aufnahmeantrag vor dem SPD-Büro in der Krummacherstraße in Duisburg stand, waren die Türen bereits verschlossen. Dann verließ ein großgewachsener Herr das Gebäude. Extrem erfreut, ein potenzielles neues Parteimitglied vor sich zu haben, nahm er meinen Aufnahmeantrag und legte ihn noch ins Büro. Dieser Genosse war Siegfried Ambrosius. Später erfuhr ich, dass er der Geschäftsführer der SPD Duisburg war. Kein unbedeutender Posten, der Unterbezirk Duisburg war zu diesen Zeiten einer der stärksten – wenn nicht der mitgliederstärkste, ganz genau weiß ich das aber nicht – in Deutschland. Siegfried, Ambrosius, späterer Ehemann von Bärbel Bas, ist vor fast genau einem Jahr verstorben.
Dass Siegfried Ambrosius ihren Weg ins zweithöchste Staatsamt nicht mehr begleitet: Das Timing des Schicksals war in diesem Falle ziemlich miserabel. Oder genauer gesagt: Es war absolut beschissen. Das ist der tragische Aspekt hinter diesem – gewaltigen – Sprung in der politischen Karriere.
Über ihre Vita wurde in diesen Tagen viel geschrieben. Der Besuch der Hauptschule wurde gestern bereits bei Kommentaren aus dem rechtsradikalen Spektrum auf Facebook thematisiert. Ihre Vita ist mehr oder weniger öffentlich.
Ich sehe ihre Nominierung äußerst positiv. Auch wenn ich seit 20 Jahren nicht mehr die SPD wähle, dies wohl auch in Zukunft nicht mehr tun werde und bei der Bundestagswahl 2021 – trotz des CDU-Kandidaten – mein Kreuz bei der CDU gemacht habe.
Ich habe Bärbel Bas erstmals auf einer Juso-Unterbezirksdeligiertenkonferenz im Jahre 1990 wahrgenommen. Irgendwann im Frühjahr, ich glaube in der Aula der Bertolt-Brecht-Kollegschule. Damals war noch Albert Stockebrand der Leiter dieser Schule und einer der einflussreichsten Sozialdemokraten im Ruhrgebiet. Wenn nicht darüber hinaus. Auf dieser Konferenz wurde sie zur Vorsitzenden der Jusos in Duisburg gewählt. Wem ich damals meine Stimme gegeben habe: Ich weiß es nicht mehr.
Frischer Wind – vielleicht auch in Berlin
Was ich aber noch bestens in Erinnerung habe, ist der „frische Wind“ der durch Bärbel Bas plötzlich zu spüren war. Die Jusos in der SPD Wanheimerort, meinem damaligen Ortsverein, trafen sich damals zweiwöchentlich – am Dienstag – in einem Veranstaltungsraum des AEG-Kabelwerkes auf der Wanheimer Straße. Relativ kurz nach ihrer Wahl schlug Bärbel Bas bei einem dieser Treffen auf und nahm sich sehr viel Zeit um mit uns über unsere Arbeit im Stadtteil zu sprechen. Zweimal in Folge. Vielleicht ihre größte Stärke: Sie kann zuhören und arbeitet sehr lösungsorientiert. Erneut aufgefallen ist mir dies vor wenigen Monaten, bei einem Abendessen der SPD Wanheimerort zu dem auch Gäste geladen waren, als sie die Fragen meiner Freundin zu allen möglichen politischen Themen detailliert beantwortete und sich das nahm, was man als Mitglied des Bundestages in Wahlkampfzeiten kaum hat: Richtig viel Zeit, bis sie irgendwann auf ihrer Harley nach Hause eilte.
Islamischer Extremismus und der Nahe Osten
Am 2. August 1990 marschierten irakische Truppen in Kuwait ein. In Folge auf diese Aggression fanden sich die alliierte Truppen, unter Führung der USA, in Saudi-Arabien ein. Das Ultimatum an Saddam Hussein zur Räumung Kuwaits endete Mitte Januar 1991. In der Woche darauf, der „Desert Storm“ lief bereits, hatten die Jusos in Wanheimerort eine offene Mitgliederversammlung zu diesem Thema. Referent zum Themenkomplex „Naher Osten / Iran / Irak / Israel“ war Frank Noroschat – damals ebenfalls im Juso-UB-Vorstand, vor einigen Jahren verstorben – ein Experte auf diesem Gebiet. Unser üblicher Versammlungsort war an diesem Tag wegen einer anderen Veranstaltung gesperrt. Wir, die Jusos in Wanheimerort, überlegten deshalb, das Event ins Wohnzimmer meiner Eltern zu verlagern. Eher ungewöhnlich bei einem Event, das in der lokalen Presse kommuniziert wurde. Bärbel Bas, die sich zu diesem Abend angekündigt hatte, sah dabei kein Problem. Ihre genauen Worte beim Eintritt ins Wohnzimmer waren irgendwas lapidares wie „heimiger als inner Kneipe“ – auch eine Art der freundlichen Begrüßung.
So fand sich die Juso-AG, weitere zwei oder drei Menschen die sich nur informieren wollten und die Bundestagspräsidentin in spe im Wohnzimmer meines Elternhauses ein. Wir mussten noch zusätzliche Stühle ranschaffen.
Basis der Veranstaltung war ein, gerade erschienenes, Buch von Pierre Salinger (ehemaliger Pressesprecher von John F. Kennedy): Krieg am Golf
Die Veranstaltung, die den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten und auch islamistischen Terror thematisch behandelte, war ihrer Zeit damals weit voraus. Was mit der Sachkenntnis des Referenten, der muslimische als auch jüdische Wurzeln hatte, zu tun hatte.
Bärbel Bas, die – wie alle anderen Beteiligten – den Nahost-Konflikt bis dahin nicht auf ihrer Wissensagenda hatte, hakte sehr oft nach. Torsten Steinke, heute Ratsherr in Duisburg, und Regina Dohmen waren zu dieser Zeit zusammen mit Michael Hofmann die „Lenker“ der Jusos in Wanheimerort – und 100% israelsolidarisch. Vielleicht sogar darüber hinaus. Üblich war das in diesen Tagen, in denen auf der Straße „Kein Blut für Öl“ skandiert wurde, nicht unbedingt.
Dass es demnächst eine deutsche Bundestagspräsidentin gibt, die das Thema Naher Osten und islamischer Extremismus seit über 30 Jahren zumindest im Blickfeld hat: Verkehrt kann das nicht sein. Glückwunschtelegramme an das Mullah-Regime in Teheran sind von Bärbel Bas kaum zu befürchten.
Medienaffinität und kritischer Blick auf die Schattenseiten des WWW
Sieben Jahre später, nach einer längeren Abwesenheit aus Duisburg, haben sich die Wege von Bärbel Bas und mir erneut gekreuzt. Der SPD-Unterbezirk Duisburg war, was die neuen Medien betrifft, seiner Zeit voraus. Joachim Franz, hauptamtlicher Genosse in der Krummacher Straße (und seit einem Monat in Rente) hatte den Unterbezirk – als ersten bundesweit – ins damalige Neuland Internet gebracht. Und Themen wie „Internet und Sicherheit“ auf der Agenda. Die Idee von Joachim Franz und Ibrahim Yetim, heute für die SPD im Landtag von NRW, zur Kommunalwahl mit eine interaktiven Information zur SPD Duisburg und ihren Positionen bei jungen Wählern zu punkten, sie wurde auch von Bärbel Bas, damals Mitglied im Unterbezirksvorstand der SPD Duisburg, verfolgt und gefördert.
Zu dieser Zeit entstand auch ihre Website. BaerbelBas.de wurde, in mehreren abendlichen/nächtlichen Sitzungen mit Bärbel Bas, in meinem damaligen Arbeitszimmer erstellt. Chaotische Arbeitsatmosphäre, zu viele Zigaretten und Unmengen an Kaffee waren bei Arbeiten dieser Art für mich die Regel: Bärbel Bas verzog keine Miene. Fütterte mich mit Inhalten, die auf ihrer Website wichtig waren – Frauenfußball und der FC Taxi sowie ihr gewerkschaftliches Engagement sind mir dabei als Stichwörter bis heute in guter Erinnerung geblieben. Bei diesen Sitzungen, dürfte Bärbel Bas vermutlich auch alle damaligen Kniffe über Suchmaschinenoptimierung von mir angehört haben, was im Zusammenspiel mit dem verrauchten Arbeitszimmer und permanenten Kaffeegeruch für eine außerordentliche Leidensfähigkeit spricht. Medienpolitisch war ich zu dieser Zeit ein klarer Gegner der Positionen von Kurt Beck. Einer der Gründe für meinen SPD-Austritt im Jahre 2002. Mit Bärbel Bas – und Siegfried Ambrosius – verbinde ich dazu interessante Diskussionen und gute Gespräche.
Vielleicht ist dies auch einfach Ergebnis ihrer angenehmen Art der Toleranz.
Klare Kante gegen Extremismus und Populismus, die erwarte ich von ihr. Es würde mich wundern wenn es anders kommt.
Ich bin kein Fan der meisten sozialdemokratischen Positionen auf Bundesebene und politisch so liberal, dass ich oft reaktionär wirke.
Dass man trotz politischer Differenzen – dass ich seit Jahren FDP, CDU oder DIE PARTEI angekreuzt habe ist kein Geheimnis – mit ihr politisch diskutieren und Lösungen finden kann, das ist neben Medienaffinität und politischer Sachkenntnis der größte Pluspunkt.
Als Duisburger freue ich mich auf diese – nicht irgendeine – Bundestagspräsidentin aus Duisburg.
Danke für diesen biographisch gefärbten Artikel – ist ein toller Werdegang:
Ich hoffe, hoffe nur, dass sich die Ruhrgebiets SPD in der Koalition nicht mit so einem unwichtigen Posten abspeisen lässt.
Duisburg und das Ruhrgebiet brauchen einen Staatssekretär im Verkehrsministerium, kein Bundestagspräsidentenamt.
@ Peter Ansmann:
Dass ist eine schöne Geschichte einer Ruhrgebiets-SPD-Karriere. Äußerst anrührend! Und bestimmt wird die gute Frau auch "Klare Kante gegen Extremismus und Populismus" zeigen. Das können alle Sozialdemokraten gleich welchen Chromosomensatzes sehr gut. Obwohl ich mir mit dem Populismus da nicht ganz so sicher wäre …
@ Philipp
Warum braucht das Ruhrgebiet nur einen Staatssekretär im Verkehrsministerium? Allein der Vergleich mit den bayerischen Autobahnen zeigt, daß es schon der Verkehrsminister selbst sein müßte!
Allerdings fällt mir unter den ganzen Ruhrgebietsapparatschicks der SPD niemand ein, der sowohl das Format als die Kaltschnäuzigkeit für den Job hätte.
(Andy Scheuer hat sein fehlendes Format zumindest durch bayerische Klientelpolitik ausgeglichen!)
@Schüler Senecas
Den Grund hast du im letzten Absatz selbst genannt 😉
Aber mal im Ernst: Derlei Infrastrukturprojekte müssen nicht mit Brachialrhetorik flankiert werden – es reicht wenn die Gelder fließen. Und dafür brauchts einen klugen und gut vernetzten Staatssekretär, der das im Hintergrund veranlasst.
Meinen ganz herzlichen Glückwunsch an Sie, Frau Bas!
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Bundestagspräsidentin………
Sehr erfreulich für Sie, erfreulich für die SPD im Bund, in NRW, in Duisburg, in…;. -nicht nur, aber für mich nicht zuletzt mit Blick auf Ihren politisch-beruflichen Werdeganges.
PS
Mir scheint jedoch, daß Amt und Funktion der Bundestagspräsidentin mit Blick auf den realen politischen Betrieb in Deutschland , mit Blick auf politische Gestaltungsmacht derzeit medial "etwas " überbewertet werden -bei allem Respekt gegenüber der Amtsführung durch ihren Vorgängern/Vorgängerinnen wie Süßmuth, Lammert, Schäuble und gegenüber Frau Bas.
.
U.a. deshalb halte ich es als Sozi auch machtpolitisch für sinnvoll und geboten, daß nicht Mützenich, sondern Bas Präsidentin werden wird und Mützenich Vorsitziender der SPD-Bundestagsfraktion bleibt. Ein " Job", dessen Bedeutung in einer Dreierkoalition nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. und M. bewiesen hat, wie gut er in diesem Job zu arbeiten weiß.
Von Annemarie Renger bis Bärbel Bas.
Ich hatte unter -5- (PS im ersten Absatz) in der "Ahnengalerie" der angehenden Präsidentin Bas vergessen, Annemarie Renger zu erwähnen.. "Meine Genossin" Renger war in den 197oer Jahren die erste Frau im Präsidentenamt -oder irre ich mich?. Auch insofern ist die anstehende Wahl der Sozialdemokratin Bas für diese und die SPD ein außergewöhnlich erfreuliches Ereignis!.
Das zweithöchste Amt in der Bundesrepublik wird an eine Frau vergeben die kaum jemand kennt und das nur weil sie eine Frau ist?
Unfassbar! Sowas gibt's auch nur in Deutschland!
#7:
"Das zweithöchste Amt in der Bundesrepublik wird an eine Frau vergeben die kaum jemand kennt und das nur weil sie eine Frau ist?"
Ihr Vorgänger hat das Amt ja auch nur bekommen weil er ein Mann ist, das geht also vermutlich in Ordnung.
#8
"…Ihr Vorgänger…"
Wäre besser, wenn der sich ganz aus der Politik heraus hielte.
#7 Enno
Frau, Sozi & Gewerkschaftler, Fußballerina und aus Duisburg. Du musst doch noch ein paar intersektionale Faktoren berücksichtigen 😉
Deutschland? Das ist doch bloß eine nationalistische Konstruktion, früher hiess so etwas Kopfgeburt. Es ist nur eine Provinz des www: worldwidewokistan.
Die Nominierung der Frau Bas ist mal wieder typisch pseudo-feministischer Populismus der Sozen. Wäre ihnen an einer wirklich ernsthaften Frauenförderung gelegen, hätten sie Karl Lauterbach mit dem wenig einflußreichen Posten des Bundestagspräsidenten kalt gestellt und eine kompetente Frau auf den ungleich wichtigeren Job der Fraktionsvorsitzenden gewählt.
@ Angelika, die usw.:
Soweit ich weiß, hat sich Norbert Lammert komplett aus der Politik zurückgezogen.
#11: Lammert hat den Job um den es geht schon 2017 an Schäuble abgegeben.
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