Eine Nanny namens Maurer

Die nordrhein-westfälische Linke bekommt für die anstehenden Koalitionsgespräche einen prominenten Helfer aus Berlin: Der erst am Wochenende wiedergewählte West-Beauftragte Ulrich Maurer wurde aus dem Bundesvorstand „auf unbestimmte Zeit“ nach Düsseldorf entsandt. Der Linke Bundestagsabgeordnete war langjähriger Chef des SPD-Landesverbandes und der Fraktion in Baden-Württemberg und gilt als strategischer Kopf der West-Erweiterung. Nun soll er bei den für Donnerstag mit SPD und Grünen anberaumtem Treffen im achtköpfigen Sondierungsteam der Linken sitzen.

Offenbar wächst nach dem Rostocker Bundesparteitag in der Linken die Entschlossenheit, im bevölkerungsreichsten Bundesland mitzuregieren. In dieser Woche soll die Basis der NRW-Linken wie in der Satzung verankert über die möglichen Sondierungen mit SPD und Grünen informiert werden, ein späterer Parteitag müsste Koalitionsverhandlungen zustimmen. Eine rot-rot-grüne Koalition ist neben einer vor allem von SPD-Genossen ungeliebten Großen Koalition die einzige Chance auf eine baldige Regierung an Rhein und Ruhr, nachdem die FDP Gespräche mit SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft und der Grünen Sylvia Löhrmann am Freitagabend endgültig abgesagt hatte. „Bei dem geplanten Sondierungsgespräch wolle sie sich einen Eindruck verschaffen, „wie glaubwürdig, demokratisch und seriös sich die Linkspartei aufstellt“, sagte die Vorsitzende Löhrmann.

Klar scheint aber auch zu sein, dass es keine Alibi-Gespräche werden. „Die SPD wird die Gespräche mit der Linken ernsthaft und seriös führen – so wie wir es auch der FDP angeboten haben“, sagt Axel Schäfer, Landesgruppenchef der NRW-SPD. Natürlich werde in den Gesprächen auch das das Geschichtsverständnis der Linksfraktion thematisiert. „Wir sind aber doch alle heute weiter als vor zwanzig Jahren“, so Schäfer.

Die neu gewählten Abgeordneten kämpfen gegen ihr Image als linksradikale Spinner. „Wir sind seit einer Woche im Landtag und haben am meisten auf die Beine gestellt“, sagt Rüdiger Sagel, der erst vor drei Jahren von den Grünen übergetreten ist. Die Linke hätte den Vorstand und die Geschäftsführung gewählt und ein Dringlichkeitsprogramm verabschiedet. „Von Chaos kann keine Rede sein“, so Sagel. Er widerspricht Gerüchten, in der Fraktion gebe es Gegner einer Koalition. „Wir haben vor und nach der Wahl einstimmig beschlossen, in Sondierungsgespräche einzutreten.“

Tatsächlich sind viele Mitglieder der Fraktion alte Bekannte der möglichen Koalitionsparteien. Landesvorsitzender Wolfgang Zimmermann ist Personalratschef in einem Krankenhaus und hat mit seines Betriebsgruppe mehrfach Ausflüge zu den Grünen im Landtag unternommen, der Bonner Jurist Michael Aggelidis war früher bei der SPD, andere bei den Grünen.

Für heftige Kritik sorgt vor allem die Mitgliedschaft vieler Abgeordneten in der Antikapitalistischen Linken (AKL). Diese Strömung wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als linksradikal. Ihr tatsächlicher Einfluss auf die künftige Landespolitik dürfte aber klein sein: Die Gruppe funktioniert wie eine Arbeitsgemeinschaft in der SPD wie eine Lobbygruppe für besonders marktkritische Politik. Einmal im Monat treffen sie sich und bereiten Anträge für kommende Parteitage vor. Zuletzt trafen sie sich bei Kaffee und Marmorkuchen und beschlossen weitere Privatisierungen von Stadtwerken zu stoppen. Jeder ist zu diesen Zusammenkünften zugelassen, meist kämen aber nur zwischen fünfzehn und zwanzig Leute, sagt ein AKL-Mitglied. Dennoch hat ihre häufig radikale Rhetorik hat schon viele Bildzeitungsseiten gefüllt. Aber auch dafür will Berlin Abhilfe schaffen: Die Pressearbeit der Linken in NRW wird künftig von der Bundeszentrale mit gesteuert. „Das lief bislang eher suboptimal“, heißt es aus dem Vorstand.

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Jens Kobler
14 Jahre zuvor

1. „Die neu gewählten Abgeordneten kämpfen gegen ihr Image als linksradikale Spinner. “ könnte ja mal denjenigen zu denken geben, die immer nur reaktionär bis realpolitisch denken können und diese Leute in genau diese Ecke gedrängt haben. Für Zwangsparanoiker: Das bedeutet natürlich, die Abgeordneten wollen möglichst viel umsetzen (harhar).
2. Nur weil Maurer kommt, heißt das noch lange nicht, dass Berlin/Maurer will, dass die Gespräche im Sinne einer Koalitionsbildung gelingen.
Und: Ich bin am Sonntag eh in Bottrop. 🙂

Oedipa Maas
Oedipa Maas
14 Jahre zuvor

„Zuletzt trafen sie sich bei Kaffee und Marmorkuchen und beschlossen weitere Privatisierungen von Stadtwerken zu stoppen.“

Schlimmschlimm, diese antisemitischen Stalinisten! Wo ist Gustav Noske, wenn man ihn braucht?

Paranoiker
Paranoiker
14 Jahre zuvor

Die Linken outen sich! Wollen den Wolf im Schafspelz spielen, lassen aber schon mal einen Maurer aus Berlin kommen.

Was soll der wohl tun?

strohmeier
14 Jahre zuvor

ich kenne Aggelidis eigentlich nur von der PDS, das mit der SPD ist mir neu.

Christian S.
14 Jahre zuvor

Ulrich Maurer ist ein harter Hund. Wenn der das in die Hand nimmt, dann kann Rot-Grün-Rot klappen.

trackback
14 Jahre zuvor

[…] Linke NRW: Hilfestellung aus Berlin … ruhrbarone […]

trackback

[…] Eine Nanny namens Maurer (Ruhrbarone) – Die Linkspartei auf Bundesebene schickt den West-Beauftragten Ulrich Maurer zu den Sondierungsgesprächen mit SPD und den Grünen. Soll er auf die NRW-Linken aufpassen? […]

Tacitus03
14 Jahre zuvor

@ Strohmeier: M. Aggelidis war kein Mitglied der PDS. Er saß schon 2005 im LaVo der WASG; war zunächst ein Weggefährte von z.B. Edith Bartelmus-Scholich (scharf-links.de) erfand dann aber den Pragmatismus für sich.

Maurer ist ja nun schon lange „Beauftragter Entwicklung West“; sofern in den vergangenen Jahren seine Hilfe von der Basis in NRW angeforderte wurde um grundlegende Defizite im Landesverband zu korrigieren – war Schweigen im Walde! Zum Teil dürfte seine Mission darin begründet sein, dass die LINKE unbedingt in NRW mitregiert. Zum anderen hat er gewiß eine Nanny-Rolle – dass, gerade im Moment, nichts oder nicht zuviel von dem ganzen unsäglichen Zustand der LINKEN.NRW nach oben kommt. Kaschieren ist das Gebot der Stunde! Dabei geht es weniger um (größtenteils lächerliche) Rote-Socken-Kampagnen sondern um Demokratie-Defizite von ganz unten nach ganz oben und der Rolle des Landesvorstandes, um kaderähnliche Verhaltensweisen, Strukturen und praktische Inhaltsleere der eigenen Satzung, gegen die wohl wöchentlich von oder mit Duldung von LaVo-Mitgliedern verstossen wird. Basisdemokratie und Transparenz – hohle Worte mit täglich gegenteiligen Aktionen. An der Basis brodelt es und die Ablenkungen und Anstrengungen dagegen spiralisieren sich bis in unglaubliche Dinge hinein…
Als Beispiel möchte ich mal auf ein Schreiben an Günter Blocks, Landesgeschäftsführer (Antworten stehen aus) der LINKEN.NRW verweisen. Zwar lang, aber schafft einen Überblick:
https://linkes-netzwerk-kreiskleve.de/downloads/offener-brief-an-guenter-blocksmai10.pdf

Und – keine Frage: U. Maurer ist bestens über alles informiert -schweigt dazu. Kopien des Schreibens sind an Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann gegangen, damit hinterher niemand sagen kann „wußten wir nicht…“

strohmeier
14 Jahre zuvor

Da ich 1989 ein relativ kurzes Gastspiel in der PDS NRW hatte, kenne ich Aggelidis von daher. Als Gründungsmitglied der WASG (Mitgliedsnummer 123) habe ich Agellidis auf den diversen Treffen dort wieder gesehen und natürlich seit der Fusion bei der Linken.

trackback

[…] diese Partei in NRW nicht regieren. Ich habe es nicht erwartet, dass die NRW-Linkspartei trotz Nanny Ulrich Maurer derart verstockt sein würde, aber nun gut. Es ist, wie es ist. Ob die Linkspartei-WählerInnen mit […]

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