Eine versteckte Intrige gegen SPD-Ypsilanti bleibt versteckt

Nun lege ich meine Lesebrille ab, stelle die Kaffeetasse an die Seite und berichte hier über ein Buch, ein politisches Buch, das Buch „Die Vier“ von Volker Zastrow, Politikchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ich habe das Buch gekauft, gelesen und weggelegt. Es geht um die vier abtrünnigen SPD-Abgeordneten, die sich im November 2008 weigerten, Andrea Ypsilanti mit den Linken zur hessischen Ministerpräsidentin zu wählen. Eine der großen politischen Affären der letzten zwanzig Jahre. Jetzt sind ein paar Tage vergangen, das Erfahrene ist verdaut. Und ich rate den Leuten ab, das Buch zu erwerben. Warum? Weil es in meinen Augen zu wenig taugt.

Das Buch „Die Vier“ ist schön geschrieben. Mit einem geübten, lakonischen Augenzwinkern. Wissend, nah dran, belesen und kenntnisreich.

Aber auf den ersten knapp 200 Seiten liest man vor allem Hass auf die Linkspartei. Und zwar allein aus der Perspektive der rechten SPD in Hessen. Das ermüdet auf Dauer. Auch wenn es mal interessant ist, zu erfahren, wie die SPD in Hessen so aufgebaut ist. Zastrow schreibt im Nachwort, er habe zunächst ein Heldenepos auf die vier Abtrünnigen schreiben wollen. Nun, das hat er gemacht. 200 EWIG QUÄLEND LAHME SEITEN LANG. Da wird beschrieben, wie die drei Frauen rauchen, wie sie einkaufen gehen, wie sie in die Sauna gehen und wie ihnen aber und aber und abermals Leute gratulieren, dass sie nicht die Linken wählen.

Gut, irgendwann hab auch ich das begriffen. Und nicht mehr lesen wollen. Ich wette, es gab auch etliche, die das doof fanden. Wahrscheinlich werden viele das Buch einfach weglegen.

Doch dann, irgendwann, so gefühlt auf Seite 250, merkt Zastrow, dass da eigentlich eine andere Geschichte zu entdecken ist. Die Geschichte einer Intrige. Wie nämlich der rechte SPD-Vordenker Walter seine Kontrahentin Ypsilanti eventuell mit Hilfe von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch ausschaltet. Und genau hier, wo es spannend wird, geht Zastrow nicht richtig in die Tiefe. Er kommt weit, keine Frage. Vielleicht weiter, als er jemals dachte oder irgendwer anders jemals gekommen wäre. Zum Beispiel beschreibt er sehr gut, wie Silke Tesch und Dagmar Metzger missbraucht werden, in ihrem naiven Glauben gegen Links. Und genau das ist das spannende. Hier wäre es wichtig, mehr zur Rolle von Koch zu erfahren, mehr zur Rolle von Walter zu erfahren. Mehr aus den staubigen Kulissen zu hören. Weiter zu gehen. Weiter, tiefer. Doch da kommt wenig.

Man merkt, dass die Ypsilanti-SPD nicht mit Zastrow geredet hat. Man merkt, dass ihm wesentliche Quellen fehlen – aus dem Umfeld von Koch etwa. Oder aus dem Kreis von Walter.

Zastrow hätte sein Buch umschreiben müssen. Er hätte die Heldengeschichte weglassen oder zumindest stark kürzen können. Aber er tat es nicht.

Vielleicht hat ihm die Zeit gefehlt, vielleicht die Lust. Vielleicht mochte er seine eigenen Worte so stark, dass er sie nicht löschen konnte.

Er tat es einfach nicht. Er hat den spannenden Teil hinter einer Wand Langeweile versteckt. Schade.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Rob Green
Rob Green
15 Jahre zuvor

Hallo,
ERST MAL DANKE AN DAVID SCHRAVEN fuer den SUPER-guten Artikel!!!

Ich wohne in San Francisco – bin Amerikaner und in Deutschland aufgewachsen. Und mein Herz schlaegt links. Ich hab Zastrows Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung frueher immer gern gelesen, hab die FAZ frueher wegen Zastrow gekauft. Aber mit dem Niedergang der FAZ (die ja unter extremem Auflagenverlust leidet und dem Kampf ums Ueberlebnen der Journalisten dort) ging ziemlich deutlich auch die Qualitaet der Artikel bei der FAZ in den Keller. Das ist an Volker Zastrow besonders deutlich zu spueren. Der Mann war frueher echt brilliant – heute ist er ein Schatten seiner selbst (leider!). Und das sowohl in seinen Artikeln in der FAZ als auch in dem neuen Buch, das ich natuerlich auch SOFORT bestellt und gelesen habe. Wenn ich es hier wahrheitsgemaess schreiben duerfte, wuerde ich zu dem Buch nur schreiben „Kotz, brech, wuerg…“ Damit waere alles gesagt zu Zastrows neuen „Werk“. Stikl-langweilig. Absolutely boring!!!
Blessings from Golden Gate
Rob

Werbung