Eine Welt ohne die USA (2) – wie die EU klare Kante zeigt 

Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj Foto: President Of Ukraine from Україна Lizenz: CC0

Die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als „Diktator ohne Wahlen“ bezeichnete, sind unverschämt und falsch, die Aussagen eines gekränkten infantilen Narzissten – so mutet es an. Trump warf Selenskyj vor, die USA in einen nicht gewinnbaren Krieg gezogen und amerikanische Steuerzahler um 350 Milliarden Dollar gebracht zu haben. Zudem kritisierte er, dass die USA 200 Milliarden Dollar mehr als europäische Staaten ausgegeben hätten.

Dieser Artikel ist der zweite Teil der Serie „Eine Welt ohne die USA“. Im ersten Teil ging es darum, wie sich die Trump-USA selbst aus der Weltpolitik zurückziehen, ihre globale Vormachtstellung verspielen und Washington zunehmend an Bedeutung verliert. Nun geht es um die Frage, welche strategischen Möglichkeiten Europa hat, sich in dieser neuen Weltordnung zu positionieren.

Europa muss seine Strategien zu überdenken; diplomatische und militärische. Nur eine klare Analyse der Optionen ermöglicht es der EU, im Konflikt mit den Trump-USA selbstbewusst aufzutreten und eigene Interessen zu wahren. Es gilt, Denkverbote abzulegen und alle möglichen Handlungswege in Betracht zu ziehen, um flexibel und souverän agieren zu können.

Polen ist ein Land, das dreimal geteilt wurde, ohne Verbündete, ohne Hoffnung – und jedes Mal zurückkehrte. Eine Nation, die weiß, dass es einfach ist, für seine Werte zu stehen, wenn man einen mächtigen Freund hat, aber dass es ehrenhafter ist, es ohne einen zu tun. Das ist eine Lektion, die in Westeuropa noch nicht gelernt wurde. Jahrzehntelang haben sich Staaten wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande auf die Sicherheit verlassen, die die USA boten. Europa darf aber nicht mehr davon ausgehen, dass Washington seine Sicherheitsgarantien aufrechterhält. Der militärischen Situation werden wir im dritten Teil nachgehen.

Ein diplomatisch-ökonomischer Aspekt betrifft die Energiepolitik. Die EU könnte ihre Abhängigkeit von US-amerikanischen Flüssigerdgasimporten reduzieren, indem sie Partnerschaften mit anderen Ländern wie Katar, Algerien oder Norwegen intensiviert. Im November 2024 importierten die EU-Mitgliedstaaten rund 2,7 Milliarden Kubikmeter LNG aus den USA. Eine Diversifizierung der Energiequellen würde nicht nur eine größere Unabhängigkeit schaffen, sondern könnte auch eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Washington ermöglichen.

Im Bereich Technologie und Handel verfügt Europa über Instrumente, um seine Interessen zu vertreten. Durch strengere Regulierungen für US-Technologiekonzerne kann die EU ihre digitale Souveränität erhöhen. Gleichzeitig könnte eine gezielte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen globalen Akteuren, wie beispielsweise China, neue Märkte erschließen und die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken. Allerdings ist eine Annäherung an China aufgrund der dortigen Menschenrechtslage ein riskantes Unterfangen. Dennoch sollten alle Optionen sorgfältig geprüft werden, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.

Europa steht an einem Punkt, an dem es sich entscheiden muss, nicht von den strategischen Launen der Trump-USA abhängig sein will und beginnen, sich eigenständ aufzustellen. Es braucht eine Neue Weltordnung, mit den USA, oder ohne sie – und mit dem Selbstbewusstsein eines der größten Wirtschafträume und westlichen Wertezentren überhaupt, der Wiege westlicher Werte – Europas.

Im nächsten Teil dieser Serie wird die militärische Dimension dieser Neuordnung beleuchtet. Welche europäischen Staaten sind in der Lage, ihre Sicherheit eigenständig zu gewährleisten? Wer investiert in seine Verteidigungsfähigkeiten, und wer verlässt sich weiterhin auf externe Schutzgarantien?

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