Nur eine Hinwendung zu einer kostenorientierten Angebotspolitik kann Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen lassen. Von unserem Gastautor Thomas Hüser.
Industriepolitik mit hohem staatlichem Anteil ist weltweit auf dem Vormarsch. Mit Übernahme der Präsidentschaft von Donald Trump wird sie in den kommenden Jahren noch von Zoll- und Handelsrestriktionen begleitet werden. Das MAGA-Motto (Make America Great Again) impliziert auch: Halte die globalen Wettbewerber an der kurzen Leine. Verenge die Räume für konkurrierende Mächte. Handelskriege und massive Wettbewerbsverzerrungen könnten die Folge sein. Es stellt sich die Frage, wie sich Deutschland in Zukunft als erfolgreiche, wie offene, wie soziale Volkswirtschaft in diesem globalen Rahmen neu erfinden soll. Bei allen weltweiten Subventions- und steuererleichterungswettbewerben sind die deutschen Mittel, wie z. B. Klimaschutzverträge, Transformationsbeihilfen oder Industriestrompreis zwar erst einmal positiv für den vorläufigen Erhalt der Industrien, aber langfristig gehen selbst dem Staat, wenn er denn eine einigermaßen solide Haushaltspolitik machen will, die Mittel aus.
Schuldenmachen aus Denkfaulheit
Erfolge wird es in diesem nachfrageorientierten Politikrahmen nur mit höheren Schulden geben. Öffentliches Geld wird knapper werden, die Ressourcen für Sozialmaßnahmen wie Rentenerhöhungen oder Bürgergeld belasten die ohnehin gebeutelten Steuerzahler zunehmend. Für langfristige Infrastrukturmaßnahmen und dringend notwendige Investitionen fehlt ohnehin schon heute Geld – und auch Mut. Vor dem Hintergrund der globalen wirtschaftlichen Entwicklung hängt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auch von den von den nationalen Rahmenbedingungen. Deren internationale Wettbewerbsfähigkeit kann nicht langfristiger mit staatlich gelenkter Subventionspolitik, sondern auch durch stetige Verbesserungen der Rahmenbedingungen gestärkt werden.
Big Government als Heilsversprechen mit bösem Erwachen
Machen wir uns nichts vor: Seit es Industrie gibt, gibt es Industriepolitik. Staaten haben immer wieder versucht, mit staatlichen Fördermaßnahmen Schlüsselindustrien und -technologien politisch zu entwickeln und zu fördern. Noch in den 1980er und 1990er-Jahren herrschte der Glaube an den freien Markt und eine zurückhaltende Rolle des Staates vor. Das ist lange vorbei. In den letzten Jahren hat sich ein Wandel hin zu Big Government vollzogen. Dies hat sich insbesondere im Kontext der Verschärfung der Beziehungen zwischen den globalen Mächten gezeigt. Alle Groß- und Regionalmächte nutzen vermehrt industriepolitische Instrumentarien als Mittel langfristig ausgelegter nationaler Machtpolitik. Die Re-Organisation der BRIC-Staaten ist ein Beispiel für diese Entwicklung. Viele industriepolitische Vorhaben von Staaten zielen darauf ab, Dominanz über zukünftige Schlüsselindustrien aufzubauen, um so wiederum die eigene Stellung in der globalen Machtkonstellation zu sichern. Chinas Rohstoffpolitik ist dafür das hervorstechendste Beispiel.
Subventionswettlauf in China, USA und Europa
Die chinesische Solarbranche wird hoch subventioniert, um ihre Panels in den globalen Märkten unter den Produktionskosten anzubieten. Die USA haben 2022 das „Inflation Reduction Act“ (IRA) verabschiedet, das hohe Subventionen für die Industrie zur Förderung von Renewables Elektrofahrzeuge oder Lithium-Batterien vorsieht. Die etwas schwachbrüstige Reaktion der EU war ein hektisch zusammen gestellter „Industrieplan“, der eine Aufweichung der EU-Regeln für Staatssubventionen und Mittel in Höhe von 270 Milliarden Euro für „grüne“ Projekte vorsieht. In nahezu jedem Mitgliedsstaat der EU sind unterschiedliche industriepolitische Programme für die produzierende Wirtschaft auf den Weg gebracht worden.
Deutschlands nächste Regierung muss neue Ideen für die Herausforderungen von Migration und demographischem Wandel finden. Diese gewaltigen Beschäftigungsherausforderungen sind nur mit einer klaren Wachstumspolitik, in der die Rahmenbedingungen günstige Produktion ermöglichen und Innovationen entstehen. Deshalb plädiere ich für eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.
Also, ganz einfach gesprochen: Runter mit den Kosten…
Kernelemente einer wachstumsfördernden Politik ist preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Bei Blick auf die Statistiken – und auch in die Budgets der Unternehmen in Deutschland – ist das Lohnkostenniveau wieder deutlich angestiegen. Dieser Kostentreiber wird gemeinsam mit den hohen Belastungen für Steuern und Abgaben – noch angetrieben durch hohe Energiekosten – zum offensichtlichen Nachteil im globalen Wettbewerb. Wir halten uns zwar noch an den Vorurteilen eines besonders hohen Qualifizierungsstandes, überdurchschnittlicher Innovationsfähigkeit und angeblich hoher Produktivität fest, stellen aber spätestens beim Studium der Pisa-Studie fest, dass das alles nicht stimmt.
Statt dauernd die Löhne in ritualisierten Tarifverhandlungen in die Höhe zu treiben, sollte eine smarte Bundesregierung für eine echte Angebotspolitik streiten, die Steuern und Sozialabgaben senkt, um den Arbeitnehmern höhere verfügbaren Einkommen möglich zu machen. In keinem anderen Land auf der Welt werden Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialbeiträge so belastet wie in Deutschland. Wer mehr netto in der Tasche hat, der fragt nicht dauernd nach Lohnerhöhungen. Unser Land liegt in Sachen Steuern und Abgaben OECD-weit mit an der Spitze – und ist gegen den Trend in anderen Ländern, die ihre Subventionspolitik mit entschlossenen Steuersenkungen flankieren, sogar gestiegen.
Hauptaspekt Beschäftigung: Qualifikation als Angebotsvorteil von Arbeitskräften
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist im Moment auf den Kopf gestellt. Trotz der Tartaren-Meldungen vom Niedergang bei ThyssenKrupp und VW: Wir haben einen Arbeitnehmermarkt. Alle großen Unternehmen kämpfen mit Schwierigkeiten bei der Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter. Die Erwerbsquote ist auf historische Höhen getrieben. Mehr als 45 Millionen Deutsche arbeiten. Die Gesellschaft hat kaum noch demographische Reserven und der Arbeitsmarkt für qualifizierte Kräfte droht zu überaltern.
Angebotspolitik 2.0 – Neue Mitte 2.0
Die letzte große Erneuerung der Angebotspolitik war die vom ehemaligen Kanzleramtsminister Bodo Hombach vorgedachte „Angebotspolitik von links“, das Politik-Konzept einer neuen Mitte, die Blaupause war für die Sozialreformen der Agenda 2010 von Gerhard Schröder. Die Situation heute ist zwar völlig anders als in den späten 90er Jahren. Die damalige Angebotspolitik stand noch vor den Herausforderungen einer wachsenden Arbeitslosigkeit, aber durch den klugen „Fördern und Fordern“ Ansatz der späteren Hartz-Reformen entwickelte die Wirtschaft nach vier Legislaturperioden Helmut Kohl neue Dynamik. Heute ist die Situation ähnlich. Die Ampel entpuppte sich als Merkel-Regime ohne Merkel. Durchwursteln, ohne dem Volk etwas zuzumuten, gerade in wirtschaftspolitischen Fragen, blieb das Credo. Das geht nun schon seit fast 20-Jahren so. Ein schleichender Abschied von der einstmals erfolgreichen Angebotspolitik (von links!) hin zu einer bürokratisierenden Big Government Policy, für die das Heizungsgesetz als jüngstes Beispiel pars pro toto genannt sei.
Freiheit und Teilhabe
Eine Politik zur Verbreiterung der ökonomischen Mitte, für mehr Teilhabe von Leistungsträgern und weniger Möglichkeiten zum passiven Genuss üppiger Sozialleistungen, zu formulieren, ist vielleicht die größte Aufgabe einer neuen Angebotspolitik für die nunmehr anbrechende zweite Hälfte der 2020er Jahre. Dabei geht es auch um die Renaissance des Wertefundaments der freien, sozialen Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft hatte ihren ethischen Fixpunkt in den Werten des Westens. Diese freiheitliche Wirtschaftsordnung mit sozialen Teilhabemöglichkeiten für alle ist ein kraftvolles Pfund im Systemwettbewerb mit autokratischen Systemen wie China. Es bedarf Haltung, um sich im Wettbewerb mit Autokratien zu behaupten. Wir müssen auch vom ethischen Standpunkt aus als Marktwirtschaftler handlungsfähig sein. Die Wirtschaft muss von freien Menschen offen und sozial gestaltet werden.
Für eine im Weltmaßstab kleiner werdende Volkswirtschaft wie Deutschland gibt es auch keine andere Chance. Deutschland bringt im Gegensatz zu China und den USA zu wenig Gewicht auf die Waage, um im Subventionswettlauf zu bestehen. Deutschland kann langfristig in diesem Wettbewerb nur verlieren. Deutschland ist eine Exportnation, die auf Innovation und Bildung – und gezielte Förderung setzen muss.
Deutschland gehört immer noch zu den Ländern mit den höchsten Anteilen des Exports am Bruttoinlandprodukts. Deutschland muss für einen barrierefreien globalen Markzugang zu den wichtigsten Absatzmärkten, unter Gewährleistung eines fairen und regelbasierten Wettbewerbs auf internationaler Ebene eintreten. Die neue Bundesregierung muss multilaterale Akteure wie die WTO wieder stärken. Deutschland muss sich Marktzugänge mit neuen Freihandelsabkommen und ggfs. auch bilateralen Abkommen zurückmelden und dafür auch in Europa einstehen. Mutual Recognition Agreements, MRA, also gegenseitige Anerkennung von Freihandelsinteresse mit Partnerländern müssen in den Instrumentenkasten der Diplomaten aufgenommen werden.
Optimale Rahmenbedingungen zugunsten internationaler Wettbewerbsfähigkeit
Eine kleine Maßnahme, die schnell helfen wird: Als erstes müssen Forschung und Entwicklung steuerfrei möglich sein. F&E-Ausgaben müssen großzügig steuerlich privilegiert werden. An Universitäten müssen Drittmittelprojekte für Unternehmen ohne Restriktionen gestaltet werden dürfen. Ein forschungsfreundlicher Standort, ein attraktiver Binnenmarkt, ein wettbewerbsfreundlicher Produktions- und Unternehmensstandort sowie einen weltweiten Marktzugang sind dafür essential. Hinzu kommt eine Überprüfung der Sozialausgaben und eine Kultur des Förderns und Forderns, samt eines leistungsfähigen und realitätsnahen Einwanderungsgesetzes, vor dem sich bisher alle Regierungen gedrückt habe, genauso wie vor einem wirtschaftspolitischen Konzept, das auf Freiheit und Eigenverantwortung gesetzt. Kurz;: Eine Zeitenwende für die Wirtschaftspolitik.
Eigentlich ganz einfach…
Thomas Hüser ist Geschäftsführer der Nordenhammer Zinkhütte und Nordenhamm Metall.