Der Politologe Herfried Münkler glaubt, dass moralische Appelle nicht helfen, um den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu beenden. „Einem so ausgewiesenen Zyniker wie Putin mit Moral kommen zu wollen ist schon vermessen. Für mich ist das Selbstsuggestion von deprimierten Intellektuellen“, sagte Münkler im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der russische Präsident Wladimir Putin sei bereit, „den Konflikt zu eskalieren, um das Geschehen zu dominieren“. Bloße Moral helfe deshalb nicht weiter.
Herfried Münkler kritisierte ausdrücklich den von der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und der Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke) initiierten Friedensaufruf. „Jene, die jetzt wie Alice Schwarzer oder Sahra Wagenknecht laut nach Diplomatie rufen, haben nicht begriffen, was die Voraussetzungen dafür sind, dass die Diplomatie ins Spiel kommt“, sagte Münkler und führte weiter aus: „Dafür müssen die Russen einsehen, dass sie ihre Kriegsziele nicht erreichen können, weil die Ukraine nachhaltigen Widerstand leistet. Dazu gehört danach dann aber auch, die Ukraine dazu zu bringen, dass sie ihr Kriegsziel der Rückeroberung der Krim zurückstellt. Dafür muss man ihr etwas geben, und das kann nur nachhaltige Sicherheit sein.“
Münkler, der bis 2018 an der Berliner Humboldt-Universität lehrte, verglich die aktuelle Situation dabei mit der Lage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges: „Hätte Alice Schwarzer die Polen 1939 beraten, dann hätten die keinen Widerstand geleistet, dann hätte auch der Zweite Weltkrieg nicht am 1. September 1939 begonnen, weil Adolf Hitler seine Ziele ja kampflos erreicht hätte. Was heißt dann: Nie wieder Krieg? Bedeutet das ein Votum für den Unterwerfungspazifismus?“.
Im Gegensatz zu Schwarzer und Wagenknecht sei eine militärische Abschreckung notwendig, um Russland „als revisionistische Macht“ im Zaum halten zu können. „Es gibt eine Form von Appeasement-Politik, die den Hunger nur noch größer macht. Das kennen wir vom Münchener Abkommen von 1938. Die einzige Möglichkeit besteht nun in der Abschreckung. Die ist allerdings teuer. Die Rückkehr zu Landes- und Bündnisverteidigung wird sehr viel Geld kosten. In der Konsequenz bedeutet das, dass wir auf längere Sicht den Höhepunkt unseres Wohlstandes wohl überschritten haben“, so Münkler.