Einundzwanzig Tote, Null Verantwortliche

Eine Tragödie ohne Schuldige?

Dieses bezahlte Urteil konnte nur ein Freispruch sein: Sechs Wochen nach der für 21 Menschen tödlich endenden Loveparade hat die Stadt Duisburg ein Gutachten zu ihrer Entlastung vorgelegt. Die Düsseldorfer Kanzlei Heuking sollte prüfen, ob in der Verwaltung Fehler gemacht wurden. Am Mittwochnachmittag zogen  die Juristen das vorhersehbare Fazit: „Die Stadt Duisburg hat ihre Amtspflichten beachtet und keine juristischen Fehler begangen.“

Wochenlang hat die Stadt Duisburg geschwiegen, nun sollten Juristen ihre Weste weiß waschen. Laut Anwältin Ute Jasper hätten diese „stur chronologisch die Sachverhalte geprüft“. In erster Linie hätten sie sich dabei auf Aussagen der Mitarbeiter verlassen. „Wir prüfen nicht, wer letztendlich Schuld war am tragischen Unglück,“ so Jasper. Sie hätten nur analysiert, ob formale Fehler begangen wurden.

Offenbar wollte die Stadt Duisburg nun in die Offensive gehen. Schließlich hatten die beiden anderen Beschuldigten der Tragödie, die Polizei und der Veranstalter Lopavent, schon über zahlreiche Medien ihre Unschuld versucht zu beweisen. Lopavent-Chef Rainer Schaller stellte Anfang der Woche Videoaufnahmen online, nach denen die Polizei für die tödliche Massenpanik im Tunnel verantwortlich sein soll. Sie hatte drei Ketten gebildet, die letztendlich den verheerenden Stau auf den Zugangswegen verursacht haben könnten.

Inzwischen stehen sich über die Loveparade drei widersprüchliche Gutachten gegenüber. Sie betonen jeweils die Unschuld ihrer Mandanten. Nur wenige Stunden vor der Duisburger Konferenz hatten Bonner Verwaltungsrechtler am Mittwochmorgen im Auftrag des nordrhein-westfälischen Innenministeriums ihrerseits ein Gutachten vorgestellt, nach dem die primäre Verantwortung für die Sicherheit auf der Loveparade beim Veranstalter Lopavent lag. Die Juristen kritisieren etwa, dass in dem von Lopavent vorgelegten Sicherheitskonzept weder eine Mindestanzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes, noch die Sicherheitsdurchsagen festgelegt sind. Gleichzeitig weisen die Bonner Juristen der Stadt Duisburg die „allgemeine und übergreifende Zuständigkeit für die Sicherheit der gesamten Veranstaltung“ zu.

Vorhersehbar widerspricht die Kanzlei Heuking. „Die Stadt hat nicht die allgemeine Verantwortung für das Sicherheitskonzept“, betonte Jasper. Nicht beantworten konnte die Verwaltungsexpertin allerdings die Frage, wer am Tag der Loveparade die verhängnisvolle Stauung im Tunnel hätte verhindern müssen. Zwar sei in einigen Szenarien vor der Veranstaltung immer wieder betont werden, eine Stauung im Tunnel unbedingt zu verhindern. Und selbst nach diesem Gutachten hätte die Stadt als Ordnungsbehörde in einer Telefonkonferenz die Sperrung der Zugangswege bei einer drohenden Stauung veranlassen müssen. „Über die möglichen Telefonate liegen uns aber keine Informationen vor“, so Jasper. Warum ausgerechnet hier, am entscheidenden Punkt der Tragödie, nicht genauer überprüft wurde und er auch nicht in dem mehrere hundert Seiten dicken Gutachten erwähnt wird ist schleierhaft. Ohnehin steht die Kanzlei im Verdacht, der Stadt nahe zustehen: Seit Jahren erhält sie lukrative Aufträge der Kommune.

Der umstrittene Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ließ sich in dem Konferenzsaal erst gar nicht blicken. Er wird am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages berichten. Hier wiederum wird Veranstalter Rainer Schaller nicht anwesend sein: Er bleibt die parlamentarische Aufklärung schuldig. Erst in letzter Sekunde hat er seinen Auftritt in der Fernsehsendung Kerner abgesagt, weil der „Druck“ zu groß gewesen sei. Knapp sechs Wochen nach der verheerenden Katastrophe ist niemand bereit, Verantwortung zu übernehmen.

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HansPeter
HansPeter
14 Jahre zuvor

Ute Jasper, die hat doch schon Jens Baganz beim Ausverkauf Mülheims beraten…..und hat bei allen in diesem Zusammenhang erforderlichen Gutachten immer eine Punktlandung auf das gewünschte Ergebnis geschafft…

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[…] (Loveparade 2010): Einundzwanzig Tote, Null Verantwortliche (Ruhrbarone) – Heute findet im Landtag der Innenausschuss statt und will die Vorgänge rund um die […]

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[…] Duisburg gefeiert. Duisburg? Da war das was? Stimmt: In Duisburg war die Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten. Und wir werden am 18. Dezember sehen können, wie Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland […]

elisabeth
elisabeth
14 Jahre zuvor

Was für ein demokratisches Verständnis.
Das Volk will ihn nicht und regiert einfach weiter.
Ich staune immer wieder, wie ein LEHRER und VATER so
verantwortungslos sein kann.

Wie können und dürfen nicht stillhalten.
Das sind wir uns selbst schuldig.
Wie langen sollen wir uns noch schämen?

Er feiert sich schon wieder.

Wie abgebrüht, kalt , herzlos, ignorant, oberflächlich und gedankenlos.
Es trifft es alles nicht.
Alle gehen zur Normalität über und lassen die Opfer und Betroffenen allein.
Was für eine unmenschliche Haltung.

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