„Elektra ist Punkrock“

 

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Am kommenden Samstag, 7. Februar 2015 feiert am Schauspielhaus Dortmund die Tragödie „Elektra“ von Alexander Kerlin Uraufführung – mit einer fantastisch besetzten Live-Band: Paul Wallfisch (u.a. Botanica) steht gemeinsam mit Drummer Larry Mullins (u.a. Iggy Pop and the Stooges, Swans) und Gitarrist Geoffrey Burton (u.a. Sophie Hunger und Iggy Pop) auf der Bühne. Matthias Seier hat mit Wallfisch, seit 2010 Musikalischer Leiter am Schauspiel, über den Abend gesprochen.

Elektra ist in fünf Jahren dein fünfzehntes Stück in Dortmund. Wieder mal komponierst du die Musik. Als Inspirationen dienen dir und deinen Bandmitgliedern Gruppen wie Slint, Lightning Bolt oder Nine Inch Nails.

Der Regisseur Paolo Magelli sagte mit zu Beginn, wir sollten die Elektra-Oper von Richard Strauss zum Ausgangspunkt für die Komposition nehmen. Ich dachte also an eine reduzierte Strauss-Variante. Ich bin kein Opernfan, aber manche Momente haben bei ihm eine gigantische, vorwärtsgewandte Kraft. Doch das neue Elektra-Stück von Alexander Kerlin würde sich mit der Musik von Strauss nicht mehr eins zu eins vertragen. Wir wollen noch mehr Punk wagen: Kurze Zitate von Strauss, dazu Motive von mir als Gerüst für freie Improvisations-Strecken.

Ein Balanceakt zwischen Komposition und Improvisation?

Ein Vorbild für uns ist Terry Rileys „In C“ . Das ist ein Klassiker der amerikanischen Avantgarde. Es besteht aus über 30 kurzen Musikvariationen. Die gesamte Partitur passt auf ein Blatt. Weder Instrumente noch Tonhöhe, Spieleranzahl oder Tempo sind vorgeschrieben. Man fängt am Anfang an und endet am Ende. Dazwischen steht einem alles frei: man kann es langsam spielen, schnell, hoch, tief. Jede Variation kann hundertmal wiederholt werden oder nur einmal. Es ist unglaublich spannend.

Und wohin trägt diese Reise?

Für die Elektra erwächst z.B. eine lange Walzerstrecke und eine Partie verrückter Noise-Jazz. Das wird neu für mich. Und am Schluss des Stücks werden wir einen unglaublich fiesen Punk-Teppich weben. Sehr viel Lärm also, aber auch sehr viel Schönheit.

Erst Alexander Hacke und Mick Harvey in Republik der Wölfe, jetzt Larry Mullins und Geoffrey Burton bei Elektra – du bringst immer wieder große Namen nach Dortmund.

Ich würde mal sagen: Mein Arbeitsplatz am Theater gibt mir die Möglichkeit, begabten Freunden interessante Arbeit vorzuschlagen. (Er lacht) Larry kenne ich schon seit 15 Jahren. Als Iggy Pop dieses Jahr verkündete, dass er weniger Konzerte geben wird, witterte ich meine Chance. Und siehe da, Larry hatte Zeit. Pures Glück, weil Paolo Magelli und ich von Anfang an von vielen schnellen Rhythmen geträumt haben: Schlagzeug, Percussion, Timpani, Gongs. Und Geoffrey kenne ich über Larry. Vor Jahren hat er ihn mir mit den Worten empfohlen: „Wenn du einen Gitarristen brauchst, nimm diesen Belgier. Er ist der Beste in Europa.“

Der Regisseur Paolo Magelli und du – ihr arbeitet jetzt auch schon das dritte Mal zusammen.

Ich liebe Paolo. Er ist ein leidenschaftlicher, liebevoller und humorvoller Mensch. Ästhetisch und politisch sind wir nicht immer miteinander einverstanden. Aber seine Art, wie er den Stoff attackiert und die Schauspieler führt, finde ich faszinierend. Ich lerne immer was: über Kunst, über Geschichte, über das Leben. Und Musik ist für Paolo kein Hintergrundrauschen – entweder schweigt die Band oder macht Lärm. Er hat keine Scheu, mit uns in die Extreme zu gehen.

Wozu muss man heute einen uralten Mythos wie dem von der rächenden Elektra auf die Bühne bringen?

Paolo inszeniert Elektra sehr politisch und klar. Er dockt an der Gegenwart an mit ihren spezifischen Problemen in Europa. Er will stören; es soll weh tun. Ich komme gerade aus der ersten Durchlaufprobe und finde, das Stück von Alex spielt sich gut. Es ist politisch, emotional und menschlich – mit starken, lyrischen Sätzen.

Und was kommt für dich nach der Elektra?

Elektra“ ist mein letztes Stück in dieser Spielzeit. Es kommen noch einige Ausgaben meiner Konzertreihe „Small Beast“ sowie natürlich die Vorstellungen von Drama Queens. Und Ende Juni gibt es ein „Big Beast“ – zwei lange Nächte mit Musik. Es wird große Konzerte im Schauspielhaus geben: mit Namen, die ein großes Haus sicher füllen werden. Außerdem wird es eine Art Resümee meiner letzten 5 Jahre in Dortmund geben.

Gab es bei all den Produktionen der letzten Jahre irgendeinen Moment, den du nie vergessen wirst?

Als im September 2010 unsere Eröffnungsinszenierung „Woyzeck“ Premiere hatte und sich zum ersten Mal der Eiserne Vorhang erhob. Axel Holst kroch im Schnee, schaute ins Publikum und sagte: „Dieser Ort ist verflucht.“ Was für ein Auftakt für die Zeit hier. Und Paolos Stücke werde ich nie vergessen. Und die Arbeit mit Kay Voges an „Der Meister und Margarita“. In mir ist großen Respekt vor dem Fach des Schauspielers gewachsen. Der Willen eines Schauspielers ist unfassbar – Menschen, die derart bereit sind, Gutes zu schaffen.

Paul Wallfisch ist neben der Elektra-Premiere am 7. Februar auch wieder am 1. Februar bei „Drama Queens – Neue Songs aus der Kantine“ zu sehen.

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