War das jetzt der sprichwörtliche Warnschuss zur rechten Zeit oder vielleicht doch schon das bittere Erwachen in der traurigen, neuen Realität des deutschen Fußballs? Noch weiß man es nicht. Die DFB-Auswahl tat sich im dritten Gruppenspiel am Sonntag gegen die Schweiz in Frankfurt am Main jedenfalls lange Zeit erschreckend schwer, kam erst in der Nachspielzeit durch den eingewechselten BVB-Stürmer Niclas Füllkrug zum glücklichen, aber am Ende aufgrund der gezeigten guten kämpferischen Leistung nicht unverdienten Treffer zum 1:1.
Der dadurch gewonnene Punkt reichte Deutschland auf den letzten Drücker dann doch noch zum angestrebten Gruppensieg nach der Vorrunde bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 im eigenen Lande. So gesehen ist alles gut. Sieben von neun möglichen Zählern geholt, locker in die K.o.-Runde eingezogen, das klingt gut. Doch die Darbietung vom Sonntag, gegen einen gut organisierten aber international kaum als hochklassig zu bezeichnenden Gegner, stellt Bundestrainer Julian Nagelsmann sechs Tage vor dem anstehenden Achtelfinale am kommenden Samstag, gegen einen erst am Dienstag feststehenden Gegner, vor zahlreiche Denkaufgaben und weckte unschöne Erinnerungen an die zuletzt schon so häufig schwankenden Leistungen der DFB-Elf.
Beim 5:1-Sieg gegen Schottland vor gut einer Woche stark, beim 2:0 gegen Ungarn danach schon deutlich schwächer und nun zum Abschluss der Gruppenphase gegen die Schweiz über lange Zeit des Spiels mit dem Rücken zur Wand. Das ist wahrlich nicht die Formkurve, die sich Millionen von Fußballfans nach dem stimmungsvollen und begeisternden Auftakt in die EM 2024 gewünscht hatten.
Natürlich war der Druck vor dem Spiel gegen die Eidgenossen am Sonntag vergleichsweise gering. Nach der bereits nach zwei Spieltagen feststehenden Qualifikation für das Achtelfinale ging es für die DFB-Elf im dritten Spiel der Vorrunde in Frankfurt ‚nur noch‘ um den Gruppensieg, dessen Nutzen bei der noch nicht feststehenden Reihenfolge in der Gruppe C, aus der der nächste Gegner Deutschlands kommen wird, zudem noch völlig theoretischer Natur ist. Alle vier Teams dieser Gruppe können vor Spieltag drei noch weiterkommen, könnten auch der kommende Gegner Deutschlands im Achtelfinale werden. England, Dänemark, Serbien oder vielleicht auch Slowenien? Wer weiß schon, welches dieser Teams der Mannschaft von Julian Nagelsmann in einem K.o.-Spiel am besten liegen würde?
Insofern gilt es für Deutschland jetzt erst einmal darüber nachzudenken, ob das Spiel gegen die Schweiz ‚nur‘ ein zu erwartender und leicht zu verkraftbarer Warnschuss zu rechten Zeit war, oder vielleicht doch schon das unsanfte und bittere Aufwachen in der Realität einer auf internationaler Bühne eher durchschnittlichen Mittelklassemannschaft, so wie sich die DFB-Auswahl in den vergangenen Monaten, man könnte wohl auch Jahren sagen, aus Sicht ihrer Anhänger ja schon viel zu häufig präsentiert hatte.
Die keinesfalls als Favorit auf den EM-Titel angetretene Schweiz hat Deutschland an diesem Abend jedenfalls auf beeindruckend leichte Art und Weise an die Leistungsgrenze gebracht. Obwohl mit unveränderter Startelf angetreten, präsentierten sich Toni Kroos und seine Mitstreiter auf der anderen Seite bis in die Nachspielzeit hinein als erschreckend durchschlagsschwach und fast schon hilflos.
Zwar war die Stimmung im Lande, insbesondere auch auf den zahlreichen in der gesamten Republik organisierten Fanmeilen nach dem Last-Minute-Remis auch weiterhin ausgelassen und freudig, doch hinterließ das Duell zum Abschluss der Gruppenphase bei den Verantwortlichen und Experten genügend Anlässe um an der Favoritenrolle Deutschlands auf den EM-Titel, die das Team ja gerade erst in den wenigen Tagen seit Turniereröffnung in den Augen vieler übernommen hatte, zu zweifeln.
Erst am kommenden Samstag werden wir dann sehen, ob der Rückschlag gegen die Schweiz denn jetzt ein einzukalkulierender negativer Ausrutscher war, oder eben doch das Erwachen in der neuen Realität.