EM 2024: Ein kräftiger Tritt auf die Euphorie-Bremse

Neuer Optimismus macht sich derzeit scheinbar selbst in der tristesten Ecke des Landes breit. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Es läuft insgesamt nach wie vor gut bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Die Spiele sind fast alle sehr unterhaltsam, die Stimmung in den Stadien und bei den Public-Viewing-Veranstaltungen quer durch die Republik größtenteils fantastisch. Das war noch in der Vorwoche so nicht wirklich zu erwarten.

EM-Stimmung wollte sich in Deutschland bis zur offiziellen Turniereröffnung nicht so recht breitmachen und die Erwartungshaltung, insbesondere auch an die DFB-Auswahl, war größtenteils, nun sagen wie einmal gedämpft. Inzwischen aber, da macht sich regelrecht Euphorie breit. Eine Euphorie, die so eigentlich in diesem Ausmaß logisch nicht zu erklären ist.

Zwar bot die deutsche Elf in ihren ersten beiden Spielen gegen Schottland (5:1 in München am Freitag) und gegen Ungarn  (2:0 in Stuttgart am Mittwoch) sehr ordentliche Leistungen, doch waren die gezeigten Darbietungen keinesfalls so glamourös, wie man aufgrund der derzeit vorherrschenden Stimmungslage glauben könnte. Die aktuelle Stimmung ist jedenfalls eindeutig besser als es das sportliche Auftreten der DFB-Elf es rechtfertigen würde.

Grundsätzlich ist das ja schön und gut so, lindert sie doch die zuletzt im gesamten Land spürbare Unzufriedenheit, macht diese Euphorie-Welle vielerorts Ärger über Politik, Wirtschaftslage und schlechte Zukunftsperspektiven doch zumindest mal für ein paar Tage weitestgehend vergessen. Auf der anderen Seite  erhöht dieser Effekt natürlich die Gefahr einer überzogenen Erwartungshaltung, könnte die überraschend aufgetauchte Deutschtümelei doch in wenigen Tagen schon in einen kräftigen nationalen ‚Kater‘ nach dem Ende der Party zu münden.

Dass die DFB-Auswahl sich mit zwei Siegen aus zwei Spielen am Mittwoch bereits als erste Mannschaft des Turniers für das Achtelfinale qualifizieren konnte, ist sportlich ein (erster) Erfolg. Doch war Schottland, wenn wir mal ehrlich sind, eben nur ein vergleichbar eher schwacher Gegner und das Spiel gegen Ungarn enger als es das Resultat am Ende vermuten lässt. Wäre das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht ein paar Mal mit dem Glück im Bunde gewesen, das Duell gegen Ungarn hätte auch ganz anders enden können. Natürlich, jede Mannschaft braucht auch das notwendige Glück, wenn sie sportlich etwas großes erreichen möchte, das ist langjährig Sportinteressenten natürlich vertraut, doch sollten zwei Siege gegen international nicht unbedingt erstklassige Gegner nicht direkt zu einer übertriebenen Zuversicht in Sachen Turnieraussichten für Deutschland führen.

Bisher ist alles gut, sowohl was die Stimmung rund um die Gesamtveranstaltung als auch was die Leistungen der deutschen Auswahl betrifft. Wirklich erreicht wurde aus deutscher Sicht bisher aber nur sehr wenig, denn seien wir mal ehrlich, alles andere als eine Qualifikation für die K.o.-Spiele wäre wohl einer sportlichen nationalen Katastrophe gleichgekommen.

Also gemach, gemach und besser erst mal wieder kräftig auf die Euphorie-Bremse getreten, bevor das Ganze dann vielleicht schon nach einem verlorenen Achtelfinale dann in ein paar Tagen unsanft in einem großen (und dann womöglich ähnlich übertriebenen) Tränenmeer endet.

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[…] Wunder, dass viele Besucher der EM bisher so positiv berichten. Das war wirklich toll zu erleben. Deutschland kann offenbar auch freundlich und nett. Das kennt man als Einheimischer im Alltag sonst auch […]

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[…] das jetzt der sprichwörtliche Warnschuss zur rechten Zeit oder vielleicht doch schon das bittere Erwachen in der traurigen, neuen Realität des deutschen […]

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