So schnell gehen also vier Wochen um! Die Fußball-Europameisterschaft 2020, die, wie wir alle wissen, Corona-bedingt erst im Sommer 2021 ausgetragen werden konnte, ist inzwischen auch schon wieder Geschichte. Mit Italien, das sich am Sonntag im Finale im Londoner Wembley-Stadion gegen die Vertretung Englands im Elfmeterschießen durchsetzen konnte, hat das Turnier einen verdienten Sieger gefunden.
Die Italiener haben, auf die kompletten vier Wochen gesehen, einfach den schönsten und erfolgreichsten Fußball gespielt. England, das im Gegensatz zu allen anderen Teams im Turnier den Vorteil hatte, dass es bis zum großen Finale nur ein Spiel auswärts zu bestreiten hatte, war überraschend stark, konnte am Ende jedoch nicht so sehr überzeugen, wie der spätere Sieger.
Während sie in London und Umgebung jetzt also Trauer tragen und ihren Kater auskurieren, feiern sie in Rom und dem Rest von Italiens ausgelassen ihren Erfolg. Selbst hier bei uns in Deutschland soll die Freude bei einigen Fußballfreunden groß gewesen sein. OK, abhaken!
Was aber blieb sonst von diesem Mammut-Turnier, das aufgrund der Corona-Pandemie, ein ganz besonderes war? So einiges. Nicht alles war und ist schön.
Fußballerisch war die Euro wahrlich keine große Offenbarung. Es gab ein paar unterhaltsame Spiele, viele waren aber auch eher durchschnittlich bis langweilig. Sagen wir es so: Der Fußball wurde in den vergangenen Wochen nicht neu erfunden.
Trotzdem fiel die Vertretung des DFB in diesem wenig mitreißenden Turnier noch einmal deutlich ab. Experten machten diverse Schwächen aus. Taktisch nicht konkurrenzfähig, zu langsam, ohne Konzept und ein wenig charismatischer Trainer, der den Zenit seines Schaffens längst überschritten zu haben, irgendwie aus der Zeit gefallen schien.
So geriet die deutsche Auswahl aus Sicht eines Betrachters von außen zur Randbemerkung. Das Aus im Achtelfinale war da nur folgerichtig und entsprach den in der Vorrunde gezeigten Leistungen. Nur ein Sieg aus vier Spielen. Das reicht eben nicht, auch wenn es zu konstatieren gilt, dass die Gegner hochkarätig waren.
Länder wie Belgien, Spanien, die Niederlande, Italien, England und Dänemark schienen der Auswahl Deutschlands fußballerisch weit voraus zu sein. In der Runde der letzten Acht vermisste den Weltmeister von 2014, der schon bei der WM 2018 so krachend gescheitert war, endgültig niemand mehr. Ein paar schicke Hashtags und eine Weltmeisterliche Außendarstellung reichen eben nicht.
Der im Sommer 2018 vom DFB angekündigte Neuaufbau, er trug keine Früchte, fand nach Überzeugung vieler Kritiker auch noch gar nicht wirklich statt. Das frühe Aus bei der EM 2020 war die fast schon logische Folge. Es kommt viel Arbeit zu auf Neu-Bundestrainer Hansi Flick, der im Herbst das Regime von Auslaufmodell Jogi Löw übernehmen wird. Nur eine Art Wunderheiler kann Flick eben auch nicht sein. Die gerissene Lücke zu den Top-Teams muss mit harter Arbeit und viel Geduld überbrückt werden, nicht mit ein paar flotten Sprüchen und etwas Handauflegen.
Aus deutscher Sicht gab es eigentlich nur einen unumstrittenen Gewinner bei diesem Turnier. Das war TV-Experte Sandro Wagner. Im ZDF glänzte der zuvor nur bei DAZN einigen Insidern positiv aufgefallene Ex-Profi vor einem Millionenpublikum als kritischer aber fundierter Experte an der Seite von wahlweise Bela Rethy und Oliver Schmidt, stellte diese sogar wiederholt in den Schatten.
Damit wären wir dann auch schon beim nächsten Ärgernis des Turniers: Zahlreiche Kommentatoren von ARD und ZDF ärgerten die Massen einmal mehr. Egal ob Claudia Neumann, Tom Bartels oder eben auch Rethy, die Qualität ihrer Arbeit fand, nun formulieren wir es freundlich, wenig Anerkennung.
Ebenso sorgte Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger für reichlich Verdruss. Fachlich im Vergleich zu Wagner dürftig, dazu wenig profiliert und sogar mit dem Vorwurf der Schleichwerbung konfrontiert, konnte er sich eben so wenig für eine weitere Beschäftigung im TV empfehlen wie zahlreiche andere vermeintliche Experten.
Insgesamt geriet die Randberichterstattung bei ARD und ZDF aus Sicht vieler Beobachter zu umfangreich und wenig sehenswert. Weniger, dafür aber fundierter und auf den Punkt gebracht, wäre hier wohl besser gewesen.
Vieles von dem, was sich Sportfans auf aller Welt in den vergangenen Wochen angeschaut und angehört haben, wird schon bald wieder in Vergessenheit geraten sein, wenn die nationalen Ligen in den kommenden Wochen den Betrieb wiederaufnehmen werden.
Auch das rasche Aufflackern der Toleranz-Diskussion (Stichwort: Regenbogenflaggen) wird am Ende nicht mehr als eine Randnotiz werden. Der Streit um die Regenbogen-Symbolik war zwar unerwartet, zeigte aber zugleich auf, wie weit die UEFA und Teile Europas noch von etwas entfernt sind, was nicht nur zahlreiche Image-Kampagnen schmückt, sondern auch eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint. Dass es in vielen Köpfen eben längst noch nicht soweit ist, dass sogar eine politische Spaltung Europas daraus abgeleitet werden konnte, zeigt, dass hier noch deutlich mehr erforderlich sein wird. Mehr als etwas Symbolik wird hiervon als Erinnerung an dieses Turnier wohl nicht bleiben.
Was in jedem Fall den sportlichen Unterhaltungswert und auch die Toleranz-Debatten überdauern wird, ist das Corona-Virus. Bilder von fast wieder ‚normal‘ gefüllten Stadien, wie wir sie vor dem Hintergrund der Pandemie wohl alle mit Erstaunen und Entsetzen wahrgenommen haben, werden nicht ohne Konsequenten bleiben.
Man mag darüber streiten wie sehr sich die Missachtung nahezu sämtlicher zuletzt antrainierter Verhaltensregen am Ende auswirken wird. Dass es aber negative Konsequenzen haben wird, dass zehntausende Menschen über etliche Stunden ihren Verstand ausgeschaltet hatten um ein Fußballspiel zu genießen, das ist klar. Hoffen wir, dass am Ende nicht eine neue Corona-Welle die langlebigste Erinnerung an diese EM bleiben wird.
Ich erinnere
an
meistens gutklassige, spannende, interessante Fußballspiele. Und darum geht es mir generell "beim Fußball, eben auch bei einer EM. Das gilt auch für das Endspiel, das nach gleichwertigen Leistungen die die Glücklicheren gewonnen haben -zu meiner Freude!
Ich erinnere
an
das für mich nicht nachvollziebare Verhalten vieler Fans- möglich gemacht durch die UEFA uind staatliche/kommunlae Behörden- angesichts der Corona-Pandemie.
Ich erinnere zudem
an das unsportliche Verhalten sehr vieler (!!) englischer Fans im Stadion gegenüber der gegnerischen Mannschaft -nicht nur, aber auch im Endspiel. Es gab 'mal Zeiten, in denen idie englischen Fußball-Fans für mich Vorbilder waren.
Du hast Recht, Walter! Das Verhalten der Fans in London zu erwähnen habe ich am Morgen in diesem Text leider vergessen. Das hat mich auch sehr gestört. Auch gestern habe ich deutliche Pfiffe bei der Hymne Italiens vernommen, war dann erstaunt, als der Kommentator das völlig anders darstellte und den Applaus im Stadion lobte. Ich hatte wieder deutlich mehr Pfiffe gehört. Aber ok….
@Walter Stach Richtig, ich habe dieser Tage in alten SPORTMAGAZINEN geblättert. In Folge des 1.Länderspiels in England nach dem Kriege wurden die (bundes)deutsche Mannschaft und ihre Fans, durchaus wohlwollend vom englischen Publikum aufgenommen. Erstaunlich für 1954 finde ich.Aber schon in den 70ern fielen englische und schottische Fans bei zwei EC-Endspielen (72 in Barcelona und 75 in Paris) durch Gewalttaten auf. Im Pariser Endspiel holzten die Leedsspieler alles um,was nicht bei drei auf den Bäumen war. Dennoch gewannen die Bayern 2:0. Und die Toten von Brüssel 85 dürften bei den Älteren unter uns noch gut in Erinnerung sein.
Bei jenem legendären Spiel 72 in Wembley waren laut KICKER-Programmvorschau ca zwei Stunden Übertragung vorgesehen, beginnend eine Viertelstunde vor Spielbeginn."Die guten alten Zeiten" waren manchmal tatsächlich gut.
Robin,
ich lese so eben, dass viele englischen Fans nach dem Spiel massiv mit rassistischen Sprüchen gegen die Spieler "ihrer" Nationalmannschaft gepöbelt haben, die als Elfmeterschützen nicht ins Tor getroffen haben, z.B. auch gegenüber Sancho. Auch daran werde ich mich erinnern -leider-.
Thomas Weigle,
für mich war es "damals" als aktiver Fußballer unbegreiflich, daß Fußball-Fans in England lauthals ihren Beifall auch dann bekundeten, wenn ein Spieler der gegnerischen Mannschaft eine besondere, eine ungewöhnliche Leistung zeigte. Und es war für mich immer wieder eine freudige, ja angenehme Überraschung zu erleben, wie respektvoll national wie international der Gastmannschaft vor und während des Spieles begegnet wurde -nicht nur, aber z.B. auch dann, wenn die "deutschen Nationalhymne" gespielt/gesungen wurde. Was hat sich da und warum hat sich da offenkundig etwas im Verhalten vieler englischer Fußball-Fans grundlegend geändert?
Aber….
"Wir " sollten uns als Fußball-Fans hierzulande, in England, in Europa, weltweit von einige "Idioten", auch wenn deren Zahl zuzunehmen scheint, die Freude an unserem Spiel nicht nehmen lassen, u.a. nicht die guten Erinnerungen an die Fußballspiele während der EM 2020/2021.
Ja, Walter! Ich staune auch. Es geht offenbar immer noch eine Stufe schlimmer. 🙁
Das war das erste mal, dass ich für eine italienische Nationalmannschaft die Daumen gedrückt habe. Die englischen Fußballfans haben in beeindruckter Art der Welt gezeigt auf welch geistigen Niveau man sich auf der Insel bewegt. Nur peinlich.
Was außer dem Virus bleiben wird ist meine Erinnerung daran, daß auch ich das allererste Mal einer Squadra azzurra die Daumen gedrückt habe. Mit den englischen Fans kann selbst das Ruhrgebiet an Niveaulosigkeit nicht mithalten. Da muß man schon am Rhein in südlicher Richtung mal nach etwas Ebenbürtigen schauen.
Was ebenfalls bleiben wird, ist der persönliche Makel des vermeintlichen Weltkriegsveteranen, Herrn Südtor, dessen zwomaliges Versagen am selben Ort im Abstand von einem Vierteljahrhundert, ihm wahrscheinlich bis an sein Lebensende aufs verbrannte Toastbrot geschmiert wird. Da wird selbst "unser" Elfmeterschütze von Belgrad 1976 neidisch…