Emscherkunst 2010 – Ein Gewinn für die Region

Reemrenreh von Bogomir Ecker, Foto: Roman Mensing / EMSCHERKUNST.2010

Die Sache hat eine Menge Geld gekostet. Keine Frage. Aber sie hat sich für die Emscherzone, ja für das ganze Ruhrgebiet  jetzt schon gelohnt. Emscher und Kunst, egal wie man zu den Werken im Einzelnen steht, sind in den Medien zum Synonym geworden.  Vom Meideraum zum Ausstellungsgelände, oder in Neudeutsch „ from No Go to Must Go“, das ist die zentrale Nachricht an die Menschen in und außerhalb des Reviers.

Dass das Ganze nur mit dem Fahrrad zu bewältigen ist, passt zu einer Region die letztlich nur als Roadmovie zu begreifen ist. Wobei dieses Fahrzeug  auch die ökologische Zukunft des Ruhrgebiets bestimmen wird. Mit dem Rad zur Kunst bzw.  von Kunstwerk zu Kunstwerk zu fahren, und das entlang der Emscher, sagt mehr als jeder Masterplan über die Zukunft des Emschertals aus.

Für die Menschen in der Region ist es zugleich Kunst  en Passant, Ästhetik im Vorbeigehen/fahren. In gewisse Weise zufällig und deswegen auch in angenehmer Weise überraschend. Von der Dimension so gewählt, dass man das Werk nicht übersieht, ja dass man zu ihm hin ge- und verführt wird. In der Gesamtlandschaft jedoch „nur“ eine Zugabe, eine sie nicht dominieren wollende Geste.

Teilweise bilden die Werke sogar ganz neue Aufenthaltsqualitäten, ja neue Plätze mit eigenen Funktionen wie bei den umgebauten Klärbecken in Bottrop Ebel. Die dann auch bleiben werden und natürlich im Erhalt wieder Geld kosten. Aber auch hier wird für das Geld etwas Wichtiges geboten: Lebensqualität durch Kunst.  Durch künstlerische Intervention.

Andere Werke werden wieder verschwinden, zum Teil aus Mangel an Geld, zum Teil aus Absicht. Temporäre Kunst eben. Kunst auf Zeit die nach ihrem Verschwinden jedoch in Erinnerung bleiben wird, denn es gibt jetzt schon Menschen an der Emscher, die sich in bestimmte Werke geradezu verguckt haben. Die sie eigentlich in ihrer Nähe behalten möchten. Obwohl  sie sich das am Anfang gar nicht vorstellen konnten.

Die Emschermenschen sind, obwohl es sehr interessante Museen und natürlich die übliche Kunst im öffentlichen Raum gibt,  von der Emscherkunst mehr oder weniger überrascht worden. Sie ist anders als das was sie bislang kannten. Deswegen gab es auch Leute die ihnen diese Werke vor Ort vermittelt und näher gebracht haben. Und denen haben sie, wie mir berichtet wurde, einen Pinn in den Bauch gefragt. Dass das Kunst sei, war vielen von ihnen keineswegs im ersten Moment einsichtig.

Letztlich interessiert diese Frage die Menschen vor Ort auch weniger als die Künstler und die Kuratoren. Die Menschen vor Ort gehen eine eher sinnlich vermittelte Beziehung zu den Artefakten ein, die sie sehen und berühren können. Dass die Aussteller dem noch eine spezielle Veranstaltungsform hinzugefügt haben, in denen direkt mit  den Anwohnern und örtlichen Kunstinteressierten über die Werke diskutiert werden konnte und kann,  passt bestens dazu.

Der so organisierte direkte Kontakt der Künstler mit dem Emschervolk war dabei oft heftig und zugleich lehrreich. Der sogenannte fremde Blick traf auf den einheimischen und genau hier wird dieser fremde Blick erst fruchtbar. Es nutzt der Emscherregion nicht, wenn die Kunst keinen Dialog mit der Landschaft und ihren Menschen aufnimmt. Wenn der Fremde Blick nur einseitig ist, wenn sogenannte Miles and More Künstler hier einfliegen und ihre Kunstwerke wie Raumschiffe landen lassen. Dann kann das immer noch Kunst sein, aber sie bringt die Menschen hier nicht wirklich weiter.

Das ist allerdings erst einmal nur eine These. Die Frage ist nämlich, muss Kunst das wirklich? Hat sie sich nicht jeden  Zweckes zu entziehen? Darf sie nicht so fremd sein wie sie will? Muss sie den Dialog überhaupt suchen? Bedarf sie der Vermittlung gar nicht, weil sie immer auch Konfrontation ist bzw. sein soll? Hat der Ort an dem sie wirken will ihr nicht letztlich egal zu sein? Ist es schon deswegen besser, dass die Künstler die an der Emscher tätig werden, nicht aus dieser Region kommen? Denn wer hier lebt und arbeitet könnte auch als Künstler zur Konformität mit den Verhältnissen neigen. Wohlmöglich sogar zur Heimattümelei, zur Sozialromantik, zum allseits bekannten Ruhrgebietskitsch.

Es ist dieses Verhältnis von örtlichem/regionalem  Kunstschaffen und internationaler Kunst, das weiter zu klären ist. Es ist dieser wohlmöglich produktive Konflikt der für die nächste Runde Emscherkunst von besonderer Bedeutung sein könnte. Lokalität kann dabei natürlich nicht bedeuten, dass der internationale Anspruch dieser Ausstellung aufgegeben  werden sollte. Die Frage ist viel mehr, wie Lokalität und Globalität in der Kunst  zusammen geht und was das für die Zukunft der Emscherkunst bedeutet.

Die zweite wichtige Frage ist, wie bei einem möglichen nächsten Mal die Bevölkerung vor Ort eher und intensiver eingebunden werden kann als bei der Premiere. Das gilt auch für die vielen Menschen mit Migrationshintergrund und vor allem für die türkische Community. Hier geht es nicht nur um Sprache als inhaltliche Vermittlung zur weitaus größten Einwanderergruppe der Emscherregion, sondern auch um Sprache als  Mittel der symbolischen Anerkennung. Schriftlich Ankündigungen und Erklärungen für die Emscherkunst sollten deswegen in Zukunft dreisprachig sein: Deutsch, Englisch und Türkisch.

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Thorsten
14 Jahre zuvor

Auch vor der Emscherkunst war die Emscher schon lange keine „No Go“-Area mehr. Die Erschließung der „Zone“ für den Menschen begann mit den Radwegen Emscher Park Radweg und später dem Emscherweg – nur so ist das Projekt überhaupt „erfahr“bar. Ein Gewinn für die Region ist die Emscherkunst allemal. Vielleicht hätte man aber auch einen Teil des vielen Geldes für die Instandsetzung und -haltung des Radwegesystems in die Hand nehmen sollen.

Arnold Voss
Arnold Voss
14 Jahre zuvor

Thorsten, natürlich konnte man auch schon vorher nahe an die Emscher. Aber richtig ran wird man erst überall können, wenn das „große Rohr“ fertig ist, der Dreck da rein fließt, die Emscher sauber ist und die Zäune und Tore auf dem Müll sind.Wie in Dortmund und an vielen Nebenläufen schon zum großen Teil geschehen. Die Radwege sind ja „nur“ der erste Schritt gewesen.

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