Heute endet auf der Bottroper Zeche Prosper-Haniel offiziell der Betrieb. Der Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet ist Geschichte. Und viele Städte können nun einen Blick auf das werfen, was auf sie zukommt.
Das wars. Schicht im Schacht. Auf Prosper-Haniel endet der Betrieb, ein letztes Stück Kohle wird noch gefördert. Symbolik. Es ist vorbei. Nach Jahrhunderten endet damit die Ära des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet, dem die Region ihre Existenz verdankt und das nun nicht nur politisch und wirtschaftlich sondern auch symbolisch an sein Ende gekommen ist. Es ist blickt seit heute auf eine abgeschlossene Geschichte, die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft hat sich längst als Illusion erwiesen.
Kohle im Ruhrgebiet abzubauen lohnt sich schon seit den späten 50er Jahren nicht mehr. Niemand hat beschlossen, die Zechen zu schließen. Ihr Ende ist die unternehmerische Konsequenz aus dem Beschluss des Kohlegipfels 2007, bis 2018 die Subventionen für die Kohleförderung einzustellen. Würde es sich wirtschaftlich lohnen, könnte also weiterhin Kohle gefördert werden – aber das tut es nicht.
Mit dem sich über fünf Jahrzehnte hinziehenden Ende des Bergbaus ging auch die Deindustrialisierung des Ruhrgebiets einher. Das hätte nicht sein müssen. Politik und Wirtschaft verhinderten bis in die 80er Jahre hinein Industrieansiedlungen im Revier. Henkel wollte kommen, Ford auch, aber die Stahlwerke gaben ihre Brachflächen nicht frei und alle wollten verhindern, dass es für junge Arbeiter Alternativen zu den unbeliebten Jobs im Bergbau und am Hochofen gab. Bodensperre nannte sich das.
Als die Flächen für Industrieansiedlungen ab den späten 80ern zur Verfügung standen, wollte niemand mehr kommen. Nur im hochsubventionierten Osten wurden noch neue Fabriken eröffnet.
Heute ist das Ruhrgebiet die Region in Nordrhein-Westfalen mit den wenigsten Industriearbeitsplätzen. Und es ist auch die ärmste Region des Landes.
Das verwundert nicht, denn in der Liste der attraktivsten Städten der Wirtschaftswoche liegen viele Industriestädte auf den vorderen fünf Plätzen: München (BMW), Ingolstadt (Audi), Stuttgart (Daimler), Erlangen (Siemens) und Wolfsburg (VW) sind reich, weil sie auch attraktive Industriestandorte sind. Wo produziert wird, wo für die Industrie geforscht wird, gibt es auch einen großen Bedarf an Dienstleistungen, haben die Menschen eine hohe Kaufkraft. Kurzum: Da blüht die Wirtschaft und den Menschen geht es gut. Ganz nebenbei sehen diese Städte auch nicht so kaputt und heruntergekommen aus wie das Ruhrgebiet und wegen des hohen Steueraufkommens können sie ihren Bürgern auch mehr und bessere Leistungen anbieten als die Pleite-Kommunen im Revier.
Bis auf die Siemensstadt Erlangen sind diese Städte eng mit der Branche verbunden, deren Ruin sich Berlin, Brüssel und grüne Rackets trotz ihres wirtschaftlichen Erfolges auf die Fahnen geschrieben haben: der Automobilindustrie.
Deswegen ist der heutige Tag auch für Wolfsburger, Ingolstädter und Stuttgarter interessant. Was ihre Städte heute sind, waren Gelsenkirchen, Essen und Duisburg in den 50er Jahren. Es gab Jobs in Hülle und Fülle, es wurde gebaut, man hatte Geld.
Es dauerte nur wenige Jahre, bis aus der Boomregion Ruhrgebiet das wirtschaftliche und soziale Krisenzentrum wurde, was es bis heute ist – und das es auch auf unabsehbare Zeit bleiben wird. Und diese Entwicklung hat bereits begonnen: VW baut in seinen Werken in Hannover und Emden 7000 Stellen ab. Noch geschieht das ohne Kündigungen, aber das wird nicht so bleiben.
Sicher, so dumm wie die hier wirtschaftlich und politisch Verantwortlichen in den 60er Jahren mit der „Bodensperre“ waren, wird man dort hoffentlich nicht sein. Und auch Universitäten, die hier erst langsam, wirklich ganz langsam, zu Jobmotoren werden, gibt es in den meisten der genannten Städte schon lange.
Aber es werden neue Fehler gemacht werden in einer Situation, in der man sich nicht viele Fehler erlauben kann. Und es ist nicht mehr so viel Geld da, um, wie im Fall des Ruhrgebiets und später des Ostens, alle Konflikte mit Zuschüssen zu überdecken.
Die Autoindustrie ist die wichtigste Industrie dieses Landes. Bricht sie weg, wird das Spuren hinterlassen. Wie groß sie werden, darüber kann man streiten, aber dass es massive Auswirkungen haben wird, ist klar. Dumm ist auch, dass nur noch der Maschinenbau bleibt, um mit Exporten einen großen Teil Geld zu verdienen, das allzu viele gewohnt sind auszugeben, ohne zu wissen oder sich auch nur dafür zu interessieren, wie es erwirtschaftet wird. Man stieg in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Land gerne aus Technologien aus. Das rächt sich nun, die Abhängigkeit von der Automobilindustrie müsste nicht so hoch sein wie sie ist, wenn die innovationsfeindlichen Tugendwächter nicht so gewütet hätten.
Es wird also eine Lücke bleiben und sie wird schwer zu schließen sein.
Im Ruhrgebiet kann man sehen, wie Städte nach einem wirtschaftlichen Niedergang aussehen. Und man kann beobachten, was ein solche Niedergang mit den Menschen macht, wie sie phlegmatisch werden, langsamer und anspruchsloser.
Das waren sie im Ruhrgebiet nicht immer, so wurden die Menschen hier durch den langsamen Abstieg ihrer Städte, der sie so lange an die Zweitklassigkeit gewöhnte, bis sie sich in ihr eingerichtet hatten.
Mit der heutigen Schließung der letzten Zeche ist für die Steinkohle die Reise zum Grund des Schachts beendet. Sie dauerte fast 60 Jahre. Es hat sich als unmöglich erwiesen, die verlorenen Arbeitsplätze im Bergbau und im Stahl zu ersetzen. Wo es neue Jobs gab, waren sie oft schlechter bezahlt und unsicherer. Und selbst von diesen Arbeitsplätzen gibt es im Ruhrgebiet viel zu wenige. Die Arbeitslosenquote lag im November bei 8,7 Prozent. Bundesweit waren es 4,8 Prozent.
Die Städte, die nun in den Abgrund schauen, sollten alles tun, um neue Industrien anzusiedeln. Wissensbasierte, mit hoffentlich guten Zukunftsaussichten. Sie sollten Hemmnisse abbauen, die Ansiedlungen im Wege stehen, vor allem technische Gründer unterstützen und dafür kämpfen, dass sich die Bürger nicht mit dem Niedergang abfinden, der von einer Automobilindustrie ausgehen wird, die durch die Politik schneller in Bedrängnis gebracht wird als es technologisch irgendwann wohl gekommen wäre.
Es ist das Problem eben nicht, dass die Autoindustrie behindert würde sondern im Gegenteil, dass sie subventioniert wird. Man schmeißt gerade massiv dem schlechten Geld Gutes hinterher.
Und die Erneuerbaren Energien, die das Zeug zum Jobmotor gehabt hätten wurden ja willkürlich zerstört und China überlassen…
Aber Hey; Start-ups in Berlin sollen ganz gut gehen…
@herbertowič: Es gibt kaum direkte Subventionen für die Autoindustrie. Das ist ein grünes Märchen. Die Autoindustrie steht für 8 Prozent der Jobs in Deutschland und die Hälfte der privaten Forschungsausgaben. Und sie ist weltweit erfolgreich. Die deutsche Solarindustrie hat sich auf die Subventionen des Staates verlassen, kaum geforscht und wurde von den chinesischen Herstellern vom Markt gefegt. Am Ende bestand der Branche eben fast nur aus Schnorrern. BTW: Solarzellen sind Commodities die automatisiert hergestellt werden. Da gibt es nicht viel Arbeit.