Die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann hat sich in ihrem neuen Buch mit den Folgen der Energiewende beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Analyse sind spannend, auch wenn man die Schlüsse, die sie zieht, nicht teilt.
Selten hat man eine so euphorische und historisch gut belegte Beschreibung des Kapitalismus gelesen wie in Ulrike Herrmanns neuem Buch „Das Ende des Kapitalismus“. Die taz-Redakteurin erklärt, wie überhaupt erst der Kapitalismus die Schaffung sozialer Sicherungssysteme ermöglichte, in welchem Maß der Wohlstand durch ihn in den vergangenen 200 Jahren gestiegen ist und vergleicht die heutigen Lebensumstände auch mit denen unsere Vorfahren: „In den Industrieländern lebt heute jeder gesünder und komfortabler als einst die Könige.“
Doch leider sei die Zeit des Kapitalismus nun vorbei, denn er beruhe auf Wachstum und das sei mit den Anforderungen, vor die uns der Klimawandel stelle, nicht vereinbar. Herrmann plädiert für eine ökologische Kreislaufwirtschaft und eine massive Senkung des Energieverbrauchs. Beides würde zu einem Einbrechen des Wohlstands führen, der sich ihren Berechnungen nach in Deutschland in etwa auf dem Niveau des Jahres 1978 einpendeln würde. Darüber kann man streiten. Ich halte Herrmann, was die technischen Innovationen betrifft, für zu konservativ. Zwar führt sie zu Recht an, dass der Wirkungsgrad von erneuerbaren Energien zu gering sei, um große Mengen an Strom preisgünstig herzustellen, aber die Potentiale neuer Kerntechnologien und Gentechnik unterschätzt sie meiner Ansicht nach ebenso wie die Innovationskraft des Kapitalismus. Bei den Auswirkungen des Klimawandels ist sie zu apokalyptisch. Vince Ebert schreibt in seinem aktuellen Buch Blackout, dass die Wissenschaftler des IPCC erwarten, „dass in Zukunft trotz des Klimawandels die durchschnittliche Lebenserwartung weiter steigen wird, dass die Armut weiter zurückgehen wird, dass immer weniger Menschen Hunger leiden müssen und dass die Durchschnittseinkommen der Menschen weiter steigen werden. Und zwar in jeder realistischen Prognose, selbst im wissenschaftlichen Worst-Case-Szenario.“ Ebert zitiert Brian O’Neill, den Direktor des Joint Global Change Research Institute und einen der IPCC-Leitautoren: „Es gibt kein Mad-Max-Szenario in unseren Abschätzungen.“ In der Klimafolgenforschung sei nicht die Rede von einer Zukunft, die schlechter sein wird als die Gegenwart.
Aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Denn Herrmann führt detailliert aus, warum es ein „grünes Wachstum“, das ja mittlerweile zu einer Leitdoktrin in vielen westlichen Staaten, vor allem in Europa und Deutschland geworden ist, nicht geben kann:
„Dieses »grüne Wachstum« ist jedoch eine Illusion, denn der Ökostrom wird nicht ausreichen. Diese Aussage mag zunächst überraschen, schließlich schickt die Sonne 5.000-mal mehr Energie zur Erde, als die acht Milliarden Menschen benötigen würden, wenn sie alle den Lebensstandard der Europäer genießen könnten.(…) Solarpaneele und Windräder liefern jedoch nur Strom, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Um für Flauten und Dunkelheit vorzusorgen, muss Energie gespeichert werden – und dieser Zwischenschritt ist so aufwendig, dass Ökostrom knapp bleiben wird. Wenn die grüne Energie reichen soll, bleibt nur »grünes Schrumpfen«.“ Wasserstoff zum Beispiel sei so teuer herzustellen, dass es sich in großen Mengen schlicht nicht lohne. Das Gleiche gelte auch Stromtrassen, die Europa mit noch zu bauenden riesigen Solarfarmen in Nordafrika oder Arabien verbinden würde.
Das alles hätte weitreichende Folgen: Ohne Wachstum würden in Banken, großen Teilen der Industrie, aber auch im Bereich des Luftverkehrs Millionen Jobs verschwinden. Um diesen Übergang weg von Wachstum und Kapitalismus zu organisieren, schlägt Herrmann eine Orientierung an der britischen Kriegswirtschaft vor: Der Staat regelt den Verbrauch, der jedem Bürger zusteht. Private Unternehmen produzieren das wenige, was nach den staatlichen Rationierungsvorgaben noch hergestellt werden darf. Alle sozialistischen Vorstellungen indes verwirft Herrmann. Sie seien zu uneffektiv.
Gleich zu Beginn ihres Buches schreibt die taz-Redakteurin: „Klimaschutz kann nur global gelingen, denn die Treibhausgase kennen keine Grenzen. Trotzdem beschreibt dieses Buch zunächst einmal nur ein Konzept für Deutschland. Dies soll nicht den nationalen Tunnelblick befördern, sondern das Verständnis erleichtern.“ Das ist nachvollziehbar, verdeckt aber, dass die von Herrmann beschriebene Mangelwirtschaft wohl auch unter der Voraussetzung, Energie würde nur noch durch wenig leistungsfähige Windräder und Solarzellen hergestellt, vor allem ein mitteleuropäisches Phänomen sein würde. In Europa könne, und das beschreibt Herrmann präzise, es bei ausschließlicher Verwendung erneuerbaren Energien keine Wachstumswirtschaft mehr geben.
Die Grundlage des wirtschaftlichen Aufstiegs Europas war eng verknüpft mit der Nutzung vor allem der Kohle. Später kamen Öl und Gas dazu. Fällt das alles in Zukunft weg, wird Energie knapp und teuer.
Aber in anderen Teilen der Welt könnte das ganz anders aussehen: In Saudi-Arabien entsteht ein Solarpark, der Strom für 1,04 Cent die Kilowattstunden produziert. Sicher hat Herrmann recht, wenn sie die hohen Kosten beschreibt, die anfallen, wenn dieser Strom oder mit ihm erzeugter Wasserstoff nach Europa transportiert werden muss. Aber warum sollten Saudi-Arabien und andere Staaten in Arabien und Afrika nur auf diese Form der Verwertung setzen? Vor Ort ist der Strom so billig, dass es sich zum Beispiel lohnen würde, Stahlwerke oder Chemieanlagen zu betreiben. In Duisburg müssten dann die Werke von Thyssenkrupp ebenso dicht machen wie BASF in Mannheim. Alte Standorte würden durch neue in anderen Weltteilen ersetzt.
Die Folge der Dekarbonisierung der Energieproduktion wäre nicht das weltweite Ende der klassischen Industrien. Sie würden nur aus Europa abwandern, weil sich hier die Produktion ohne Kohle und Gas nicht mehr lohnen würde. Anderswo ginge es mit dem Wachstum weiter.
Und das hätte massive Folgen: Talente jeder Art würden in großer Zahl aus Europa abwandern und anstatt auf dem Kontinent des grünen Schrumpfens zu leben, dahinziehen, wo der Wohlstand höher wäre: Das beträfe Facharbeiter ebenso wie Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Ärzte. Natürlich würden nicht alle gehen, aber viele wären es mit Sicherheit. Als Europa noch arm war, war es ein Auswandererkontinent. Auf unsicheren Schiffen wagten die Menschen die Überquerung der Meere, um in Amerika oder Australien ein besseres Leben zu finden. Kommt einem bekannt vor, oder?
Setzt die Gesellschaft in Deutschland und Mitteleuropa ausschließlich auf erneuerbare Energien, muss die Wirtschaft schrumpfen. In anderen Teilen der Welt könnte die Entwicklung anders verlaufen. Wer ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt, wird Mitteleuropa in die Armut führen – mit allen Konsequenzen wie Wanderungsbewegungen in andere Erdteile. Es wird also nicht ohne technische Innovationen und massive Investitionen in Forschung und Entwicklung gehen, wenn man wirtschaftlichen Rückgang in epischem Ausmaß mit all seinen auch politischen Konsequenzen für den Bestand der Demokratie verhindern will.
Das Problem an Prognosen ist, dass ihr Gegenstand die Zukunft ist. Das gilt auch für den IPCC, für Ulrike Hermann – und selbstverständlich auch für Stefan Laurin. Die Futurologie, eine Disziplin der Politikwissenschaften, versuchte sich in Prognostik, bekam aber deren Abgründigkeiten nicht in den Griff und versank in der Bedeutungslosigkeit. Alles längst vergessen vom Menschen, der den Traum träumt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beherrschen.
Der Pilosoph Ludwig Wittgenstein ließ seinen Tractatus Logicus philosophicus mit dem Satz enden: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“. Laurin schreibt gleichwohl mit Herrmann: „Wer ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt, wird Mitteleuropa in die Armut führen“. Diese Aussage mag vielleicht als Aussage über die Gegenwart noch angehen, als Aussage über die Zukunft hingegen ist sie anmaßend, und offenkundig falsch. Denn niemand weiß, was „erneuerbare Energien“ in fünf Jahren sein werden. Und nicht einmal, ob sie noch gebraucht werden. Wir wissen noch nicht einmal, ob die Atomkraftwerke der EU in fünf Monaten noch stehen oder von Putin zerstört wurden.
Erdgas ist doch öko oder?
Wer normalerweise mit Erdgas heizt, aber über einen offenen Kamin verfügt, oder noch einen älteren Kohleofen benutzen kann, wird das jetzt tun. In meinem recht kleinen Bekanntenkreis sind ds mindestens fünf Leute, die mir das gesagt haben. Die verbrennen jetzt alles was sie verbrennen können. Sogar imprägniertes Holz. Wenn dann die Meßwerte, trotz sparen,bei einigen Substanzklassen höher sind als vor Habeck, wundert mich das nicht. Menschen schützen sich halt selber, bevor sie frieren. Und diejenigen, denen die Gaskrise finanziell nichts ausmacht, werden feuern, was das Zeug hält, und vielleicht auch nur, um zu zeigen, daß sie sich das leisten können.
Europa wird in absehbarer Zukunft seinen Strom keineswegs nur aus Solar- und Windanlagen beziehen. Vieles deutet auf eine Renaissance der Kernenergie hin und unsere Nachbarn und die Welt setzen zunehmend auf diese grundlastfähige Energiequelle.
Weil dem so ist, wird auch in Deutschland Atomstrom verbraucht werden, egal ob die Kraftwerke nun in Deutschland stehen oder nicht.
#1 Heribert Wasserberg
Aus der Ungewissheit der Zukunft abzuleiten, das die Energiewende richtig ist, ist mehr als gewagt, nur Idioten setzen ihre gesamten Ressourcen auf etwas, dessen benötigte Fähigkeiten möglicherweise nie oder erst Jahrzehnte nach der Umstellung eintreten.
Im Grunde ist das eine Art Sozialdarwinismus, der den mögliche Zusammenbruch billigend in Kauf nimmt.
Aber wie Wolfram Obermanns richtig schreibt, wird das nicht passieren, denn die Kernenergie ist schon jetzt die Energie der Zukunft und Frankreich freut sich schon darauf uns seinen aus Atomstrom gewonnen Wasserstoff zu verkaufen.
Interessant ist da eher was das für die Strompreise beim Verbraucher bedeutet, die deutlich über der Kernenergieerzeugung liegen könnten, besonders wenn das derzeitige Preisbildungskartell fortbesteht und möglicherweise am Ende das selbe Ergebnis bringen wie vom TAZ Autor beschrieben, nur langsamer.
Ich glaube nicht das es so kommt, es dauert nur noch ein paar Jahre falls wir die Inflation noch mal in den Griff kriegen sollten, vielleicht ein Jahrzehnt, bis die Kaufkraft in Deutschland so niedrig ist und damit auch das Steueraufkommen, das die Energiewende unfinanzierbar wird.
Und dann werden Atomkraftwerke mangels Zeit ohne Rücksicht auf Verluste gebaut werden oder fossile Brennstoffe en masse genutzt werden.
Ständig bergab….
Zu dieser Feststellung in krassen Widerspruch steht das, was Apple-Boss Tom Cook und leitende Mitarbeiter bei ihrem derzeitigen Besuch in München gesagt haben, u.a. :
Für München als Entwicklungsstandort spricht,, daß international hochqualifiziertes Personal gerne ich München wegen der hohen Lebensqualität arbeiten möchte.
Derzeit arbeiten im Appel-Entwicklungszentrum München bereits Menschen aus 4o Nationen.
Die universitäre Blildung in Deutschland hat eine sehr hohe Qualität.
Der unternehmerische Geist ist großartig.
Passen diese positiven Aussagen zur Deutschland als Wirtschaftsstandort -speziell zu München- nicht in das Weltbild allderjenigen, die sich nur wohl zu fühlen scheinen, wenn es Negatives zu berichten und zu kommentieren gibt -auch hier bei den Ruhrbarone- ?
@Walter Stach: Es gibt in ganz Europa kein Unternehmen wie Apple. Und auch keins wie Facebook, Google oder Microsoft. Im IT Bereich ist der Kontinent so angehängt wie im Bereich Gentechnik. Daran ändern auch ein paar Entwicklungszentren nicht. Und klar, Bayaern hat es gut: An einen Sozi in der Landesregierung erinnern sich nicht mal die Greise. BTW: Apple nutzt viele Produkte, die von deutschen Mittelständlern hergestellt werden. Da das Unternehmen sehr preisbewusst ist, wird es das nicht mehr tun wenn diese Produkte durch die Energiepreise zu teuer werden.
Im Augenblick ist die EU ziemlich abhängig von einem Lieferanten für Uran, der-man glaubt es kaum-eine russische Firma ist-. von Sanktionen,Lieferstopp oder Preisdeckel ist da allerdings nix zu hören oder zu lesen. Fake Newa?.. Jetzt mal ernsthaft,statt über möglichen Wohlstandsverlust auch durch weniger Atomstrom zu jammern,wäre es ehrlicher und für die Ukraine sicher nützlicher,wenn auch hier ähnliche Maßnahmen wie bei Gas,etc getroffen werden würden. . Die Ukrasiner bluten und sterben auch für uns, und wir sitzen im Hellen dank Uran von einer russischen Firma? Ziemlich schäbig,finde ich.
[…] Deindustrialisierung führen, wie die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann es in ihrem aktuellen Buch „Das Ende des Kapitalismus“ beschrieben hat. Ob ein solcher Kurs in die Armut eine Mehrheit findet, darf bezweifelt […]
@Thomas Weigle: Es gibt noch eine Uranlagerstätten in Deutschland: https://de.wikipedia.org/wiki/Wismut_(Unternehmen)
#6 Walter Stach,
Konzerne denken betriebswirtschaftlich, die Wechselwirkungen der Volkswirtschaft interessieren sie nicht. Wäre es anders hätte es z.B. die Große Inflation 1929 nie gegeben.
Auffällig ist aktuell das für Volkswirte Ähnliches zu gelten scheint. Immer wieder ist festzustellen, das volkswirtschaftliche Aussagen zur aktuellen Krise betriebswirtschaftliche Risiken wie Liquiditätsmängel nicht auf dem Schirm haben und ihre Prognosen deshalb zu gut ausfallen.
So wird völlig ignorieret, das in manchen Branchen bis zu einem Drittel der Betriebe sich vor der Aufgabe sehen.
in der Regel mangels Liquidität. Ein Größe die volkswirtschafltichen Rechnungen nicht vorkommt.
Bei den Betriebswirten der Konzerne scheint häufig der kausale Zusammenhang zu fehlen, was dies in form einer Kettenreaktion bedeuten könnte. Hinzu kommt das sie sich voll und ganz auf den Staatverlassen, ähnlich wie in der Finanzkrise.
Das könnte ganz böse ausgehen.
#8 | Thomas Weigle
Das Uran für den Weiterbetrieb soll wenn aus Kanada kommen.
[…] immer weniger gläubige Zuhörer finden. Die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann hat in ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind“ beschrieben, dass es kein grünes Wachstum geben kann. Grüne Politik würde zu massiven […]