Englische Woche zum Rückrundenstart – Willkommen zurück im ‚Zirkus‘ Fußball-Bundesliga

Die Arena in Gelsenkirchen. Foto: Michael Kamps
Die Arena in Gelsenkirchen. Foto: Michael Kamps

‚Englische Woche‘ zum Jahresauftakt in der Fußball-Bundesliga. Konkret hieß das diesmal, nach wochenlanger Winterpause, nun gleich drei Spiele pro Team innerhalb von 8-9 Tagen.
Und der Vorteil von so vielen Spielen innerhalb weniger Tage, man bekommt als Beobachter direkt mal wieder einen Eindruck wie schnelllebig das Geschäft inzwischen auf vielen Ebenen geworden ist, wie schlagartig sich die Stimmung rund um einige Teams innerhalb nur weniger Tage, ja manchmal sogar nur durch ein einziges Ergebnis, verändern und manchmal sogar komplett umkehren kann.
Hierfür lieferte der aktuelle, der 20. Spieltag, der Bundesliga mal wieder so einige diskutable Beispiele. Genannt seien hier nur die Beispiele FC Schalke 04, Bayern München, Hertha BSC, Hamburger SV und vor allem auch Borussia Dortmund.

 
Aus Ruhrgebietssicht stechen da natürlich der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund heraus. Beide Teams haben eine emotionale Woche hinter sich.
Die Gelsenkirchener besiegten Hannover nach dürftiger Leistung 1:0, punkteten dann beim 1:1 in München bei den Bayern, und besiegten am Freitag dann Mönchengladbach daheim ebenfalls mit 1:0. 3 erzielte Tore, 7 Punkte! Das kann sich wahrlich sehen lassen. Trotzdem waren Fans und Beobachter mit den Gelsenkirchenern zunächst gar nicht recht zufrieden. Das 1:0 gegen Hannover war vielen zu destruktiv herausgespielt, der Punkt in München, in Anbetracht der langen Überzahl bei den Bayern, sogar Manager Horst Heldt zu mutlos und letztendlich dann auch nicht wirklich zufriedenstellend. Erst am Freitag kippte die Stimmung im Umfeld. Das 1:0 gegen erschreckend harmlose Gladbacher stimmte dann plötzlich alle irgendwie recht zufrieden, wurde als Erfolg des Defensivsystems von Trainer Roberto Di Matteo begriffen. Dabei war es spielerisch nicht schöner anzusehen als das mühsame 1:0 gegen Hannover. Trotzdem war weniger für viele jetzt plötzlich anscheinend aber dann doch deutlich mehr. Ob die Fans begriffen haben, dass letztendlich nur die Punkteausbeute entscheidend ist? Als neutraler Zuschauer hätte es trotzdem etwas mehr Spektakel sein dürfen als die Schalker gezeigt haben. Aber die 7 Punkte mit 3 Toren, bei nur 1 Gegentor bisher, das lässt sich auf der anderen Seite aber auch nicht wegdiskutieren. Schön ist allerdings irgendwie anders…

 
Noch emotionaler und extremer die Woche beim Nachbarn aus Dortmund. Ein als Erfolg verbuchter Punkt beim 0:0 in Leverkusen galt zunächst als durchaus gelungener Einstand in das Fußballjahr 2015. Doch scheiterte die Mannschaft dann, zur Überraschung vieler, beim Heimdebut gegen den ambitioniert auftretenden FC Augsburg. In der Offensive schwach und in der Abwehr wackelig wie im längst verdrängten Herbst, entsetzte der BVB seine Fans, sorgte für ernsthafte Zweifel an einer besseren Zukunft. Bis zum gestrigen Samstag. Ein gänzlich anders auftretender BVB besiegte den SC Freiburg im Schwarzwald souverän mit 3:0. Eine Leistung die wieder an alte, an bessere Zeiten der Dortmunder erinnerte. Und sofort kippte auch hier das Stimmungsbarometer wieder von einem Extrem ins andere.
Hoffentlich vergisst der Vizemeister nicht, dass dies nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Genesung gewesen sein kann, so wie Jürgen Klopp es auch nach der Begegnung betonte. In den Köpfen einiger Spieler schienen sich jedoch nicht nur einige Blockaden gelöst zu haben, teilweise spürte man hier schon wieder das alte Selbstbewusstsein in den Interviews nach dem Spiel aufblitzen. Kann man nur hoffen, dass sich die Konzentration hier in den nächsten Tagen wieder einstellt. Als Tabellensechzehnter ist der BVB nun wahrlich noch nicht über den Berg, auch wenn die Erleichterung gestern natürlich auch irgendwie verständlich riesengroß war.

 
Ähnlich erleichtert zeigte man sich bei Hertha BSC. Der Hauptstadtclub hatte nach zwei schwachen Auftritten zum Beginn, und der Trennung vom Trainer, mit Neu-Coach Pál Dárdai, nun in Mainz klar und deutlich mit 2:0 gesiegt und wähnt sich nach nur einem Sieg nun ebenfalls bereits auf dem Wege der Besserung. Doch auch hier musste der neue Übungsleiter sofort auf die Euphoriebremse treten. In Interviews betonte Dárdai doch erst zweimal mit der Mannschaft trainiert zu haben. Es schien, als wolle er seine Rolle am Erfolg erst einmal kleiner machen als sie von Fans und Medien schon gemacht wurde.

 
Auch der Hamburger SV hat eine solche Woche der Extreme hinter sich. Nach einer bitteren Auftaktniederlage daheim gegen Köln siegten die Hanseaten klar in Paderborn und nun gestern auch gegen Hannover 96. Wobei Hannover beim 2:1 des ‚Dinos‘ am Samstagabend eigentlich die deutlich aktivere, die bessere Mannschaft stellte. Trotzdem sangen die Fans im HSV-Block nach dem Spiel plötzlich und euphorisiert ‚Oh, wie ist das schön!‘. Vor einer Woche sah das hier noch komplett anders aus. So schnell kann das offenbar auch in Hamburg gehen…

 
Nach zwei nicht gewonnenen Spielen zum Auftakt siegten am Samstag auch die Bayern (mal) wieder und brachten alle Kritiker, welche sich nach dem 1:4 in Wolfsburg und dem mageren 1:1 gegen Schalke in München, bereits begannen ihre ‚Messer‘ zu wetzen, erst einmal wieder zum Schweigen. Beim glanzlosen aber souveränen 2:0-Sieg des Tabellenführers beim VfB Stuttgart lief es für den Rekordmeister ‚endlich‘ mal wieder planmäßig. Zuvor gab es bereits etliche Artikel über die angebliche ‚Krise‘ des Pep-Systems zu lesen. Nun befinden sich auch die Bayern, wenn in der Rückrundentabelle auch noch immer hinter dem BVB (man mag es kaum glauben) wieder in der Spur. Zumindest scheint es aktuell wieder so.

 
Ähnliche Beispiele für radikalen Stimmungswechsel ließen sich noch weitere aufführen.
Schon bemerkenswert wie schnell das Tagesgeschäft im Fußball geworden ist. Da reicht es manchmal scheinbar wirklich ein Spiel mit Glück zu gewinnen um mit dem Club in ein ganz anderes Fahrwasser zu geraten.

 
Tabellenletzter der Rückrundentabelle, und davon spricht komischer Weise bisher niemand so wirklich, ist übrigens die TSG Hoffenheim. Die Günstlinge des SAP-Mitbegründers Dietmar Hopp haben als einzige Mannschaft bisher im Jahre 2015 noch keinen Punkt abbekommen, verloren auch gestern glatt mit 0:3 in Wolfsburg. Nur interessiert das in Fußballdeutschland offenbar vergleichsweise kaum jemanden. Wohl Fluch und Segen zugleich….

 
Aus Ruhrgebietssicht kann man es dem BVB natürlich nur wünschen, dass ihm die Trendwende gestern wirklich gelungen ist. Sollte das Heimspiel gegen Jürgen Klopps Ex-Verein Mainz am kommenden Freitag allerdings wieder verloren gehen, dann könnte sich die in Freiburg erzeugte Aufbruchsstimmung auch ganz schnell wieder ins Gegenteil verkehren.
Einen schönen Vergleich für die Situation der Dortmunder gab es gestern übrigens auf Sky zu hören. Dort wurde sinngemäß gesagt, dass der BVB nun also offenbar endlich tatsächlich in die Kurve eingefahren ist. Ob er sie am Ende aber auch bekommen wird, dass müsse es sich erst noch zeigen. Das trifft es wohl ganz gut.

 
So ist das halt im schnelllebigen Bundesligageschäft des Jahres 2015. Irgendwie geht es am Ende überall ein Wenig zu wie im ‚Zirkus‘….

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leoluca
leoluca
9 Jahre zuvor

@ Robin Patzwald

Danke für den Link. Sehe das Schalker Spiel ähnlich.

Man überließ Gladbach zwar den Ballbesitz und griff meist nur sehr gut abgesichert an, indem die Flügelverteidiger defensiv blieben – aber man griff an (statt sich hinten rein zu stellen), sobald sich Gelegenheit bot: mit schnellen Direktpässen meist über Barnetta und Boateng. Davor hatten die Gladbacher großen Respekt, weshalb sie ihre Konter, die eigentlich ihre große Stärke sind, bemerkenswert vorsichtig führten.

Klar, Schalke war offensiv nicht gerade überaktiv, aber flexibel, wenn der Ball vor dem gegnerischen Strafraum war. Choupo-Moting und Boateng wechselten im Sturm oft die Positionen, kreuzten, wichen auf die Flügel aus oder ließen sich zurück fallen, um Gladbach zu locken.

Verbunden mit dem starken Schalker Pressing war diese Wuseligkeit der Schalker Stürmer, mit der immer zu rechnen war, ziemlich unangenehm für Gladbach.

Ich denke, dass Gladbach genau deshalb so überraschend harmlos wirkte. Sie kriegten die Pocke einfach oft nicht über die Mittellinie, weil Schalke eben nicht nur hinten drin stand, wie so gern behauptet wird, sondern weil die gesamte Schalker Mannschaft das von Di Matteo vorgegebene Defensivkonzept äußerst diszipliniert und beweglich zugleich herunterspielte. Die gefährlichen Gladbacher Stürmer Raffael und Kruse kamen meist nicht zum Einsatz und so fehlte dem Schalker Gegner die Durchschlagskraft.

Man sieht von Spiel zu Spiel mehr die Handschrift des Trainers, der anfangs recht skeptisch auf Schalke begrüßt wurde. Das ist – glaube ich – eine große Wohltat für das königsblaue Erregungskartell.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Hatte man auf Schalke nicht genau mit diesem Spielstil rechnen können und müssen, als man di Matteo holte?

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Robin,
können BVB-Fans überhaupt „halbwegs“ objektiv ein S04-Spiel kommentieren?
Ich kommentiere jedenfalls nicht!

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

„….emotionslos an, wie die aktuell laufende Begegnung Augsburg gegen Frankfurt an.“ Besser kann man die Schäden, die „so viel Fußball wie möglich“ anrichtet, nicht ausdrücken. Weniger ist oft mehr.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Robin, mein Beitrag war nicht ganz ernst gemeint. Generell finde ich aber, dass Emotion dem Fußball erst die richtige Würze gibt. Viele Fußballspiele, so wie bspw das gestrige Endspiel zwischen Ghana und der Elfenbeinküste sind doch nur mit Emotion zu ertragen, vom absolut hinreißendem shootout am Ende abgesehen. Bill Shankly sagte ja mal sinngemäß, dass Fußball sehr viel mehr als nur eine Sache von Leben und Tod sei. Für mich gilt: Eintracht Frankfurt, alles andere ist doch nur Fußball.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Es geht mir nicht in den Kopf hinein, wie kann ein Mensch nicht für die Eintracht sein. Frei nach dem Frankfurter Mundartdichter Stolze.

Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Robin,dann kann ich dir nur raten, jetzt mal ins Waldstadion zu gehen. Da hat sich einiges geändert. Auch bei Auswärtsspielen ist im Eintrachtblock ohne Ende Programm. Sitzplatz zu buchen, ist sinnlos, weil ein großer Teil ununterbrochen steht, singt und rumhüpft. Ich bin ja auch jahrelang nicht mehr in Frankfurt im Stadion gewesen und fahre jetzt doch wieder öfter von OWL ins Stadion oder zu Auswärtsspielen im Norden. Es ist Stimmung und macht Spaß.
Jetzt bräuchte es nur noch eine Mannschaft, die die Klasse der Fans hat, die schon meisterlich sind.

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