Einer der größten Umweltskandale in Nordrhein-Westfalen wurde gestern am Landgericht in Dortmund weiterverhandelt. Die Verteidiger des angeklagten ENVIO-Geschäftsführers Dirk Neupert gaben sich siegessicher – die Nebenkläger werden weiterkämpfen. Nachdem Thomas Kelm, Vorsitzender der Strafkammer, in der letzten Woche das Zwischenfazit im ENVIO-Prozess gezogen hatte, dass eine Verurteilung des wegen Körperverletzung „aus jetziger Sicht problematisch sei“, war die Enttäuschung groß. Die zahlreichen Krankheitssymptome der 50 Opfer, die als ehemalige ENVIO-Arbeiter dem PCB schutzlos ausgesetzt waren, würden „nicht zweifelsfrei“ auf die erhöhten PCB-Werte im Blut der Betroffenen zurückgeführt werden können, führte Richter Kelm aus. Am gestrigen Prozesstag beschrieb jedoch der vom Gericht bestellte Gutachter und PCB-Experte Prof. Dr. Wolfgang Rotard (TU Berlin) sehr anschaulich, wie giftig und gefährlich PCB ist. Der Prozess ist also noch nicht endgültig entschieden.
Das Gericht hatte zwar deutlich gemacht, dass es sich vor allem auf das Gutachten von Professor Albert Rettenmeier , der von der Staatsanwaltschaft bestellt wurde, bezieht. Für das Urteil im Prozess werden alle vorliegenden Gutachten und Beweismittel ausgewertet, aber man kann sagen, dass im Moment Rettenmeier zum „Hauptgutachter“ gemacht wurde. Diese Entscheidung erschliesst sich einem nicht ganz, hat doch Rettenmeier in seiner Ausführungen vor Gericht durch seine allgemeinen Aussagen wenig zur Aufklärung beigetragen.
Prof. Dr. Thomas Kraus, Direktor des renommierten Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin am Universitätsklinikum Aachen leitet das medizinische Betreuungsprogramm der ENVIO-Arbeiter und hat sie eingehend untersucht. Er zieht andere Schlüsse als Prof. Dr. Rettenmeier, der in seinem Gutachten als Ursache für die Krankheitssymptome genetische Veranlagungen, individuelle Lebensstile und andere Umstände als ‚Beweis für die Unbeweisbarkeit‘ eines Zusammenhanges von Symptom und PCB-Vergiftung vorbrachte. Wie Übergewicht oder Alkoholgenuss zu Chlorakne führt, hat Rettenmeier jedoch nicht erläutert. Dennoch feierten sich die Verteidiger von Dirk Neupert schon vor der Urteilssprechung ihren vermeintlichen Erfolg und sahen dem Freispruch ihres Mandanten erstaunlich hoffnungsfroh entgegen.
Die Anwälte der Kanzlei Dr. Birkenstock sehen jedoch den Prozess noch keineswegs als vor-entschieden oder verloren an und bezweifeln das Gewicht des Rettenmeier Gutachten, auf das sich die Kammer „im Kern“ bezieht. Es sei lückenhaft und nicht auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Die Nebenklage-Anwältin Jordana Wirths erstaunt, dass die so genannte Telomerproblematik im Gutachten von Prof. Dr. Rettenmeier völlig ausgeklammert wurde, obwohl dies für die Frage der angeklagten Körperverletzungsstraftaten bedeutsam ist. Rettenmeier habe sich in die Thematik Telomerverkürzung durch PCB nach seinen eigenen Angaben noch nicht einmal vertieft eingearbeitet. Eine wie bei den ENVIO-Arbeitern festgestellte Verkürzung der Telomere kann aber nach den neuesten, zum Teil bereits publizierten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit einem erhöhten Tumorrisiko – also der Entstehung von Krebs – einhergehen. Dies bestätigte heute auch Prof. Dr. Thomas Kraus auch gegenüber diesem Blog. Bei den Untersuchungen der ENVIO-Arbeiter sei ein
„statistisch hochsignifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe der PCB-Belastung und der Telomerlänge festgestellt wurde. Ein solcher Befund muss als relevant bezeichnet werden.“
Für Prof. Dr. Kraus stellt klar, dass seine Untersuchungsergebnisse eindeutig zeigen, dass je höher die PCB-Belastung des Betroffenen ist, desto kürzer ihre Telomere sind und zieht das Résumé: „Diese Dosisabhängigkeit ist ein starkes Indiz für Kausalität!“ Die Ergebnisse wurden auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin im April dieses Jahres vorgestellt.
Auf Grundlage dieser Kenntnisse haben Dr. Birkenstock und Jordana Wirths bereits am vergangenen Donnerstag einen Antrag auf Einholung der weiteren Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. Kraus bei der Strafkammer gestellt. Dieser hat Untersuchungsergebnisse zu den Nebenklägern, die er ohne Zeitverzögerung dem Gericht vortragen könnte. Unwahrscheinlich, dass das Gericht dies ablehnen wird, ist es doch – angesichts der Komplexität der wissenschaftlichen Materie nicht ganz einfach – um die Erforschung der Wahrheit bemüht.
Zudem ist bekannt, das bereits mehrere der ENVIO-Opfer unter (teils erheblichen) Telomerverkürzungen leiden. Die Kanzlei Dr. Birkenstock lieferte in ihrem Beweisantrag eine Sammlung der aktuellsten wissenschaftlichen Untersuchungen und meint, „dass die Kammer angesichts der eingereichten Untersuchungsergebnissen weitere Maßnahmen veranlassen muss, um die Kausalitätsfrage bezogen auf die erheblichen Telomerverkürzungen und die PCB-Belastungen aller betroffenen Personen, die im im ENVIO-Betrieb gearbeitet haben, zu klären.“ Die Anwälte gehen davon aus, dass die Kammer die Beiziehung der weiterer Untersuchungsergebnisse sehr sorgfältig prüfen wird und dem „starken Indiz“ in dne nächsten Prozesstagen die notwenige Bedeutung in der Beweisaufnahme zugestehen wird.
Auch die Ergebnisse des Gutachtens von Prof. Dr. Rotard wurden gestern mit Interesse vom Gericht verfolgt. Es bezog sich auf mögliche Umweltschädigungen durch PCB. Rotard ist unzweifelhaft ein Experte: Er war maßgeblich an den durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgesetzten Grenzwerte für PCB mit seinen Forschungsergebnissen beteiligt und war deutscher Vertreter bei der Stockholmer Konvention, die weltweit für das Verbot von PCB und Dioxinen sorgte. Er machte vor Gericht deutlich, das PCB permanent durch Vergasung freigesetzt wird, „bis alles verschwunden ist“ und auch wenn dies bei dem schwerflüchtigen Stoff PCB ein längerer Prozess sei, ist die Quintessenz, dass die Umwelt immer weiter kontaminiert wird“.
Im weiteren Vortrag seines Gutachtens verwies er auf die so genannten „dl-PCBs“, die ein den Dioxinen vergleichbares toxisches Wirkprofil haben. Dioxin ist 500-mal giftiger als Strychnin. Dann zählte die zahlreichen Richtlinien, Grenzwerte und Gesetze auf, wobei deutlich wurde dass sich die aktuellen Forschungsergebnisse zur Gefährlichkeit von PCB in der Gesetzgebung niedergeschlagen haben. Zum Beispiel wurde 2013 im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) eine deutliche Verschärfung vorgenommen: Für den PCB-Experten waren diese „dramatische Verringerung der PCB-Immissionen eine zwingende Maßnahme“.
Auch dieses Gutachten, das letztendlich die Nebenklage stärkt, hat den Opfer-Anwalt Rolf Quittmann darin bestätigt, das es „im Prozessen immer Hochs und Tiefs gibt. Die Verteidigung glaubt zwar im Moment ein Hoch zu haben, aber das kann sich ganz schnell ändern“. Terminiert ist der Prozess bis Ende des Jahres – Anwalt Quittmann rechnet mit einem Urteilsspruch spätestens im Dezember. Das Hoffen auf Gerechtigkeit und Bangen um eine mögliche Entschädigung für die erlittenen körperlichen Schäden hat dann für die betroffenen Opfer endlich ein Ende. Man kann ihnen nur wünschen: Ein gutes Ende.
Tja, die Staatsanwaltschaft hat mit der Bestellung Prof. Rettenmeiers als Eingangsgutachter ein fettes Eigentor geschossen, was man halt an der methodischen und inhaltlichen Undifferenziertheit des Gutachtens deutlich merkt. Problem ist wohl auch, dass der Vorsitz keine ganz großen Böcke auf noch viel mehr Prozesstage hat, das wurde doch schon mit der „Umwandlung“ der Gutachterliste der Anklage in eine Zeugenliste deutlich.
Ich verstehe immer noch nicht, wie eine Staatsanwaltschaft, die vorher groß getönt hatte, dass man in diesem Prozess endlich eine Grundsatzentscheidung für eine Beweislastumkehr bei Umweltstraftaten mit Gesundheitsfolgeschäden anstrebt, derart unprofessionell fast alles geschehen lässt, was der Verteidigung in die Karten spielt. Und dass es statt „Nebenklagevertreter Dr. Birkenstock“ jetzt nur noch „Kanzlei Birkenstock“, also zweite Reihe heißt, wirft ebenso einen bedeutsamen Blick auf die stark geschrumpfte Menge an Vertrauen, welches die Anklage insgesamt in ihre eigene Leistungsfähigkeit hat.
Dr. Birkenstock ist an anderer Stelle im Artikel namentlich genannt, da er ja auch weiterhin intensiv in alles rund um die Verhandlungen involviert ist. Davon ab ist Rechtsanwältin Jordana Wirths keineswegs zweite Reihe. Am vorletzten Prozesstag hat sie über 1 Stunde über PCB und die Auswirkungen von PCB auf den menschlichen Körper vorgetragen.
@#2 Ulrike Maerkel: Mir sind persönlich Betroffene und Nebenkläger bekannt, die sich bislang *nichts* von der Anwesenheit dieses „Staranwalts“ erhofft haben. Die Medien haben ihn bislang ebenso links liegen gelassen, also ist die Erwähnung einer „Kanzlei Birkenstock“ anstatt der Person doch Grund genug, heute nach deren Leistungsnachweis zu fragen – immerhin mehr als 2 Jahre nach Prozessbeginn…
Suche PCB Opfer für geplanten TV Beitrag für eine öffentlicvh-rechtliche Anstalt.
Bei Interesse biie wenden an gerdgerlach@fernsehkombinat.de
Update nach immerhin exakt einem Jahr:
http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/neues-gutachten-sorgt-fuer-eineinhalb-jahre-verzoegerung-id11032128.html
Prof. Rotard wird dann wohl ein weiteres Gutachten liefern, in dem er beurteilen soll, welche Arten von Transformatoren, die bei Envio entsorgt wurden, denn welche quantitativen PCB-Konzentrationen aufwiesen und damit einen erhöhten Gefährdungsgrad für die Mitarbeiter darstellten, die direkt damit zu tun hatten.
@Ulrike Maerkel: Gibt es da konkretere Infos zu? Der RN-Artikel v. Martin Braunschweig ist ungenau, wenn er mal wieder alle PCB-Varianten quasi über einen Kamm schert. Allerdings deutet der Hinweis von Richter Kelm mit den Lieferscheinen wohl darauf hin, dass man sich nun endlich auch mal die angelieferten Trafo-Mengen bez. der dort enthaltenen und dokumentierten PCB-Produkte/-Inhaltsstoffe genauer anschauen will. Für einen schon so lange andauernden Prozess wäre das nur eine weitere Peinlichkeit der Verfahrensführung.
lieber
Lieber Dortmunder, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht, die Wacht am SPD-Klüngelstrom der Gewerkschaftslobby und der neuerdings martinschulzenden Lügen über Umweltverbrechen mit Menschenopfern, die aufgrund lockerer Fehlinterpretationen von Ministerialerlassen von Wolfgang Clement und Bärbel Höhn erst so richtig "Schwung" bekamen
…und die Verantwortung für Deine Umwelt solltest Du besser in die fettigen Klauen der Dortmunder Richter und Staatsanwälte legen:
http://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/ende-des-envio-prozesses-100.html
Wer gerne selbst recherchiert: "Gem. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – VII-6 – 30.40.9 u.d. Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr IV A 6 – 46-80 – v. 13.11.2001: Berücksichtigung eines nach DIN EN ISO 14001 zertifizierten Umweltmanagementsystems beim Verwaltungsvollzug."
Ergebnisse rotgrüner Verharmlosungs- und Verheimlichungspolitik zwecks Schutz von ansonsten kriminellen Entsorger-Vereinen, die sich mit stolzen Bürgergebühren um die Entsorgung der Industrieabfälle kümmern sollten:
"Nach fast fünf Jahren Prozessdauer habe sich nur ein Bruchteil der ursprünglichen Vorwürfe beweisen lassen, so der Vorsitzende Richter in seinen Ausführungen am Dienstag (14.03.2017). Die Vergiftung der Envio-Arbeiter mit PCB sei nicht als Körperverletzung zu werten. Auch die vorgeworfenen Umweltvergehen seien nicht so erheblich.
…Maßnahmen waren nach Ansicht des Gerichts aber nicht genehmigungspflichtig. Und überraschenderweise wurde festgestellt, dass dadurch unter dem Strich die Umwelt nicht wesentlich stärker belastet wurde als wenn alles ordnungsgemäß gemacht worden wäre."
Und meine fast 5 Jahre alte Einschätzung der Erfolgsaussichten dieses albernen Pseudoprozesses unter tatkräftiger Mitwirkung einer wie immer völlig überforderten Dortmunder Staatsanwaltschaft ist somit aktueller denn je: https://www.ruhrbarone.de/envio-prozess-dirk-neupert-droht-langjaehrige-haftstrafe/42034#comment-138346
Der PCB Skandal startet doch damit, dass überhöhte Werte gemessen wurde, aber die Verursacher-Suche dauerte:
http://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/PCB-in-Kleingaerten-Brachflaeche-im-Hafen-unter-Verdacht;art930,574922
Wenn man dann auf die Karte blickt und die Unternehmen betrachtet ….
Hoffentlich wiederholt der WDR seine Reportage zu dem Thema. Ich hätte damals vor Wut/Enttäuschung fast in den Bildschirm gebissen.
Der Fall ist ein gutes Beispiel dafür, was der kleine Mann aktuell vom Staat und seinen Organen in NRW zu erwarten hat.
Zur Leistungsfähigkeit des Rechtssystems: Es gibt da seit Jahren noch den Fall Loveparade.
Und dann sind Gerichte … überlastet. Warum wohl?
Ende einer Justizposse (von heute):
http://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/envio-verfahren-eingestellt-100.html
Freundlicherweise hat der WDR auch noch einen 7 Jahre alten Artikel von Katrin Schlusen verlinkt, der schon damals die Dortmunder Staatsanwaltschaft beleuchtete:
http://www1.wdr.de/archiv/pcb-skandal/envio188.html "Ermittler überfordert?"
Wie gesagt, diese Beurteilung durch die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm stammt von *vor* dem Prozess und hat sich nun leider in für die Opfer enttäuschender Art und Weise bestätigt.
Klaus Lohmann,
ich habe die aus juristischer Sicht interessante Kritik an…u.a. an der DO-Staatsanwaltschaft- mit Interesse gelesen. Ich kann mir eine darauf bezogene Diskussion nicht erlauben, weil ich vom Sachverhalt , von der materiellen Rechtslage und von den strafverfahrensrechtlichen Besonderheiten zu wenig weiß.
Insofern beschränke ich mich mit meinen Anmerkungen auf die "gesellschaftspoltische" Relevanz des gesamten Verfahrens. Ich hatte zunächst mit Bekanntwerden des Umweltskandals den Eindruck, daß es ein über DO hinausgehendes großes gesellschaftspolitisches Interesse daran gab, den Sachverhalt in allen und durch alle beteiligten/betroffenen Behörden lückenlos aufzuklären und in einem Strafverfahren zu versuchen, die Frage nach Schuld und nach Schuldigen möglichst zweifelsfrei zu beantworten, und das Alles nicht nur wegen der mitfühlenden Solidarität mit den Geschädigten, sondern auch deshalb, weil jedermann bewußt zu sein schien, daß ihm das Selbe oder Vergleichbares hätte passieren können oder noch passieren kann. Heute registriere ich, daß sich über einen kleinen Kreis derjenigen hinaus, die dem Geschehen räumlich sehr nahe waren bzw. noch sehr nahe sind oder die als besonders engagierte sog. Umweltaktivisten in DO sich der Thematik/der Problematik angenommen haben und weiterhin anzunehmen scheinen oder die aus anderen Gründen sich persönlich betroffen oder herausgefordert sehen -z.B. juristisch-, heute jedoch die Causa Envino "gesellschaftspolitisch" gar keine mehr zu sein scheint -nicht über die Stadtgrenzen Dortmunds hinaus und selbst innerhalb DO nicht mehr zu sein scheint -oder irre ich mich bezüglich der gesellschaftspolitischen Bedeutung, besser wohl Bedeutungslosigkeit der ehemals sog. Causa Envino in DO und darüberhinaus?
Ist das so? Und wenn das so sein sollte frage ich mich , warum das so ist. Denn darüber nachzudenken ist mir persönlich a.) ehe gestattet als über "juristische Feinheiten" zu diskutieren, denn dazu fehlt es mir an Fachkompetenz , und erscheint mir b.) zudem gesellschaftspolitisch nahe zu liegen.
Ist der Wunsch von Ulrike Maerkel -sh. abschließend in ihrem Kommentar- "der einsame Wunsch " einer einzelnen Person aus dem Kreis einiger Weniger, die emotional unverdrossen auch heute noch auf der Seite der Geschädigten stehen und die der Sache wegen, also immer dann, wenn es um das Aufdecken und das juristische "Abarbeiten" gravierender Verstöße gegen umweltschützende/gesundheitssichernde Normen in Betrieben/Unternehmen geht, sich engagieren und die folglich u.a. alles tun, um eine diesbezügliche gesellschaftspolitische Relevanz zu erzeugen, zu erhalten oder wieder herzustellen?
Oder gibt es, zumindest in der "Mehrheitsgesellschaft in DO", wider meine Wahrnehmungen doch ein "überall" spürbares, ein, nicht nur, aber auch medial bedeutendes, ein dann möglicherweise auch folgenreiches kritisches Interesse an einer "Causa Envino" -der geschädigten Menschen wegen und aus grundsätzlichen Erwägungen mit Blick auf die Beachtung des Umweltschutzes und der Gesundheit der Arbeitnehmer in Produktionsprozessen? Die Vermutung, dass der anlaufenden NRW-Wahlkampf dazu beitragen könnte, daß die "Causa Envino" wieder ein gesellschaftspolitisch bedeutsames Thema -in DO und darüber hinaus- werden könnte, wider meine derzeitige Wahrnehmung, ist naheliegend.
@Walter Stach: Als gesellschaftspolitische Relevanz hatte sich die Dortmunder Staatsanwaltschaft vor dem Prozess überheblicherweise (wie wir jetzt wissen) vorgenommen, die bislang geltenden Grundsätze der Beweispflicht für die Geschädigten in Umweltkriminalitäts-Strafverfahren umzukehren, also die beklagte Partei im Prozess zu zwingen, ihrerseits die umwelttechnische und humanmedizinische "Schadensfreiheit" ihres Tuns zu beweisen.
Das ist ihr vom ersten Moment an, als sich der Sachverständige der Staatsanwaltschaft (übrigens ein in Kommunen ansonsten gern gesehener Gutachter/"Experte", wenn es um den Haftungsausschluss für Kommunen für ihre öffentlichen, PCB-belasteten Gebäude geht) als zu unfähig erwies, ein vollständiges Eingangsgutachten zu liefern, gründlich misslungen. Dieser Lapsus, der den ganzen Prozess um Jahre verlängerte, weil fehlende medizinische Gutachten der Opfer nachgeholt werden mussten und sich das Gericht dann auch aufgrund der Zeitknappheit weigerte, eine ganze Reihe von Kläger-Gutachten zuzulassen, zog sich dann wie ein roter Faden durch die "Arbeit" der Klageseite.
Richtig ist, dass damit der politischen Arbeit u.A. auch der Grünen, diesen Beweislast-Grundsatz in Umweltverfahren nun per Gesetzesinitiativen umzukehren, um den Opfern überhaupt mal Chancen vor Gericht einzuräumen, ein großer Schaden zugeführt wurde und die Aufmerksamkeit für ein derartiges gesellschaftspolitisches Ziel nun in den Keller gehen wird.
Was vom damaligen Aufschrei in der regionalen Bevölkerung und der überregionalen Medienbegleitung jetzt noch übrigbleibt, ist schwer zu bestimmen. Aber wie sagte schon Uli Sierau in 2010: "Wir müssen auch an die Arbeitsplätze denken"…. ein kaputtes Arbeitsleben für 3.800 Kröten, vielen Dank:/
Klaus Lohmann,
danke für die er- bzw. aufklärende Anmerkungen.
Ich lasse 'mal alle juristischen und meine sog. gesellschaftspolitischen Betrachtungen/Bewertungen/Schlußfolgerungen)Spekulationen außen vor und stelle für mich fest:
"Einfach Scheiße, was da gelaufen ist und weiterhin zu laufen oder eben nicht zu laufen scheint"
PS
Ich füge dem Wort "Scheiße" kein sorry bei, nachdem ich in einer Goethe-Bigrophie nachlesen durfte, wie oft und wie bar jeder Kritik Goethe "Scheiße" gesagt hat.
Nun habe ich da auch einmal eine Frage. Hier bei uns in Brühl (Erftkreis) wurde in 2 Realschulen das giftige PCB gefunden.. Ich hatte beide Kinder auf dieser Realschule, die über die ganzen Jahre hinweg über massive Gesundheitsprobleme klagten. Meine Töchter musste ich häufig wegen starken Kopfschmerzen ect. zu hause lassen. meine ältere Tochter hat jetzt schon mit ihren 28 Jahren Leberprobleme .Bis jetzt konnte ich mir keine Erklärung geben, bis ich jetzt erfahren habe, das die Schule auf der sie gingen mit PCB belastet ist. Meine Frage ist, wer entschädigt die Betroffenen und wie muss ich da vorgehen?? Wie ich hier lesen konnte, wurden ja noch nicht einmal die Mitarbeiter entschädigt. Kinder die über Jahre hinweg diesem Gift ausgesetzt wurden haben ja bestimmt auch ein Anrecht auf Körperverletzung von den Verantwortlichen. Kann man diesen Fall mit den beiden Schulen nicht noch einmal einen neuen Prozesssauftakt starten um dann doch noch etwas zu erreichen. Ich denke mal die Eltern der jetzigen Schüler und der der vorausgegangenen werden da bestimmt unterstützend sein.
@#13 Altrogge Bettina: Ich nehme mal an, es geht zumindest bei einer der 2 Realschulen um diesen Fall: https://www.rundschau-online.de/region/rhein-erft/bruehl-archiv/realschule-in-bruehl-professor-haelt-belastung-durch-erhoehte-pcb-werte-fuer-ungefaehrlich-29327912
Wurden Ihre Töchter denn ebenso, evt. auch von Prof. Kraus untersucht wie die im Artikel erwähnten Schüler? Wenn bislang noch nicht, dann gibt es zunächst keinerlei Basis für Klagen oder Schadensersatzansprüche Ihrerseits bzw. seitens Ihrer Töchter. Vielleicht nehmen Sie dazu mit Professor Kraus am besten direkt Kontakt auf:
Tel.: 0241 80-88880, tkraus@ukaachen.de, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen, https://www.ukaachen.de/kliniken-institute/institut-fuer-arbeits-sozial-und-umweltmedizin/anreise-kontakt/allgemeine-anfrage.html
Wie im Fall Envio muss auch hier ganz konkret im Einzelfall nachgewiesen sein, dass es gesundheitliche Schäden gibt, die unmittelbar auf eine Kontamination mit PCB, die auch wirklich in der betroffenen Schule vorkommen, zurückzuführen sind. Ohne diesen Einzelfall-Nachweis besteht keine Möglichkeit der Klage wegen einer Körperverletzung mit (zivilrechtlichem) Schadensersatzanspruch, da ist unser Umweltstrafrecht bzw. das Haftungsrecht für Unternehmen leider immer noch auf dem sehr industriefreundlichen Niveau des vorigen Jahrtausends:(