Erika Steinbach: BdV-Funktionärin in guter Tradition

BdV-Vorsitzende Erika Steinbach. Foto: Dontworry

Eine aktuelle Studie des Instituts für Zeitgeschichte belegt: Der „Bund der Vertriebenen“ (BdV) war von Anfang an in der Hand ehemalige NS-Funktionäre und Kriegsverbrecher. Nur zwei von dreizehn Mitglieder des ersten BdV-Präsidiums wiesen demnach keine Nazi-Vergangenheit auf. Die heutige BdV-Präsidentin Erika Steinbach zeigt sich angesichts der Ergebnisse „wenig überrascht“ – was mit Blick auf ihre politischen Positionen genauso wenig überrascht.

Die Studie des IfZ zeigt, was aufmerksamen Historikern schon seit langem klar ist: Der BdV war im Grunde eine NS-Nachfolgeorganisation. Auf 600 Seiten wird deutlich gemacht, dass elf der dreizehn ersten BdV Funktionäre Mitglieder der NSDAP oder der SS waren, oder dem Hitler-Regime zumindest nahe standen. Damit wird auch der von Erika Steinbach lange gepflegte Mythos widerlegt, im BdV seien seit jeher “mehr Widerstandskämpfer als Nationalsozialisten” vertreten gewesen. Dennoch: Steinbach bleibt auch nach der Studie um keine Relativierung verlegen.

In guter Tradition

„Trotz des erheblichen Anteils dem Nationalsozialismus mehr oder weniger verbundener Führungskräfte im ersten BdV-Präsidium und einer (…) deutschnationalen und zum Teil nationalsozialistischen Grundbeeinflussung fanden vom Nationalsozialismus geprägtes Gedankengut oder extremistische Strömungen keinen Eingang in die Verbandspolitik des BdV“ sagt die im „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ geborene Erika Steinbach in einem aktuellen Statement.

Dass dies nichts als eine hohle Behauptung ist, macht Steinbach selbst immer wieder deutlich. Bei einer Fraktionssitzung im Jahre 2010 nahm sie zwei BdV-Funktionäre in Schutz, denen vorgeworfen wurde, die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg geleugnet zu haben: „Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat.“ Dafür gab es Schelte aus den eigenen Reihen. Der damalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Es muss klar sein, dass es hier nicht um Meinungsverschiedenheiten, sondern Geschichtsklitterung geht. Eine solche Meinung hat in der Fraktion und der Partei keinen Platz. (…) Der Hinweis auf die Mobilmachung Polen ist absurd – als ob dadurch der Einmarsch Polens ins Deutsche Reich bevorgestanden hätte.“ Später ruderte Steinbach in der Sache zurück.

„Männer mit zuvor gesammelter organisatorischer Erfahrung“

Das ist nicht die einzige Entgleisung Steinbachs. Für ihre Analyse, was ein Nazi ist und was nicht, ist folgender Steinbach-Tweet vom Januar 2012 bezeichnend: „Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI“. Somit positioniert sich Steinbach rechts von der NSDAP. Das muss man erst einmal schaffen. Und was die alten Nazi-Funktionären im BdV angeht, habe man diesen eigentlich zu danken. Angesichts der NS-Vergangenheit der ersten BdV-Riege meint Steinbach: „Ganz offenkundig hat sich aber auch diese erste Verbandsspitze des BdV engagiert in unsere Demokratie eingebracht.“ Es seien halt „Männer mit zuvor gesammelter organisatorischer Erfahrung“ gewesen, „die das Heft in die Hand nahmen.“ Und aus der deutschen Bevölkerung, die sich zu großen Teilen aktiv an der deutschen Barbarei in den „deutschen Ostgebieten“ beteiligt und sich daran bereichert hat, macht sie „ein Millionenheer an Entwurzelten“ das versuchte, „verzweifelt wieder Grund unter die Füße zu kriegen.“

Zum krönenden Abschluss zitiert sie aus der Charta des Bdv, der immer wieder wegen Kontakten zu Neonazis in die Kritik gerät. Dessen Arbeit sei „von Anbeginn von dem Willen geprägt“ gewesen, „jedes Beginnen mit allen Kräften [zu] unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“. Vielleicht sollte sie mal in Polen nachfragen, wie ernst man derlei vollmundige Ankündigungen nimmt.

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der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Es ist tatsächlich so, dass die Verstrickungen des BdV mit dem Nationalsozialismus seit Jahrzehnten bekannt sind. Der Unterschied zu früher besteht darin, dass sowohl die Politik als auch unsere Gesellschaft erst jetzt, wo fast alle Hauptakteure der Nazizeit tot sind und niemand mehr persönlich zu Rechenschaft gezogen werden kann, in der Lage zu sein scheint, über diese Zusammenhänge offen zu reden.

Mit der Stilisierung der Vertriebenen als reines Opfervolk, wie sich Landsmannschaften und Heimatvertriebene in der öffentlichen Selbstdarstellung gerne sehen würden, sollte aber spätestens jetzt endgültig Schluss sein. Das Erika Steinbach dieser Forderung gerecht werden kann, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Martin, da ich schon -auszugsweise-etwas über den wesentlichen Inhalt der neuesten Studie mitbekommen habe, sage auch ich, wie Frau Steinbach, daß die Ergebnisse der Studie „mich wenig überraschen“, präziser muß ich sagen: „Die Ergebnisse überraschen mich überhaupt nicht“.
Das können sie auch nicht, da ich mich persönlich noch sehr gut an die Aktivisten im Vorstand des BdV in den Nachkriegsjahren erinnere, aber auch an öffentlichen Veranstaltungen des BvD in den Nachkriegsjahren. Seinerzeit hat es mich gewundert, aber auch erschreckt, wie unbehelligt von Staat und Gesellschaft Spitzenfunktionäre des BvD mit Nazi-Vergangenheit in ihre Ämter gewählt wurden und dort unkritisch agieren konnten.
(Das gilt in gleichem Maße auch für die sog.Landsmannschaften der Flüchtlinge/Heimatvertriebenen).

Also, wenn Frau Steinbach sich nicht wundert, dann ist das in der Tat nicht verwunderlich, da sie vermutlich besser als wir, möglicherweise noch besser als die „Macher“ der Studie um die braune Vergangenheit ihrer Vorgänger -nicht aller-im Vorstand des BvD weiß.

Martin, in der Diskussion um die braune Vergangenhet der Spitzenfunktionäre des BvD darf nicht außeracht gelassen werden, daß über ca.1o-2o Jahre nach Kriegsende Nazi-Funktionäre, Nazi-Getreue aus Wirtschaft, Verwaltung,Wehrmacht,Geheimdienste, Kirchen in allen Bereichen unser Gesellschaft und in allen Organen des Staates -die kommunale,regionale Ebene eingeschlossen-wieder leitende Funktionen innehatten. Und das im großen und ganzen unkritisch von der Gesellschaft hingenommen, die meisten Medien eingeschlossen.Insofern kommt dem BvD diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal zu.

Diese Situation hat bekanntlich entscheidend die sog.68er Bewegung beeinflußt und zu ihrem „Aufstand gegen das Establiment“ geführt. Und dadurch hat sich das gesellschaftliche Bewußtsein über das Problem einer von ehemaligen Nazis (mit-)bestimmten Nachkriegsgesellschaft substantiell geändert.Ich hoffe, daß das bei einer kritischen Bewertung der 68er Bewegung nie vergessen wird!

Wenn unsere Gesellschaft erst heute dazu kommt, erst heute bereit ist, diesen gesellschaftlichen Nachkriegszustand systematischer und gründlicher als bisher zu erfassen und zu zu analysieren, vor allem auch die weitgehend unbehinderte Wiederaufnahme engagierter Nazis in alle staatlichen Behörden, dann besteht Anlaß, über die Ursachen dieser „Verspätung“ nachzudenken und darüber öffentlich zu diskutieren.
Ich bin sicher, daß viele von uns Älteren über ganz persönliche Erfahrungen in ihrer Kommune über solche „Altlasten“ in den Parteien, in den Räten der Städte, in den Stadtverwaltungen, aber auch in gesellschaftlichen Organisationen vor Ort, z.B. in der Feuerwehr, in den Schützenvereinen, auch in den Vorständen der örtlichen Organisationen des BvD und der Landsmannschaften, erzählen können;also alles nichts Verwunderliches, sondern -leider-Selbstverständlichkeiten in der Nachkriegszeit bis in die 60-70 Jahre -oder , was deren systematische und gründliche Aufarbeitung angeht, bis heute existierende Altlasten.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

…Establishment!! –

Puck
Puck
11 Jahre zuvor

@ Walter Stach

Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund (bzw. aus der TAstatur…)

Es ist genau so, wie Sie schreiben: Im Nachkriegsdeutschland tummelten sich Altnazis in allen Organisationen, in der Justiz, bei der Polizei, in der Industrie, in den Gemeinderäten, im Kirchenchor, an den Schulen und in der Bäckerinnung.

Allerdings macht der BdV den Eindruck, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. So ungeniert die Geschichte zu verdrehen, das wagt heute kaum einer mehr (außer vielleicht Herr Oettinger…).

Dem BdV kommt allerdings auch ein seit Jahren anhaltender Trend entgegen: Die Entdeckung der Deutschen als Opfer (der Nazis). Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt, aber vor einigen Jahren konnte man seinen Schädel drauf verwetten, daß an jedem beliebigen Abend auf irgendeinem Kanal im TV eine Reportage läuft über „Kindheit im Krieg“, die „Flucht aus dem Osten“, die Ostpreußischen Wälder, die ostpreußischen Landgüter, die ostpreußischen Störche, das Land des Bernsteins.
Nun wird niemand ernsthaft bezweifeln, daß die Bomben der Alliierten, z. B. im Ruhrgebiet, für ein Kind traumatisch waren und dieses Kind zweifellos keine „Schuld“ hatte, und daß die Rote Armee auch nach damaligen Maßstäben im Osten Kriegsverbrechen beging. Nur hinterläßt die Distanzlosigkeit, mit der sich „Zeitzeugen“ über die Ereignisse auslassen, einen schalen Geschmack.
Nun mögen die Ereignisse für die Zeitzeugen so traumatisch gewesen sein, daß eine Distanzierung bis heute nicht möglich ist.
Aber ein Hinweis aus dem „Off“, daß diese Ereignisse durchaus vermeidbar gewesen wären, wenn die Bewohner im Osten angesichts des nicht mehr aufzuhaltenden Vormarsches der Roten Armee rechtzeitig evakuiert worden wären, diese Evakuierung aber nicht statt fand, weil die Bewohner im Osten dem „Gröfaz“ und seiner Entourage scheißegal waren, weil man noch ein paar Wochen länger der Illusion anhängen wollte, die Herren der Welt zu sein, könnte nicht schaden. Auch nicht der Hinweis, daß die Rote Armee ausschließlich aus Engeln hätte bestehen müssen, um sich angesichts der Verbrechen der Wehrmacht in Rußland nicht zu rächen…
Statt dessen werden die Ereignisse subsumiert in dem Seufzer: „Das war alles ganz, ganz schrecklich.“
Die Bomben und die Flucht aus dem Osten – und Auschwitz natürlich auch, davon hat man ja erst „nachher erfahren“.

Dabei werden immer zwei Dinge durcheinandergworfen: Die Deutschen waren am Ende a u c h Opfer des Naziregimes – aber die überwiegende Mehrheit wurde dabei Opfer eines Systems, das nicht wie eine Naturgewalt über sie gekommen war, sondern dessen aktiver Teil sie bis zum „Zusammenbruch“ waren.
Es ist immer wieder erschütternd zu sehen, wie fix die Vorgaben des Regimes in Taten umgesetzt wurden. Die affenartige Geschwindigkeit, mit der jüdische Mitbürger aus ihren Jobs entlassen, aus Vereinen, Behörden und Universitäten gejagt wurden, hat selbst Göbbels freudig überrascht. Es gibt zahlreiche Belege, wie ungeniert ganz normale Bürger die Notlage ihrer jüdischen Mitbürger ausgenutzt haben, sei es, daß ein Haus zum Schnäppchenpreis erworben wurde, weil der Eigentümer „verschwinden mußte“, bis hin zu gut besuchten Auktionen, in denen Haustand deportierten Juden verhökert wurden (ausdrücklich annonciert als „Versteigerung jüdischen Eigentums“, es kann sich also keiner rausreden, er hätte nicht gewußt, was da verkauft wurde).
Das tangiert womöglich die eigene Familie. Womöglich Opa, der immer so lustige Sprüche drauf hatte oder Oma, die immer so leckren Streusselkuchen backt.
Und das ist ein Tabu bis heute, daran zu rühren garantiert einem viel Feindschaft.

Sehr aufschlußreich in dem Zusammenhang ist das Buch „Opa war kein Nazi“ von Harald Welzer.

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Was ich in der derzeitigen Diskussion um das Gutachten über die BdV Funktionäre vermisse, ist die Würdigung des IfZ. Der von Martin eingebaute Link „Studie des IfZ“ führt auf eine Seite der Homepage des Instituts für Zeitgeschichte. Dort steht geschrieben: „Das Institut für Zeitgeschichte München – Berlin legt erstmals eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung über die politischen Haltungen und Handlungen der späteren Führungsriege des Bundes der Vertriebenen (BdV) im Dritten Reich vor.“ Diese Aussage ist so nicht richtig, denn es ist in Wirklichkeit die zweite Studie, die das IfZ vorlegt. Die erste Studie des IfZ entsprach nicht im Geringsten den von der Geschichtswissenschaft geforderten Standards und darf durchaus als Geschichtsklitterung, als Versuch unter dem Deckmantel der Wissenschaft historische Ereignisse zu verdrehen, angesehen werden.

Betreut wurde die erste Studie von Professor Manfred Kittel, damals Mitarbeiter des IfZ, heute Leiter der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin(!)

Nähere Infos zur ersten Studie des IfZ zu den Vertriebenenfunktionären findet ihr bei Spiegel Online unter:
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-69174701.html

Interessant auch die Einordnung dieser Studie in die Ereignisse um den Streit um Erika Steinbach im Zusammenhang mit der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung bei der Frankfurter Allgemeinen:
https://www.faz.net/aktuell/politik/bund-der-vertriebenen-bis-zur-harmlosigkeit-verstrickt-1936539.html

Gerd Haida
11 Jahre zuvor

Wieviel NSDAP-Mitglieder und SS-Leute in der CDU-CSU, in der SPD, In der FdB und bei den Grünen waren und sind, ist der BDV harmlos. Auch bei den Bausparkassen, Banken und sehr viele im Roten Kreuz.

Herbert Zjaja war 25 Jahre Jahre Vorsitzender, ein ausgesprochender NAzi-Gegner.
Willi Brandts Minister Dr. Erhard Eppler, NSPAP-BHE-SPD-Mitglied, schrieb im
im Merian-Heft und am 29.12.2007 im Tagblatt über eine Frau, der man in Schwäbisch Hall am Pranger die Haare abgeschnitten hatte: Die Unwürdige hatte sich mit einem rassisch Minderwertigen, ich glaube einem, Polen eingelassen.Mit fällt auch die SS-Kampfgruppe Klaus Trittin ein.

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