Weltliteratur über erotische Themen? Das Literaturbüro Ruhr begann am Donnerstagabend in der Essener Stadtbibibliothek die Veranstaltungsreihe “Von Sinnen”, die vom 28.08 bis zum 03.11.2014 in differenten Städten des Ruhrgebiets gastieren wird, in jeweils unterschiedlicher Besetzung und mit verschiedenen Themen. Insgesamt ist das Literaturbüro dreimal in Essen, dreimal in Duisburg, je einmal in Gladbeck, Oberhausen und Herne zu Gast.
Beim Auftakt boten Raoul Schrott, Maria Schrader und Insa Wilke einen kontrastreichen Gang durch die Geschichte, die mit den ältesten Schriftzeugnissen begann, die überliefert sind, den Tontafeln aus Sumer. Gelesen wurden zunächst Abschnitte, die Verherrlichungen von Göttinnen dienten, beginnend mit Innana, der sumerischen Göttin des Himmels. Die Kontraste der Veranstaltung ergaben sich durch abrupte Wechsel, z.B. zur literarischen Moderne, aus der Texte von Genet und Jelinek präsentiert wurden. Mit Blick auf das Publikum enthielt man sich einer einfachen chronologisch Vorgehensweise.
Die Veranstaltung war gut besucht und im Hinblick auf die gelesenen Texte durchaus interessant, die ‚kultur‘geschichtlichen Kommentare blieben nach meinem Ermessen aber fragwürdig. Von einer kosmischen Stellung und dem Bild von Göttinen auf die soziale Welt zu schließen, ist ein altes geisteswissenschaftliches Verfahren, das jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Und eine Identifizierung historischer Gottheiten, aus der gleichsam eine Ahnenreihe von Innana bis zu Maria erwuchs, war gerade mal einige Lacher und etwas Schmunzeln wert. Ich räume ein, dass geschichtliche Prozesse komplexer und holpriger sind, als dies in einer solchen Veranstaltung berücksichtigt werden kann, doch einem allzumenschlichen Wunsch nach einfachen Geschichtsbildern kann ich nichts abgewinnen. Dass auch im alten Orient patriachale Bedingungen herrschten, ist z.B. im altbabylonische Codex Hammurabi nachzulesen.
Dennoch war die Veranstaltung ein Gewinn. Besonders gefreut hat mich die Integration einer Passage aus Jelineks Klavierspielerin, in der die Protagonistin den Liebesakt während des sonderbaren Geschehens auch reflektiert. Ganz unberücksichtigt blieb übrigens die indische Literatur. Wie es mit der Reihe weitergeht, ist online nachzulesen, auf der eigens eingerichteten Page.