Aufgehängt, abgehängt: Documenta macht auch den letzten Israeli unsichtbar

„0,6 km bis Antisemitismus“: Documenta 15 im Juni 22 by Baummapper CC 3.0

Keine Israelis auf der Documenta? Den Vorwurf ließen die Kuratoren der Kassler Kunstausstellung gelassen vorüberziehen: Um „beide Perspektiven“ abzubilden, erklärte das indonesische Kollektiv, müsse man „unterschiedliche Perspektiven einladen“, darauf sei „geachtet“ worden. Tatsächlich hat es auf diese Weise ein Israeli in die Ausstellung für zeitgenössische Kunst geschafft  –  dargestellt als Schwein mit Davidstern, dazu der Schriftzug für alle Schriftgelernten: „Mossad“. Was aus diesem Israeli geworden ist? Erst aufgehängt, jetzt „abgehängt“. 

Presseerklärung der Documenta gestern Abend in Großbuchstaben: „VERDECKUNG EINER ARBEIT VON TARING PADI AUF DER DOCUMENTA FIFTEEN“. Verdeckung ist ein interessanter Begriff sowohl in der Kunstgeschichte wie in der des Antisemitismus‘, beide Male gilt: Was verdeckt wird, ist umso präsenter, Kunst ist Zeigen und Verdecken, Antisemitismus ist es auch, beide arbeiten mit Codes, die man kapiert oder nicht: Während die einen keinen Israeli sehen auf der Documenta, der Ausstellung für zeitgenössische Kunst, hat Taring Padi, indonesischer Kollektivakteur, längst einen Israeli mittenmang platziert, der Trick: Zeige ihn nie als Künstler, male ihn als Schwein.

Eine Version des trojanischen Pferdes? Kaum dass Ruangrupa, das Kassler Kuratoren-Kollektiv, solche Kunst öffentlich ausgehängt hat, erklärt es nun, es werde diesen einen Israeli, der es auf die ihrem eigenen Ermessen nach „global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform“ geschafft hat  –  er hing drei Tage lebensgroß auf dem Kassler Friedrichsplatz  –  gleich wieder abhängen. „Mit großem Bedauern“, wie Taring Padi verlauten lässt, aber auch dies sei ein künstlerisch wertvolles „Zeichen“ und eine „visuelle Vokabel“, wenn sie den Israeli jetzt „abdecken“.

Der Abdecker war einmal einer, der tote Hunde von der Straße aufgesammelt hat, das Abdecken in Kassel dagegen falle unter Kunst. Die schwarze Plane, das schwarze Quadrat, sie hätten auch Roth nehmen können oder die fröhlichen Documentafarben, sie wählten ein tiefgründiges Schwarz: „Das Werk“, behauptet die Documenta, „wird nun zu einem Denkmal der Trauer …“

Das Werk ist, traurig genug für eine Aufstellung zeitgenössischer Kunst, 20 Jahre alt, es nun in schwarze Folie einzuwickeln und als „Denkmal“ auszugeben, ist ein ästhetischer Bankrott. Irgendein Zauber des Verhüllens? Etwas, das an Christo erinnerte? Die Generaldirektorin der Documenta, Sabine Schormann, schließt ihre Presseerklärung unmittelbar an die von Taring Padi an:

„Gemeinsam haben wir beschlossen, das Banner zu verdecken“. Mit „gemeinsam“ meint sie: die Stadt Kassel, das Land Hessen, den Bund mit seiner Kulturstiftung und vorneweg Claudia Roth, die Bundeskulturbesorgte. „Ergänzend“, erklärt Schormann, „holen wir weitere externe Expertise ein.“

Vielleicht aus Israel? Warum nicht vom Mossad? Seit spätestens 1492, seit der Vertreibung der Juden aus Spanien, gibt es die Figur des verdeckten Juden, des Marranen, der, auch wenn er es in die Kirche oder eine Kunstausstellung schafft, insgeheim weiter am Werke sei, der verdeckte Jude stehe  –  ganz wie die andere jüdische Figur, die Taring Padi als Raffzahn mit SS-Enblem hinter dem Teufel platziert hat  –  hinter allem Bösen. Das spanische marrano bedeutet Schwein, im Documenta-Sprech als Mossad übersetzt, man kennt dies von der mittelalterlichen „Judensau“ her bis hinüber zu Roger Waters, früher Bassist von Pink Floyd, seit Jahren Pressesprecher des antisemitischen BDS: Waters hat Schweine mit Davidsternen über die Besucher seiner Konzerte hinwegsegeln lassen wie die mittelalterliche Kirche über ihre Frommen und jetzt die Documenta über die Gläubigen der Kunst.

Gerade laufen die ersten Fotos vom „Abhängen“ dieser Kunst in Kassel durchs Netz, die Documenta sieht aus wie eine müllsackfarbene Persiflage auf Christos Reichstag. Oder wie ein kirchentagsgroßes Triptychon für schwarze Messen. Tatsächlich ist sie der Abgesang auf eine Kunst, die außerstande ist, sich selber zu reflektieren. Erst lässt sie Israel verschwinden und jetzt sich selbst.

 

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