In Dortmund wurde mit Leonid Chraga der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zum Vorsitzenden des Integrationsrats gewählt.
Leonid Chraga ist ein vielbeschäftigter Mann: Immer wieder kommen Menschen in das Büro des Geschäftsführers der Jüdischen Gemeinde Dortmund, haben Fragen oder brauchen eine Unterschrift. Charga nimmt sich für jeden Besucher Zeit, stell Nachfragen und will es ganz genau wissen. Seit Mitte April hat Chraga noch mehr zu tun: Nachdem der Vorsitzende des Integrationsrates ausschied, wurde er zu dessen Vorsitzenden gewählt. „Ich werde leider“, sagt der Krav-Maga-Trainer, „künftig noch weniger Zeit für Sport haben.“
Die Integrationsräte sind in den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die politische Vertretung der Menschen mit Migrationshintergrund. Ihre Wahl läuft parallel zu Kommunalwahl, sie beraten die Stadträte bei Fragen der Migrationspolitik und verfügen über einen eigenen Haushalt, mit dem sie vor allem Kultur- und Integrationsprojekte unterstützen. Gewählt werden sie von allen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, Deutschen, die außerdem noch eine weitere, ausländische Staatsangehörigkeit, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhalten haben oder als Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland erworben haben. Neben den gewählten Vertreter stellen auch die Ratsfraktionen einige Mitglieder. Chraga wurde 2020 in den Integrationsrat gewählt: „Ich trat für die Liste der SPD an. Wir erhielten sechs Sitze und sind damit die größte Gruppe im Integrationsrat.“ Dass im Integrationsrat auch Vertreter des Rates ohne Migrationshintergrund sitzen, ist für ihn kein Problem: „Es heißt ja nicht umsonst Integrationsrat. Es geht um Zusammenarbeit und dafür ist es gut, wenn es eine Verzahnung mit dem Rat gibt.“
Leonid Chraga, geboren in der heutigen Ukraine, ist einer von zwei Juden im Integrationsrat, in dem die meisten Mitglieder einen arabischen oder türkischen Hintergrund haben und muslimisch geprägt sind. „Dass ich Jude bin, hat noch nie zu Ablehnung geführt. In der eigenen Gruppe sowieso nicht aber auch nicht bei den anderen Kolleginnen und Kollegen im Rat.“ Das Interesse an ihm sei hingegen groß: „Für viele bin ich der erste Jude, den sie kennenlernen. Als ich jetzt am Fastenbrechen teilgenommen habe, war ich schon der Exot.“
In den gut drei Jahren seiner Amtszeit, die mit der Neuwahl des Integrationsrates 2025 endet, will Chraga sich den ganzes Problemspektrums annehmen, dem sich Migranten und Migrantinnen ausgesetzt sehen: „Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Moslemfeindlichkeit sind Probleme, denen wir uns annehmen müssen und in denen wir als Integrationsrat klar Falle zeigen müssen.“ In Dortmund gäbe es aber in der Integrationspolitik Traditionen, an die man anknüpfen können: „Im Kampf gegen die Neonazis haben Stadt und auch die Polizei sich immer stark engagiert und bei allen Problemen setzt man sich hier auch stärker gegen Antiziganismus ein als in anderen Städten: „Bei uns besucht der Stadtdirektor Roma-Familien zu Hause und es gibt jedes Jahr großes Kulturfest, aber die Vorurteile sind immer noch immens.“ Auch bei Migrantengruppen: „Es ist ja nicht nur so, dass Deutsche ohne Migrationhintergrund Vorurteile haben. Die gibt es auch unter den verschiedenen Menschen mit Migrationshintergrund.“ Chraga will zwischen den Gruppen vermitteln, Kontakte schaffen und so helfen, Vorurteile abzubauen.“ Er selbst will möglichst viele Gruppen kennenlernen und ist dabei, sich vorzustellen. „Was viele bei uns in der Stadt nicht wissen ist, dass wir sogar eine uigurische Community haben. Die Uiguren sind Opfer eine genozidalen Politik in China, die bei uns im Westen kaum beachtet wird.“
Ob Chraga der einzige jüdische Vorsitzende eines Integrationsrates in Deutschland ist, weiß er selbst nicht: „Ich habe mal nachgeschaut und keinen anderen gefunden. Aber das heißt ja nicht, dass es niemanden sonst gibt.“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jüdischen Allgemeinen
