Nach den Ereignissen in Köln in der Silvesternacht warf der PR-Berater und Autor Hasso Mansfeld im Fachmagazin Meedia den Medien vor, bei der Berichterstattung versagt zu haben. Die ARD antwortete auf die Vorwürfe Mansfelds und wies sie zurück. Wir sprachen mit Hasso Mansfeld über die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Medien im Nachrichtenbereich.
Ruhrbarone: In Meedia haben sie nach den Vorfällen in Köln die öffentlich-rechtlichen Medien angegriffen. Vor allem der Tagesschau haben sie vorgeworfen, zu spät und nicht korrekt berichtet und die Herkunft der Täter verschwiegen zu haben.
Hasso Mansfeld: Ja, und zwar nach meinem Darfürhalten zwei Tage zu spät. Die Opfer haben schon am nächsten Morgen Kölner Lokalmedien angerufen und erzählt was ihnen in jener Nacht widerfahren ist. Im Prinzip war schon am Neujahrsmorgen klar, dass etwas Gravierendes vorgefallen sein muss.
Ruhrbarone: Nun ist der WDR ein Kölner Lokalsender. Der Sitz des WDRs ist vom Hauptbahnhof nur ein paar Meter entfernt. War es nicht eher ein Versagen des WDR als eines der Tagesschau, die ja abhängig von der Qualität der Berichterstattung der Landessender ist?
Mansfeld: In erster Linie ja, allerdings hat die Polizei, schon am 2. Januar, in einer Pressemitteilung, selber zugegeben, dass etwas in der Silversternacht „schief“ gelaufen sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste doch die Recherche einsetzen.
Ruhrbarone: Kölner Stadtanzeiger, Express und Kölnische Rundschau haben ihren Job gut gemacht. Auch die überregionalen Zeitungen haben schnell und umfassend berichtet. Wo ist denn das Problem? Fernsehen ist doch ohnehin eher ein Unterhaltungsmedium.
https://www.youtube.com/watch?v=MIz9cAHhpMA
Mansfeld: Ja, audiovisuelle Medien eignen sich besonders für Unterhaltungsformate. Indes: es gibt einen Rundfunkstaatsvertrag, der die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien festlegt. Es gibt einen eindeutigen Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie wurden einst als Kontrollinstanz gegründet, um den Mächtigen in diesem Staat auf die Finger zu schauen.
Ruhrbarone: Also traf ihre Kritik eigentlich nur die Öffentlich-Rechtlichen und nicht „Die Medien“. Mal abgesehen vom rechtlichen Anspruch: In den Debatten spielen ZDF und ARD doch, mal abgesehen von den Beiträgen von Comedy-Formaten wie Extra3 oder Heute Show und den ewig gleichen Talkshows, sowieso kaum eine Rolle mehr. Skandale decken die Verlage auf – die Otto-Brenner-Stiftung hat die eher überschaubare Leistung der Politikmagazine der Sender im vergangenen Jahr doch hinreichend belegt.
https://www.youtube.com/watch?v=NB4ZEMn9cc0
Mansfeld: Im Print-Bereich funktioniert der Wettbewerb. Allerdings sind auch hier deutliche wirtschaftliche Erosionserscheinungen zu beobachten. Der Markt allein, bringt bei audiovisuellen Medien, keine verlässliche Kontrolle staatlicher und wirtschaftlicher Machtkonzentration hervor. Wo mit Skandalen Quote zu machen ist mögen die Privaten vorne dabei sein.
Doch dass hier auch die subtileren, die komplexeren, die erklärungsbedürftigeren politischen Verfehlungen und unterschwelligen Problemfelder, regelmäßig in den Fokus gerückt werden, ist bei den Privaten nicht erwartbar. Was die Studie der gewerkschaftlichen Otto Brenner Stiftung anbelangt, so ist doch deren Kritik , das die Inhalte nicht genügend die gesellschaftliche Relevanz darstellen würden. Würde ich als Gewerkschaft auch behaupten, dass zu wenig über den sozialen Verfall der Republik berichtet wird.
Ruhrbarone: Die Otto-Brenner Stiftung beklagt ja, dass die Politikmagazine stark auf Service setzen – also zur öffentlich-rechtlichen Antwort auf Focus geworden sind. Das ist schon nachvollziehbar. Ist es nicht eine Lebenslüge der Öffentlich-Rechtlichen, sie wären wichtige Informationsmedien? Selbst ein kleiner Sender wie N24 hat doch im vergangenen Jahr ARD und ZDF auf die Plätze verwiesen, wenn es zu besonderen Nachrichtenlagen kam.
Mansfeld: Es droht eine Lebenslüge zu werden, wenn die Unterhaltungsformate die den Öffentlich-Rechtlichen noch weiter zunehmen. Am ehrlichsten wäre es, man würde die Werbung bei ARD und ZDF abschaffen. Die Ausrichtung an die werberelevante Zielgruppe, hat in der Tat einen negativen Effekt auf die Programmgestaltung. Ist die Werbung weg, sind auch die marktwirtschaftlichen Motivationen weg. Sie spielen bei dem N24-Beispiel darauf an, dass bei Katastrophenereignissen auf monothematische Dauerberichterstattung mit Tickereinblendung gesetzt wird. Das halte ich für journalistisch fragwürdig.
Ruhrbarone: Ich sah auf N24 auch Experteninterviews und Live-Schaltungen als ARD und ZDF bei verschiedenen Ereignissen einfach weiter sendeten als sei nichts geschehen. Sie sehen noch einen eigenen audiovisuellen Bereich der Medien, in denen es an Wettbewerb mangelt. Alle größeren Verlage haben doch längst eigene TV-Teams oder ganze Sender, auf Netflix gibt es hervorragende Dokumentationen. Der Wettbewerb funktioniert, nur ARD und ZDF verlieren ihn, außer im Sportbereich, wo mit Gebührengeldern geklotzt wird. Sollte man nicht eher über Gebührensenkungen nachdenken, um so den Bürgern die Möglichkeit zu geben, selbst zu bestimmen wofür sie ihr Geld ausgeben?
Mansfeld: Es geht um ausgewogene Berichterstattung. Im besonderen Maße auch dann, wenn es sich gerade nicht um die großen Katastrophen oder Skandale handelt. Ausgewogene Informationen lassen sich im Fernsehen erfahrungsgemäß schlechter verkaufen. Nur wer auf Teufel komm raus polarisiert, wer den ultimativen Aufreger liefert, liefert die besten Einschaltquoten. Fox News ist nicht zufällig der erfolgreichste private amerikanische Nachrichtensender. Ich sage das jetzt nicht als Vorwurf. Es geht immerhin ums Geschäft. Entsprechend haben deutsche Privatsender ihr Newsangebot auch deutlich zurückgefahren und bringen im besten Fall Mischungen aus Nachrichten und Lifestyleprogrammen, Gern großzügig angereichert um News, die eigentlich Werbung für eigene Entertainmentformate sind. So berichtet dann etwa RTL in Punkt 12 ausgiebig über Dschungelkönig Menderes. Weitere Private haben den Großteil ihrer Nachrichtenformate sogar komplett auf Promis und Lifestyle umgestellt.
In Punkto Gebühren gebe ich in Ihnen völlig Recht: eine deutliche Reduktion des Etats, sowie eine entsprechende Senkung der Rundfunkbeiträge wäre sinnvoll. Der Umfang der Finanzierung folgt doch immer dem Umfang des Angebots. Daher muss die Frage im Mittelpunkt stehen: Welche Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind tatsächlich unverzichtbar für die Demokratie und sollten entsprechend aus nichtkommerziellen Geldquellen finanziert werden? Vielen Beitragszahlern sind gerade die ausufernden Unterhaltungssendungen ein Dorn im Auge: Die oft vorgebrachte Rechtfertigung für Unterhaltung in den öffentlich-rechtlichen Angeboten basiert auf dem sogenannten Lead-in-Effekt: Der unterhaltungsaffine Zuschauer soll durch den Konsum von Unterhaltung in den Öffentlich-Rechtlichen auch zum Konsum von Nachrichten oder Kultur animiert werden.
Ob dieser Ansatz tatsächlich erfolgversprechend ist, bezweifeln nicht nur die Medienwissenschaftler. Und: Er mag einzig in den Hauptprogrammen funktionieren, wenn zum Beispiel in der Halbzeitpause von Fußballspielen Nachrichten gezeigt werden. Aber er funktioniert nicht mehr, wenn sich öffentlich-rechtliche Spartenprogramme allein auf Unterhaltung konzentrieren. Und ja: Die Kosten für die Sportberichterstattung drohen in beängstige Höhen zu steigen.
Die Fragen stelle Stefan Laurin
Hasso Mansfeld arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Kommunikationsexperte. Für seine Ideen und Kampagnen wurde er unter anderem dreimal mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet. Er die liberale Ideenschmiede „FDP Liberté“ im Netz initiiert und trat als Kandidat der FDP für die Europawahl an. Er ist Kolumnist im Debattenmagazin „Die Kolumnisten“.
"Am ehrlichsten wäre es, man würde die Werbung bei ARD und ZDF abschaffen."
Am ehrlichsten wäre es, man würde ARD und ZDF abschaffen.
Alles andere ist nur Bla-Bla.
In der Tat hätte das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen klaren Bildungsauftrag. Das gilt insbesondere für die 3. Programme der ARD. Soweit die Theorie.
Wer die Praxis erleben möchte, sehe sich nur eine Woche lang die "Lokalzeit Ruhr" auf WDR III an. Statt (Hintergrund)Information eine unsäglich dümmliche Mischung aus Garten, Kochen und versteckter Werbung für Feste und Festivals. Informationen aus Städten wie z.B. Bochum, Gelsenkirchen oder Recklinghausen sucht man mit der Lupe – also in der Regel vergebens. Verbreitet werden schnell und billig runterzudrehende – und von freien Kamerateams billigst eingekaufte – Quatsch-mit-Soße-Beiträge, die von Quietschstimmchen (Hauptsache gut aussehend…) auf schlechtem Schülerzeitungsniveau präsentiert werden.
Bildungsauftrag? Galt spätestens seit Ende der 90er dort nicht mehr. Und nach der Wahl der Ehegattin einer WDR-Unterhaltungsgröße zur Intendantin wurde er endgültig in die Tonne gekloppt – auf allen WDR-Kanälen.
Die ÖR gehören abgeschafft, dieses Kinderfernsehen für Erwachsene guck ich schon lange nicht mehr…
Den Bildungsauftrag kann man nicht allein an einer Sendung des WDR-Fernsehens festmachen. Da muss man das gesamte Programm wahrnehmen, Hörfunk und Fernsehen. Alles andere ist Unsinn.
Ein gutes Interview, gut gefragt und umfassend geantwortet. Und Beides in meinem Sinne. Mehr kann ich nicht haben!
@4, natürlich ist niemals das Radio gemeint, wenn es um den Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen geht. Denn die mir persönlich bekannten Radiohörer sind fast immer sehr gut gebildet. Oft jedenfalls besser als die Mehrzahl der Fernsehjournalisten zu sein scheinen.
Und letztere könnten ja selbst wenn sie wollten, nur solche Personenkreise "bilden", die ihnen hinsichtlich Bildung unterlegen sind.
Und diese Personenkreise wiederum können in der Masse eigentlich nur ausschließliche Dauerfernsehzuschauer sein.
Wenn ich einmal ehrlich sein darf: Mit den nicht vorhandenen Interpunktionskenntnissen der RUHRBARONE habe ich mich mit seit langem abgefunden. Aber ich lese und kommentiere den Blog trotzdem gern.
Jedoch: "Der Markt allein, bringt bei audiovisuellen Medien, keine verlässliche Kontrolle staatlicher und wirtschaftlicher Machtkonzentration hervor."
Oder: "Die Ausrichtung an die werberelevante Zielgruppe, hat in der Tat einen negativen Effekt auf die Programmgestaltung."
Da werde ich dann doch stutzig.
Aber wie mann einen in der Sache richtigen und wichtigen Artikel über die öffentlich-rechtlichen Medien verfassen kann, und dann Sätze wie:
"Was die Studie der gewerkschaftlichen Otto Brenner Stiftung anbelangt, so ist doch deren Kritik , das (!) die Inhalte nicht genügend die gesellschaftliche Relevanz darstellen würden. Würde ich als Gewerkschaft auch behaupten, dass zu wenig über den sozialen Verfall der Republik berichtet wird."
"Es droht eine Lebenslüge zu werden, wenn die Unterhaltungsformate die den Öffentlich-Rechtlichen noch weiter zunehmen."
stehen läßt; daß (!) verstehe ich nicht!
Zudem wird mit Wörten wie "Newsangebot, Lifestyleprogrammen, Entertainmentformate, Lead-in-Effekt, sowie (!) Promis und Lifestyle" um sich geworfen. Genau so, wie ich mir das Protokoll (?) einer Konferenz (?) bei RTL, SAT 1, PRO 7 oder sonstwo vorstelle.
Liebe RUHRBARONE: Ihr wart mal besser!
@ #6 discipulussenecae und ruhrbarone
Was bei den letzt genannten Zitaten nun wirklich gemeint sein soll, würde mich auch interessieren.
Zum WDR,
der scheint ein Feiertagsproblem zu haben. Ein Orkan an Pfingsten mit mehreren Toten, einem Flughafen der den Betrieb einstellte oder Schallschutzwänden und Bäumen die Autobahnen lagen etc. pp., war auch kein Grund um nicht darüber zu berichten, daß Udo seinen Auftritt früher abbrechen mußte. Was interessiert die Kölner Feiertagsredaktion z. B. der Düsseldorfer Flughafen.
Ich hatte gehofft, nach der Ela-Schlappe würde man beim WDR dazu lernen – Fehlanzeige. Wenn das so weitergeht sollte tatsächlich ernsthaft darüber nachgedacht werden den ÖR-Schundfunk abzuschaffen.
@discipulussenecae
Sehr geehrter Seneca-Eleve:
Man kann schwerlich über das Programmangebot der Privatsender referieren, ohne deren Terminologie zu übernehmen. Der Begriff "Lead-in Effekt" ist ein Fachbegriff, er wird im Text als "sogenannter" Lead-in Effekt gekennzeichnet und zudem erklärt.
Im übrigen hätte Ihr Ziehvater Ihnen dringend empfohlen, sich gegenüber denjenigen Dingen, welche man selber nicht beeinflussen kann, stärker abzugrenzen.
Mit den beste Grüßen
ihr Hasso Mansfeld
Natürlich gibt es einen Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen, und der Rundfunk kommt diesen auch nach.
Hat er nicht in "Die Akte Aluminium" vor den Gefahren eine angeblich harmlosen Metalls gewarnt ? Hat er nicht aufgedeckt, das es im Videospiel GTA San Andreas nur darum geht möglichst viele Frauen zu vergewaltigen ?
Habe wir nicht "Kaufen für die Müllhalde" erfahren, das ein jüdischer Immobilienmakler daran Schuld ist, das die Industrie ihre Produkte nicht für die Ewigkeit baut ?
Und wurde nicht die erschütternde Tatsache das satanistische Verschwörungen aus reichen und mächtigen Mitmenschen kleine Kinder vergewaltigen und das ganze verheimlichen schon mehrfach im Tatort thematisiert ?
Wie gesagt, der Bildungsauftrag gilt für das ganze Programm…