Erwiderung auf 40 Jahre Werkkreis Literatur der Arbeitswelt – Nachruf auf einen Untoten, von Gerd Herholz. Von unserem Gastautor Ulrich Straeter
Gerd Herholz war selbst Mitglied im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, was er leider verschweigt. Deshalb will ich es gleich zugeben: ich war Mitglied dieser Literaturorganisation von 1978 bis 1996.
Bereits 10 Jahre nach der Gründung, etwa um 1980 herum, wurde genau das, was Herholz anspricht, im Werkkreis hart diskutiert. Losgetreten wurde die Diskussion durch den damaligen 1. Sprecher Horst Hensel. Immer schon wurde dem Werkkreis genau das zum Vorwurf gemacht, was er eigentlich bezwecken wollte: schreibende Arbeiter, Angestellte und Beamte hervorzubringen. Es ging nie nur um Arbeiter, sondern um abhängig Beschäftigte, die selbst aus ihren Arbeitsmilieus berichten sollten. Daher nannte sich die Organisation auch nicht Werkkreis der Arbeiterliteratur, sondern Literatur (und Grafik) der Arbeitswelt.
Was Herholz vermisst, aber selbst – widersprüchlicherweise – dann angibt, hat zum Teil sogar geklappt. Eine Reihe von Autoren und Autorinnen (Herholz nennt als Beispiele Schöfer, Schmitz und Alberts) ist aus dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt hervorgegangen und immer noch aktiv.
Einige Beispiele neben den bereits genannten: Josef Krug, Rainer W. Campmann, Karl Taefler, der Unterzeichner (der gute Grantler aus dem Ruhrgebiet, wie Jürgen Lodemann in der Süddeutschen schrieb), Hugo-Ernst Käufer, Artur Rümmler, Horst Hensel, Heinrich Peuckmann, Michael Tonfeldt, um nur einige zu nennen. Auch an die verstorbenen Liselotte Rauner (Literaturpreis Ruhrgebiet!) und Richard Limpert, der in keinem Schulbuch fehlte, sei erinnert.
Natürlich wurde nicht aus jedem der zeitweise über vierhundert Mitglieder des Werkkreises ein Schriftsteller. Das war auch nicht beabsichtigt. Während die Gruppe 61 sich jährlich einmal traf, wurde im Werkkreis intensiv und regelmäßig gearbeitet. Die Dortmunder Werkstatt traf sich z.B. alle 14 Tage in der dortigen Volkshochschule, Werkstattmitglieder leiteten den Literaturkurs. Unzählige Lesungen wurden durchgeführt. Für viele Menschen war das Schreiben wichtig, nicht das Schriftsteller(un)wesen. Es ging nicht nur ums Schreiben: es ging auch ums Aktivwerden, um das sich ins Getriebe der Politik Einschalten.
Was auch gelungen ist.
Das Kapitel über Günter Wallraff gehört nicht hierher. Günther Wallraff hat zwar als Mitglied der Gruppe 61 den Werkkreis mit gegründet, ging dann aber seine eigenen Wege. Wallraff betreibt investigativen Journalismus, an dem es heute sehr mangelt. Wenn er mit einem Kollektiv schreibt, ähnelt das der Werkkreisarbeit. Wenn da etwas schiefgegangen sein sollte, kann das nicht dem Werkkreis angelastet werden. Hier hat Herholz das Thema verfehlt, wie jeder Deutschlehrer sagen würde. Auch Erika Runge – in allen Ehren – gehört nicht hierher.
Was Herholz nicht berücksichtigt, anscheinend nicht weiß, weil er sich leider nicht richtig sachkundig gemacht hat, ist: ab Mitte der neunziger Jahren war der Werkkreis nicht mehr, was er sein sollte. Ab da haben zum Teil Leute die restlichen Werkstätten übernommen, die sich nicht mehr unbedingt an das ursprüngliche Konzept gehalten haben oder halten. Viele Kolleginnen und Kollegen haben zu diesem Zeitpunkt den Werkkreis verlassen. Aufgrund der heutigen Rest-Situation den Werkkreis von Anfang an herunterzumachen, ist daher unsachlich und falsch. Damit tut Herholz dem hochgelobten Erasmus Schöfer, der dem Werkkreis immer noch die Stange hält, Unrecht. Immerhin existierte die Organisation mit Erfolg fast 20 Jahre lang. Die berühmte Malerorganisation „Blauer Reiter“ ca. 1 1/2 Jahre…
Die Geschichte des Werkkreises ist besser nachzulesen in: Horst Hensel: Realistisch schreiben und Partei ergreifen, Drei Kapitel Erinnerungen an die Tätigkeit im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, oder: Heinrich Peuckmann: Paul Polte – ein proletarischer Erich Kästner, beides in: Literatur in Westfalen, Beiträge zur Forschung 11, hrsg. von Walter Gödden, Aisthesis Verlag, 2010.
Der „alte“ Werkkreis hat seine Funktion erfüllt, auch wenn das manchen Leuten heute nicht mehr passt. Was nichts daran ändert, das McCann schweinegut schreibt …
Und von dem, was thalia.de oder die Mayersche überwiegend anbieten, wenden wir uns lieber mit Grausen, da könnte Gerd Herholz mal nachhaken.
Ulrich Straeter, Essen
P.S.: Die Literaturbüros in Gladbeck, Unna, Detmold und Düsseldorf sind u.a. eine Folge des Schreibens von unten, der erste Leiter des Büros in Gladbeck und Herholz’ Vorgänger war Herbert Somplatzki, ein Werkkreis-Mitglied, immer noch schreibend aktiv. Was wir Schreibenden uns von den Literaturbüros erhofft haben und was ursprünglich angedacht war, ist leider zum großen Teil nicht eingetroffen. Aber man braucht sie vielleicht nicht unbedingt… Die jüngere Autorengeneration kümmert sich weder um die Literaturbüros noch um die Seniorengruppe des altehrwürdigen Schriftstellerverbandes.
Lieber Ulrich,
Dein Insider-Artikel ist sehr schwer lesbar, wenn man nicht voll im Stoff ist. Wenig plausibel ist er allemal.
Unter meinem Werkkreis-Artikel hier im Blog begann ja bereits vor Tagen eine kleine Diskussion, die ich mit unseren beiden Kommentaren hier noch einmal wiedergebe, sonst haben unsere Leser noch weniger eine Chance, dieser vertrackten Diskussion zu folgen.
Außerdem habe ich viele Gegenargumente zu Deinem Antwort-Beitrag oben schon in „# 5“ unten genannt. Na, vielleicht geht ja eine Debatte um Arbeiterliteratur los, obwohl mir eine zur Komplexität heutiger politischer Literatur oder littérature engagée lieber wäre.
Übrigens habe ich zu Erika Runge in meinem Blog-Beitrag nun wirklich nichts gesagt – wie Du u.a. irrtümlich behauptest. Das Thema „Erika Runge“ spricht ein Kommentator zu meinem Blog an und ich antworte dann in einem Kommentar dazu.
Jetzt also Dein erstes Schimpfen auf meinen Artikel und meine Antwort dazu:
“
#4 | Ulrich Straeter sagt am 28. Februar 2011 um 12:55
Leider hat Herholz sich mit seinen Ausführungen völlig verrannt. Er schreibt über den heutigen Rest-Werkkreis, der wenig mit dem Werkkreis von 1970 – 1995 zu tun hat. Wallraff ist als Thema völlig verfehlt. Autoren, die aus dem Werkkreis hervorgegangen sind (was der Sinn war) gibt es eine ganze Menge. Man müsste sich nur sachkundig machen. Mein ausführlicher Kommentar ist zu erfragen unter straeter-kunst@t-online.de
#5 | Gerd Herholz sagt am 28. Februar 2011 um 14:04
Lieber Ulrich Straeter,
jetzt aber mal raus aus der Deckung! Ich freue mich auf jeden sachlichen Streit, aber ein paar Argumente musst Du mir da schon öffentlich hinwerfen.
Bisher nichts als Deine Deinung zu meiner vermeintlichen Meinung. Und den Rest soll man sich bei Dir “erfragen“. Das ist ja skurril.
Zu dem bisschen, das Du hier oben gemeint hast:
“Verrannt” habe sich der Herholz, “Thema verfehlt”, geht’s auch ohne Oberlehrer?
Wie Du meinem obigen Blog-Beitrag (der sowieso schon etwas zu lang für die Bloggerei ist) entnehmen kannst, schreibe ich in knapper Form explizit über Geschichte und Gegenwart, “Aufstieg und Fall” des Werkkreises in 40 Jahren. Und mir geht es in dieser knappen Form – wie im Titel auch benannt – um den Werkkreis als Organisation. Wer da genau wie wann wo hinein- oder hinauswuchs, das wär mal was für eine Dissertation in Bayreuth.
Mitnichten verfehlt man das Thema, wenn man im inhaltlichen Zusammenhang des Werkkreises auch über Wallraff spricht. Es geht doch nicht darum, ob der da Mitglied war oder nicht. Auch ich habe als Student der Germanistik mal anderthalb Jahre in der Werkstatt Duisburg mitgearbeitet; in den Fischer-Taschenbüchern sogar zwei schlechte Gedichte veröffentlicht (aua!), dann aber im Studium so viel dazugelernt habe, dass ich die Werkstatt getrost verlassen konnte. Da habe ich übrigens – wie Du – tolle Menschen kennengelernt: Aletta Eßer, den wunderbaren Heinz Knappe …
Das Problem bei Wallraff allerdings war, dass er mit “Ganz unten” (siehe oben) den Ruf seiner Wallraffiaden ernsthaft ruinierte, auch das Interesse an unwürdigen Arbeitsbedingungen und nebenbei auch die Methoden von Interview, O-Ton, Reportage, Protokoll diskreditierte. U.a. dies hat auch dem Werkkreis den Rest gegeben.
Und dass ich nicht alle Namen aufzähle, die Dir noch einfallen: So what?
Muss ich denn tatsächlich immer überall alles zu allem sagen, damit ich überhaupt etwas sagen darf? Merkwürdige Prämisse
Ich bekenne: Ich habe auch nichts zum BPRS gesagt, zu tollen Büchern von Streletz oder Thenior oder Lodemann oder Rothmann über die Arbeits- und Alltagswelt an der Ruhr. Hole ich alles nach, einverstanden? Aber wahrscheinlich erst im nächsten Leben. Ich hab ja Zeit, das Netz vergisst nichts.
Also: Mach mich sachkundig, her mit den Argumenten!“
Und was Dein P.S. im Antwort-Artikel oben angeht:
Wer sind eigentlich „Wir Schreibende“. Ich habe ganz andre Rückmeldungen von unseren regionalen, nationalen, internationalen Autoren/Gästen als Du.
Und dass Du zum Schluss gleich die Literaturbüros in NRW für überflüssig erklärst (also auch meinen Teilzeit-Arbeitsplatz), ist doch etwas peinlich – für Dich. Vor allem, weil heute Kulturpolitik oft nur Vorwände sucht, Kürzungen problemlos umzusetzen. Willst Du da wirklich liefern?
Über die engagierte Arbeit z.B. unseres Büros allein in den letzten Monaten (Herausgabe Anthologie „Stimmenwechsel – Poesie längs der Ruhr, Literaturpreis Ruhr, Kinderliteraturnächte, Landesprogramm Kultur und Schule, Kulturhauptstadt-Projekt „Mehr Licht! – Die europäische Aufklärung weiter gedacht“, PoesiePaläste Ruhr, „Poetische Experimente“ usw. usw.) könnte man sich auf der Homepage http://www.literaturbuero-ruhr.de informieren – wenn man denn wollte.
Dass sich die jüngere Autorengeneration nicht um die Litbüros kümmert, diese Fehleinschätzung hat allein was mit Deiner Wahrnehmung zu tun.
Mehrere Hundert junge Autoren beteiligen sich jedes Jahr an unserem Förderpreis zum Literaturpreis Ruhr. Ich habe viel junge Autoren in die Anthologie „Stimmenwechsel“ aufgenommen (in der Du ja auch vertreten bist). Das Literaturbüro Ruhr coacht die Autoren, die im Rahmen des Landesprogramms „Kultur und Schule“ in den kreativen Nachmittag der Schulen gehen. Ich selbst habe (mit Bettina Mosler) ein Handbuch zum Kreativen Schreiben für Schulen und Schreibwerkstätten verfasst („Die Musenkussmischmaschine“); so ein Handbuch hat uns im Werkkreis immer gefehlt. Zudem besuchen sehr viele junge Leute unsere etwa 40-50 Lesungen ruhrgebietsweit pro Jahr.
Schiefer kannst Du also hier mit Deinem Urteil gar nicht liegen.
Außerdem strickst Du an einer Legendenbildung in Sachen Entstehung der Literaturbüros – und damit komme ich endlich zurück zu einer Literatur- und Kulturpolitik, deren Ausfluss auch der Werkkreis war.
Das erste Literaturbüro in Düsseldorf wurde 1980 von einem engagierten Mann aus dem damaligen Kultusministerium NRW und dem Schriftsteller Rolfrafael Schröer (kein Werkkreis-Mitglied) initiiert. Das Düsseldorfer Büro war dann das Modell für ein zweites in Unna (die machen da heute das renommierte „Mord am Hellweg“-Festival). Bei der Gründung des regionalen Literaturbüros Ruhr in Gladbeck 1986 war es auch ein engagierter Kulturdezernent der Stadt, Dr. Emil Vesper, der sich sehr eingesetzt hat, dazu der Verband Deutscher Schriftsteller insgesamt.
Alles in allem war die Gründung der Literaturbüros bundesweit und ihre inhaltliche Ausrichtung in den 80ern vor allem eine Zeitgeist-Folge sozialdemokratischer Kulturpolitik à la Hilmar Hoffmann und seiner Publikation „Kultur für alle“ (1979, siehe Wikipedia). Außerdem gab’s neben dem Werkkreis eine ungeheuer starke Schreibwerkstättenbewegung in den 80ern und auch eine Vielzahl von „Frauen schreiben“-Gruppen, aus denen durchaus renommierte Autorinnen hervorgegangen sind.
Für die Literaturbüros in NRW war es zu Beginn ihrer Arbeit dann eher eine Last als eine Lust, sich mit den vielen heroischen Illusionen der Schreibbewegung (inklusive Werkkreis-Teil) auseinandersetzen zu müssen.
Die Parolen hießen eben zu lange „Schreib das auf Kollege“, „Schreiben befreit“, „Schreiben kann jeder“. Natürlich können und sollen auch Arbeiter/innen zu Schriftstellern werden, das wünsche ich mir viel öfter. Nur sollte man dann auch von den Mühen der Ebene auf dem Weg dahin transparenter und nicht ideologisch sprechen.
Als junger Student traf ich im Rahmen eines Seminars zur Arbeiterliteratur von Prof. Bornscheuer (Uni Duisburg) einmal für zwei Workshop-Tage Max von der Grün während eines Seminars zu eben dieser Arbeiterliteratur (in Geschichte und Gegenwart).
Nachdem Max von der Grün einige Male als Arbeiterdichter, Arbeiterliterat angesprochen wurde, explodierte er in einem Wutanfall und verbat sich jede derartige Anrede. Er sei Schriftsteller und das habe er zu seinem Beruf gemacht, das habe ihn viel Mühe gekostet. Seine Stoffe kämen auch aus der Arbeitswelt, aber die literarische Aufbereitung dieser Stoffe habe man bitteschön professionell und heharrlich als Beruf über Jahre zu erlernen, sonst bringe man dem Beruf des Schriftstellers weniger Respekt entgegen als jedem Handwerker, der seinen Beruf gelernt und über Jahre praktiziert habe. Da könne schließlich auch nicht jeder Hobbyfummler behaupten, er sei Schreiner- oder Schlossermeister oder gar Architekt.
In diesem Sinne.
Mit freundliche Grüßen aus meinem Kurzurlaub
Gerd Herholz
Ganz im Gegensatz zu dem, was Herr Herrholz von sich gegeben hat, ein wohltuend kompetenter und sprachlich pfiffiger Beitrag.
Meine Hochachtung, Herr Straeter
Liebe Leute,
Krampfhennen wischen sich eins.
Ich finde sehr langweilig, in welchen Werkschreiber-Dimensionen sich der Werkkreis der Arbeitswelt abgegrenzt hat.
Laut desjenigen, was Herhoz behauptet.
Aus unterschiedlichen Perspektiven seiner Genese.
Und in welchen dieses als allgemeingültig oder umstritten gilt.
Das sind Germanistendiskusionnen unter sich.
Und:
Germanisten sind Krampfhennen, die nicht schreiben können.
Ich finde allerderdings, wir können mal ehrfürchtig auf das Konzept der teilnehmenden Beobachtung als Inspririations- und Aufschreibungsquell blicken.
Inspirationsmodell.
Da ist tatsächlich Erika Runge gefragt.
Insoweit kann ich die Einschätzung von Straeter nicht teilen.
Ohne die verehrungswürdige Erika Runge hätten doch Eure Werkkreis-Prolls noch nicht nicht mal Reime von einer Inspriration von Kroetz geschrieben.
(-:
#3 Thomas und mehr
Ja, der „Krampfhennen“-Eindruck kann sich festsetzen – wenn man nicht genau liest, sowohl bei Herholz als auch bei Straeter.
Und es gibt da noch den schönen Satz von Gerd Fuchs: Alle reden, aber keiner hat was zu sagen. Den man noch ergänzen könnte um: Alle schreiben, aber keiner liest.
Unabhängig vom Wortwechsel oben:
In vielen Blogs, auch bei den Ruhrbaronen, müsste grundsätzlich und dringend mal eine (selbst-)kritische Debatte stattfinden. Ich habe 2010 versucht, das einmal in einem Beitrag für das 2010lab anzustoßén, ist mir aber nicht gelungen, verpuffte da wie andere Impulse auch.
Bei guten Zeitungen gibt’s immerhin eine interne Blattkritik (zu der oft auch Externe eingeladen werden). Gibt’s was Analoges bei den Bloggern? Für Tipps wäre ich dankbar.
„Unter dem Strich produzierte die Blogosphäre leeres Gerede, wie es in den heute hochgejubelten flachen und offenen Systemen eigentlich immer geschieht.“
Diesen Satz von Jaron Lanier konnte man im Januar 2010 lesen, in Laniers kleinem Essay „Warum die Zukunft uns noch braucht“ (Quelle: FAZ, 16.1.2010).
Angesichts vieler Artikel und Kommentare in vielen Blogs – nur ein weiterer Friedhof für Ego-Texter und -Surfer? – muss man sich dem wohl anschließen und mit Lanier folgern: „Die Träume von der offenen Kultur im Internet sind geplatzt: Die weltweite Vernetzung von Intelligenz produziert nicht Über-Intelligenz, sondern Banalität“.
In welche Blogs ich auch schaue: Gute Blogs funktionieren auf Dauer anscheinend nur mit Enthusiasten wie Stefan (hier bei den Baronen), zentralen Figuren, kontinuierlichen Inputs. Aber ohne ein Netzwerk guter Autoren, ohne Leute, die – möglichst gute – Antworten auf Beiträge schreiben oder organisieren, geht auch nur wenig.
Gerd, Ehrenwerter, Du zugestehst das Krampfhennenfänomen.
Immerhin.
Die Selbstbeweirreucherung, das Akklamieren, das Schmoren im eigenen Saft mit der Literatur im Revier.
Alles von der Landesregierung seit Dekaden alimentiert. Ist doch so, oder?
Du doch auch.
Wir reden dannmal, Herholz, hoch gelöhnter Herholz. Der Fall für alle Fälle, selbst Akkusativ. Gerd. Gern auch über Ruhrieliteratur.
Ich rede von Reding.
Das ist diejenige, der mal gesagt hat – gezz hau ich mir ein Butterbrot weg oder den neuesten Rowohlt-Rotationsroman.
@Gerd:Nö, die meisten Blogs sind eigentlich gut. Richtig schlechte kenne ich kaum.
#5
Thomas, du Cooler (oder Kuhler?),
alimentiert? Nö, Unterhalt hat für mich noch nie jemand gezahlt. Ich musste immer arbeiten für mein Geld.
„Hoch gelöhnt“? Wenn Du wüsstest. Zeig mir mal einen Kulturarbeiter der freien Szene im Revier, der „hoch gelöhnt“ wird. Da musst Du schon zu den verbeamteten Intendanten oder in die Creative Economy gehen oder ins Event-Management.Weißt Du, bei welcher Buch-Lektüre ich am meisten geweint habe? Beim Lesen meines Sparbuches.
See you im 100Meister, schätze ich.
# 6
Stefan, was wären Deine Top 5-Blogs deutschsprachig? Damit ich mal reinlesen kann.
@ Gerd Herberholz
„Alle schreiben, aber keiner liest.“ Klingt gut, aber stimmt für die Ruhrbarone auf keinen Fall. Hier schreiben eher wenige, aber es lesen verdammt viele.
@Gerd: Klick Dich einfach mal durch die Blogroll. Bundesweit Top sind auf jeden Fall Netzpolitik und Weissgarnix. Und dann sind da noch Coffee & TV, Pottblog, Frontmotor, Spiegelfechter, Basic Thinking, xtranews, zoom, Blogbar, Rebellen ohne Markt, Macnotes, unruhr …. es sind echt sehr sehr viele gute Blogs. Und die meisten hab ich jetzt sowieso vergessen. 🙂
#5 Thomas, du Cooler (oder Kuhler?),
Laber.
Ich bin – in aller Bescheidenheit nur der Tom. Meine besten Freundinnen und Freunde dürfen mich auch TJ (TeeDschäj) nennen.
Jedenfalls bin schon grar nicht der Judas. https://judasthomaskuhl.de/
Und die Veranstaltung, wo Du Ende März auftreten wirst, die wir – Judas und TJ angeleiert haben, im Hundertmeister, mit Eva Kurowski, die heißt — Xtranews: Talk am Dellplatz.
Da wird Dir schon Dein Wort gegeben werden, in der Talkshow, alter Mann. Sofern Dich der Kulhl, also der Judas zu Worte kommen läßt.
Wie üblich schmelze ich vor dem dahin. Als (Bild)Regisseur der ganzen verschissenen Sause, die Geschichte schreiben wird. Heilandzack.
Was am Kuhl liegen wird.
Und an Euch Gästen…
BTW:
Hinsichtlich meiner These, daß Erika Eunge mit der Propagierung des Konzeptes der teilnehemenden Beoachtung den Werkreis maßgeblich beeinflußt hat, hätte ich dann auch mal gern die üblichen Gegenmeinungen aus dem Elfenbeinturm gehört.
(-:
#10
Letzte Meldung, dann muss gut sein.
Soweit ich weiß, hat mich Thomas Kuhl eingeladen & ich gehe freiwillig und als Benefiz ins 100Meister. Ein Geschenk für Thomas K. Auch falsch?
Und wenn der Thomas K. mich nicht zu Wort kommen lassen sollte (was schwer genug wird), dann mache ich gelassene Milieustudie – so wie hier mit Dir.
„Alter Mann“? Nana, sitzt Du vor dem Spiegel?
Erika Runge: Finde ich gut. An ihre Integrität, ihr Können, ihr Mitgefühl
müsste man heute wieder anknüpfen. Außerdem war nicht ich es, der Runge nicht diskutieren will. Aber jetzt geht – scheint’s – alles durcheinander
Ende, Roger and over.
Alternder Mann muss Kräfte schonen, darf nicht so viel Unsinn bloggen mit Unsinnsbloggern.
@Herholz,
Das Niveau zur eigentlichen Diskussion ist jetzt so oder so ruiniert. Obwohl ich da was hätte beitragen können. Vielleicht später mal.
Ich passe mich mal der Tageslaune an. Also:
Heute ernsthaft über Unsinn zu reden, kann ja an Weiberfastnacht durchaus Sinn machen. Manche Meise sieht aus wie Kohl, andere Meisen sind heute vielleicht Blau.
Etwas Sprachanalyse verrät, daß Nick „Thomas“ eine Meise hat. Offensichtlich kokettiert er mit dem Versteckspiel hinter dem harmlosen Kuhl.
Mehr will ich über das angeheiterte Ratespiel nicht sagen. Ich mach doch keine Werbung für den.
@Helmut: Mein Fehler. Ich hätte den Quatsch nicht freischalten sollen.
RICHTIGSTELLUNG
seit 5 jahren plane ich den talk
seit 2 jahren spreche ich mit dem hundertmeister
seit 2 wochen ist xtranews mit im boot
weil hundertmeister nicht veranstalten will
thomas meiser hat nichts angeleiert
die gäste habe ich eingeladen weil ich sie für kompetent halte
sie werden ausführlich zu wort kommen
ich lasse mir meinen talk nicht von idioten kaputtmachen
ausserdem haben wir nur einen gerd
aber viele die thomas heissen…
und mir an meinem geburtstag sone scheisse reinzusemmeln
meiser- dafür kriegst du auf die fresse!
@15
Kuhl,
keine Sau versteht Dich. Oder das alles. Schnief. Starallüren hatte Kinski gegen Herzog in Fitzcarraldo auch. Nunja. Prust.
Hinsichtlich des Topos auf die Fresse, ich bin ehrlich besorgt, so ein Ausrutscher, gerade von Dir bekanntermassen gemäßigtem Diplomat, muß ich aber darauf hinweisen:
Das ist Gegenteilsprache.
Auf die Fresse haben immer nur die Nazis zu kriegen.
Beispiel aus Duisburg gefällig?
https://www.youtube.com/watch?v=gqyg-UdYeAo
(Was keiner weiß: Damit hab ich eine erste Wette gegen ein Redaktionsmitglied der Baronskis gewonnen. Weil es mir damit unauffällig gelungen ist, einen Link auf Eisenpimmel, „zu geschmacklos für uns“, unterzubringen.)
@Thomas@Thomas J: Und das war es jetzt mit der Kinderstunde. Weitere Kommentare von Euch zu dem Thema werden nicht freigeschaltet.
@Stefan,
gut, daß Du das noch durchgehen lassen hast, aber wenn jetzt Schluß ist, ist das besser, als nie. Ich weiß auch nicht, wieso ich mich in diesen Unsinn eingeklinkt hatte.
War wohl Karneval. Und ich kenne die beiden ja gut.
Dokument vom Werkkreis Literatur der Arbeitswelt Steiermark von Erich Fried
Werkkreis Literatur der Arbeitswelt
Erich Fried, geboren 1921 in Wien, lebte seit 1938 als jüdischer Emigrant in London und gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des deutschen Sprachraums. Sein entschiedenes politisches Engagement (u.a. gegen den Vietnam-Krieg, die Politik Israels gegenüber den Palästinensern, die Formen der Terrorismus-Bekämpfung in der Bundesrepublik) hat ihn in vielen politischen Kontroversen geführt und ihm heftige Anfeindungen eingetragen. Er starb am 22.11. 1988.
Auszug aus einem Gespräch, das Erich Fried anlässlich der Werkstattgespräche „Literatur und Politik“ am 13. Juni 1983 mit Erich Zwirner in Kindberg geführt hat.
Zwirner: Max von der Grün sagte einmal, Literatur der Arbeitswelt, das heißt, schreibende Arbeiter, sei Quatsch mit Soße. Seit acht Jahren aber ist er Mitglied der Jury der Literaturpreisvergabe der Arbeiterkammer Oberösterreichs, wo auch schon schreibenden Arbeiter mit Preisen bedacht wurden. Meine Frage, wie steht Erich Fried dazu?
Fried: Ich weiß genau, warum er das gesagt hat. Weil er sich über verschiedene Fehler, die im deutschen Werkkreis in der Literatur gemacht wurden, geärgert hat. Aber ich finde, das ist eine Verallgemeinerung. Ich glaube, dass Literatur der Arbeitswelt zwei große Vorteile hat. Erstens: Es ermutigt Menschen, die Arbeiter sind und die schreiben wollen, und das ist sehr wichtig. Es zwingt sie ja keiner, dass der, der nicht schreiben will, zu schreiben anfängt. Aber wenn einer ohnehin schreiben will, oder wenn er nicht einmal schreiben will, aber auf die Idee kommen könnte, dass das eine legitime Methode ist, um sich Luft zu machen, seine Erlebnisse nicht unartikuliert zu lassen (dadurch auch, dass er sie unartikuliert lässt, seine Gedanken nur halb zu lassen), dann spielt das eine sehr wichtige Rolle.
Wenn man glaubt, dass Literatur der Arbeitswelt etwas ist, weil sie besser ist als jede andere Literatur, dann versucht man nur einen Kurzschlussausweg zu finden aus einer Gesellschaft, in der der Arbeiter in Wirklichkeit immer noch unterdrückt und benachteiligt ist. Ein Ausweg, den man nur dadurch finden kann, dass man die Gesellschaft verändert, dann macht man einen Fehler, wenn man das glaubt. Es ist auch ein Fehler zu glauben, dass wirklich nur ein Arbeiter über Arbeiter schreiben kann. Zum Beispiel, wenn man an Emile Zolas „Germinal“ denkt. Zola war kein Arbeiter, aber er hat sich die Mühe genommen, wirklich ins Bergwerk zu gehen, um sich die Leute anzuschauen. Er hat sich mit ihnen solidarisiert. Da ist mehr entstanden als eine bloße Mitleidsliteratur. Und in Wirklichkeit hat sich dann so Arbeiterliteratur zum Teil sogar an solchen Sachen ein Beispiel genommen. Wenn wir die Literatur, die Werkkreisliteratur betrachten, so sehen wir sehr oft, dass gerade schreibende Arbeiter sich an bürgerlichen und kleinbürgerlichen Literaturformen noch ein Beispiel nehmen, denn es gibt ja in Wirklichkeit keine proletarische Kultur, sondern höchstens Ansätze zu einer solchen, weil ja das Proletariat sich dadurch unterscheidet – von früheren unterdrückten oder ausgebeuteten Klassen – dass ihm eigentlich alle eigenen kulturellen Möglichkeiten zunächst einmal abhanden gekommen ist. Das heißt nicht, dass sich nicht im Kampf auch kulturelle Errungenschaften ergeben haben, zum Beispiel das ganze Arbeiterbildungswerk und so, von dem aber heutzutage nicht so viel da ist wie in den besten Zeiten. Also ich glaub, die Sache hätte sich auch gar nicht so lange halten können, wenn nicht wirklich ein Bedürfnis dafür da gewesen wär, bei den Arbeitern selbst. Ich glaub nicht, dass die Arbeiterliteratur, die auf diese Weise entsteht, sich einbilden soll, dass sie die einzige Literatur sei, auf die es ankommt. Ich glaube, sie braucht die Zusammenarbeit mit anderen Schriftstellern.
Die eine Sache an die ich glaube aber ist, dass ein schreibender Arbeiter auch ein Lesender sein muss, und zwar nicht nur Literatur von Arbeitern lesen muss, sondern überhaupt sich anschauen muss, wie was geschrieben worden ist. Das heißt, wie Menschen unter verschiedenen Umständen etwas festhalten, an die Gestaltung ihrer Gedanken und Gefühle gegangen sind, denn daraus lässt sich was lernen. Wenn man das nicht tut, so beschränkt man sich in der Wahl seiner Mittel zu sehr. Dann kann man sozusagen über seine eigenen stilistischen Erfahrungen nicht hinauswachsen. Natürlich eine andere Gefahr kann sein, dass man von all dem, was man gelesen hat, betrunken wird, dass man schreibt als Literaturübung – und das ist falsch. Schreiben soll niemals eine literarische Übung sein, sondern es soll dabei immer um das gehen, was einem am Herzen liegt dabei. Um das Thema. Das sieht man auch dadurch, dass beim Korrigieren ein anständiger Schriftsteller niemals korrigieren wird um eines schönen literarischen Einfalls oder Wortspiels willen, obwohl er immer versuchen wird, den Stil unter Umständen zu verbessern, sondern im allgemeinen korrigiert, zu größerer Verständlichkeit, zu genauerer Darstellung dessen, um was es geht.
In den Zeiten der Arbeiterbildungsvereine – es ist sehr merkwürdig, wenn wir das heut anschau`n, dass eigentlich, obwohl damals Werke wie Upton Sinclair über amerikanische Arbeiterverhältnisse und Cronin über englische sehr beliebt waren, trotzdem Thomas Mann oder auch Goethes „Faust“ noch viel mehr gelesen wurden, und das halte ich für ganz gut, obwohl mir lieber gewesen wäre, wenn sie Heinrich Mann oder Leonhard Frank mehr gelesen hätten, als Thomas Mann, weil dadurch, dass sie solche Dinge gelesen haben, die gedanklichen und sprachlichen Perspektiven erweitert wurden. Sie waren dann ja nicht gezwungen, das alles zu übernehmen. Aber was ihnen davon wirklich eingegangen war, sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen, das kam dann schon von selber heraus.
Veröffentlicht im Werkstatheft: „Literatur der Arbeitswelt – Steirische Werkstatt; Graz, im Frühjahr 1984; S.17, 18.
Erich Zwirner war Mitglied vom „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ – Steirische Werkstatt, Graz.