Sascha Bisley hat mit „Zurück aus der Hölle“ sein erstes Buch veröffentlicht. Es beschreibt sein Leben, den Weg von einem Gewalttäter zu jemanden, der heute Jugendlichen hilft nicht abzurutschen. Sascha ist für die Leser dieses Blogs kein Unbekannter: Er trat häufig auf Ruhrbarone-Lesungen auf und veröffentlicht seine Geschichte auf Dortmund-Diary. Mit seiner freundlichen Genehmigung hier nun ein Auszug aus dem Buch:
Ich reiche dem, der mir am nächsten steht, die Hand, ein hagerer Kerl mit fettigen, schwarzen Haaren, die sich im Nacken kräuseln. Er dreht sich weg. An einem kleinen Holztisch mit abgeranzter Resopalplatte sitzen zwei Typen, der eine steht auf, kommt auf mich zu, gibt mir seine Hand.
„Hallo, ich bin Heinz, und du solltest dir hier keine Freunde suchen, die gibt’s hier nicht. Erstes Mal, Kleiner?“
Ich nicke. Die anderen grinsen. Werde ich gleich in den Arsch gefickt? Niemand ist in der Nähe, der mir helfen könnte, kein Kumpel wie sonst, kein Messer, keine Flasche, kein Knüppel. Blanke Angst dringt aus allen meinen Poren, sie lässt mich vor den anderen die weiße Fahne schwenken. Ich habe mich nicht mehr im Griff. Meine Unterlippe zittert, ich kann nicht sprechen.
Wie oft habe ich Typen gesehen, die sich eingepisst haben, bevor ich ihnen vor ihrer Freundin in die Fresse gehauen habe. Den Weibern habe ich die Haare angezündet, wenn sie rumgezickt haben, gelacht habe ich über sie. Über sie alle. Die ganzen Weicheier, Schwuchteln, Assis und Alkis, die Streetfighter, Kneipenrandalierer und Kirmesmacker. Ich hab sie gerochen, die Schwäche in ihren Körpern, die man nur aus ihnen herausholen musste, um sie sich selbst wie neue Schuhe anzuziehen und sich damit größer und größer zu machen. Dazu muss man kein Superheld sein, keine Muskeln haben. Es reichen ein Aschenbecher, etwas Entschlossenheit und der erste Schlag. Es war mir von jeher ein Fest, sie zu verletzen, sie zu demütigen. Sie alle. Das ist mit einmal weg. Ich fühle mich anders. Weich.
Heinz ist klein, etwa ein Meter sechzig, schlank und hat blondierte Haare, die er mit einer Menge Haarspray oder Ähnlichem zu einer Art Fünfziger-Jahre-Tolle nach hinten gekämmt hat. Er trägt eine goldene Carrera-Brille mit blau getönten Gläsern. Er erinnert mich an die Zuhälter, mit denen ich zu tun hatte. Heinz bietet mir eine Zigarette an. Schwarzer Krauser, vorgedreht. Ich nehme dankend an und setze mich auf ein Bett, das er mir zeigt.
„Das kannze nehmen, es ist leer. Ich lieg über dir, unten is die Furzkiste … nennen wir hier so. Riechste heute Nacht, warum!“
Der Typ mit den fettigen Haaren, der wie ein debiler Witzemacher aussieht, lacht, er hat sicher lange auf seinen Auftritt gewartet, scheint bis zu meinem Eintreffen hier das schwächste Glied gewesen zu sein. Er stellt sich nicht mit Namen vor, nur mit dem Delikt. Tausend Mark Strafe für eine Graspflanze, die er nicht bezahlt hat. Dafür bekam er eine Ersatzfreiheitsstrafe, drei Monate muss er noch absitzen. Außer seinen fettigen Haaren und einem nervösen Blick, der alle zwei Sekunden etwas anderes zu fokussieren scheint, hat er nichts, was ich für erwähnenswert erachte. Ein Typ wie tausend andere. Ich hoffe, ich bleibe hier nicht allzu lange, dann werde ich ihn innerhalb von einer Stunde aus meiner Erinnerung gelöscht haben.
Sascha Bisley: Zurück aus der Hölle, Hardcover 240 SeitenISBN-13 9783430201704