Auch in dieser Woche haben sich die Ruhrbarone-Autoren Peter Hesse und Robin Patzwaldt wieder über das aktuelle Geschehen im Profifußball unterhalten. An Themen hat es ihnen dabei einmal mehr nicht gemangelt. Der vorzeitige Rückzug von Bundestrainer Joachim Löw wurde ebenso besprochen wie das einjährige Jubiläum der ungeliebten ‚Geisterspiele‘, oder auch die Zukunft von Manager Fredi Bobic. Zu guter Letzt wurden auch die Erfolgsaussichten des VfL Bochum im Spitzenspiel der zweiten Liga thematisiert.
Peter Hesse: Hallo Robin! Als erster möglicher Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw hat sich nun Ralf Rangnick sehr interessiert gezeigt. Es sei eine „Stelle, die niemanden in Deutschland kalt lässt“, sagte der frühere Trainer von RB Leipzig beim Bezahlsender Sky und erklärte weiter: „Für mich ist es in erster Linie eine Frage des Timings. Im Moment bin ich frei“, so die Worte von Rangnick. Wäre er eine gute Wahl zum Nationaltrainer? Mir fällt nicht so recht jemand ein, der passen würde, nachdem Jürgen Klopp sehr medienwirksam abgewunken hat…
Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Grundsätzlich ist mir die Nationalmannschaft nicht so wichtig. Ich bin eher ein Fan des Klub-Fußballs. Das ging vielen Trainern in der Vergangenheit offenbar ähnlich wie mir als Beobachter. Wenn wir mal ehrlich sind, waren es ja selten Trainer, die zuvor in der ersten Reihe standen, als sie in das Amt kamen. Vor diesem Hintergrund würde sich eher Stefan Kuntz anbieten, der Trainer der U21 des DFB. Aber Rangnick halte ich insgesamt schon für eine starke Persönlichkeit, der ich den Job durchaus anvertrauen würde. Nach Löw kann vieles ja eigentlich nur besser werden. Aber solange Oliver Bierhoff im Amt bleibt, ist das Alles schwierig. Ich würde mir wünschen, der DFB setzt den 2018 verpassten Umbruch um und trennt sich auch gleich mit von Bierhoff. Aber das hat sich auf der Pressekonferenz am Donnerstag ja ganz anders dargestellt. Von daher bin ich da skeptisch. Ich befürchte, dass das weltfremde Gehabe der letzten Jahre weitergehen wird, egal wer der neue Coach wird.
Peter Hesse: Wir haben jetzt seit einem Jahr Geisterspiele – das erste Spieltag ohne Zuschauer fand am 11. März 2020 statt. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass die Spielausgänge in dieser sterilen Atmosphäre berechenbarer sein sollen. Und das finanzstarke Klubs ihre Dominanz weiter ausgebaut haben. Mir fehlt das Publikum sehr. Fußball ohne Publikum, ist wie Pommes ohne Currywurst. Denn die ganze Schärfe, Wildheit und Schönheit des Spiels lebt ja von den Impulsen, die auf der Tribüne entstehen – die Gesänge, die humorig gefärbten Kommentare, die ganze impulsive Irrationalität. Wie geht es dir damit?
Robin Patzwaldt: Anfangs war ich nur froh, dass das Ligageschehen weitergehen konnte, die Bundesliga einen sportlichen Ausgang im Juni Fan und die neue Saison im Herbst starten konnte. Inzwischen spüre aber auch ich, wie sehr mir diese Geisterspiele auf den Keks gehen. Auch die finanziellen Folgen für die Klubs sind natürlich gigantisch. Und ich befürchte, dass das Alles nicht folgenlos bleibt. Zum einen werden wir noch eine ganze Weile zumindest mit Teilzuschauermengen leben müssen, zum anderen werden die Klubs ihre Kader verkleinern bzw. verbilligen müssen. Das ist alles sehr bitter. Na ja, und ins Stadion will man nach so langer Zeit halt auch irgendwann einmal wieder.
Peter Hesse: Eine andere Personalie ist die von Fredi Bobic, der im Sommer von Eintracht Frankfurt zu Hertha BSC wechseln will. Sein Vertrag mit dem Club aus der hessischen Metropole besitzt nun eben doch nicht, wie von Bobic behauptet, eine entsprechende Klausel, die ihn ablösefrei ziehen lassen kann. Bobic hat nun eine Kehrtwende vollzogen und bestätigt: Sein Vertrag besitzt keine Kündigungs- oder Ausstiegsmöglichkeit bis einschließlich 30. Juni 2023. Es zeigt sich auch hier wieder, was bei der Personalie Marco Rose schon aufgeploppt ist: wenn deine Jobverhandlungen mitten in der Saison in die Öffentlichkeit getragen werden, kann das ein bitteres Geschmäckle bekommen. Gut möglich, dass Hertha noch eine Ablösesumme zahlen muss. Und das ist dann die Geschichte die für den normalen Fan immer unverständlicher wird: es geht immer nur noch ums reine Business, der Fußball scheint immer mehr eine Beilage davon zu werden. Und das kann es doch nicht sein….
Robin Patzwaldt: Das halte ich aber für ziemlich normal. Wenn man keine Lust mehr hat für einen Arbeitgeber zu arbeiten, dann bringt es ja auch nichts, wenn ein Vertrag einen dazu zwingt. Ist bei jedem Arbeitnehmer so. Will einer nicht mehr, dann hat es keinen Sinn. Schon gar nicht für eine Führungspersönlichkeit wie Bobic. Was hätte die Eintracht davon ihn zu zwingen? Nichts! Ist halt ein Geschäft geworden. Dass Bobic die Eintracht liebt, wie es sich dort manch ein Fan erträumt, ist doch naiv. Wenn ein Spieler gehen will, geht er auch. Trotz laufendem Vertrag. Haben wir in Dortmund doch in den Fällen Aubameyang und Dembele erst beim BVB wieder gesehen. Und wenn Haaland wechseln will, kann ihn auch keiner halten. Egal was im Vertrag steht. Mag traurig sein, ist aber so. Mich überrascht sowas nicht mehr.
Peter Hesse: Also der Kampf um die Ablöse für einen Sportvorstand ist eine Zäsur im deutschen Profifußball. Bislang war es so, dass nur Spieler und Trainer gegen eine Ablösezahlung auslaufenden Verträgen herausgekommen sind. Aber nun gut, so läuft halt der Kapitalismus – er nimmt sich, was er kriegen kann. Nachdem Schalke den Abstieg so gut wie nicht mehr abwenden kann, der BVB weiter wie die launische Diva vom Borsigplatz agiert, haben wir ja noch den VfL Bochum, der gerade Tabellenführer in der zweiten Liga ist. Wer hätte das gedacht? Heute Abend kommen die Hamburger an die Castroper Straße und das Spiel ist im Aufstiegsrennen ein wichtiger Impuls. Ich drücke dem VfL natürlich beide Daumen, du auch?
Robin Patzwaldt: Nochmal kurz zu Bobic: Ich sehe da keinen großen Unterschied zwischen Sportvorständen, Spielern und Trainern. Der BVB hat ja kürzlich offenbar auch noch über eine Rückkehr von Sven Mislintat nach Dortmund nachgedacht. Und der hat ja bekanntlich noch einen Vertrag in Stuttgart. Hätten wir uns beschwert, wenn er wirklich nach Dortmund zurückgekommen wäre? Ich denke nicht. Dass Bobic aktuell vielleicht etwas überschätzt wird, ist eine andere Sache. Zum VfL Bochum: Natürlich würde ich mich freuen, wenn wir in Zukunft wieder mindestens zwei Erstligisten aus dem Revier hätten. Von Schalke müssen wir uns ja wohl verabschieden, was ich sehr bedaure, auch wenn ich BVB-Fan bin. Es wäre aber toll, wenn der VfL Bochum demnächst zumindest ein Stück weit die Schalker in der 1. Bundesliga ersetzen könnte! Das erscheint aktuell ja auch durchaus realistisch.
Peter Hesse: ja, das finde ich auch….
Robin Patzwaldt: Die 2. Liga ist aus meiner Sicht in dieser Saison ja auch noch merkwürdiger als die Bundesliga. Dort gibt es ja zurzeit gar keine wirklichen Spitzenteams mehr. Das Rennen ist ungewöhnlich eng. Der große HSV kriegt es seit Jahren nicht hin konstant gut zu spielen. Ich bin gespannt, wie das da weitergeht. Da ist ja wirklich alles möglich in dieser Saison. Die Daumen drücken tue ich in Liga 2 in erster Linie aber dem VfL Osnabrück. Meine Großeltern haben da früher um die Ecke gewohnt. Daher ist Osnabrück schon seit den frühen 80er-Jahren meine zweitliebste Fußball-Mannschaft. 🙂