Katakomben Theater. Am 6. November um 20 Uhr gibt es im Rahmen der 60 Jahrveranstaltungen zum Anwerbeabkommen Deutschland/Türkei Theater. Deutsch-Türkisches Theater. Das Stück ist die Neuauflage einer Produktion aus dem Jahr 2018. Prädikat: Geht hin und schaut es euch an.
Der Lyriker, Verleger und Theatermacher Dinçer Güçyeter hat eine Schar Schauspieler um sich geschart und ein Stück geschrieben, das seiner Mutter bei der Premiere 2018 die Tränen in die Augen drückte. Es ist die Poesie, die ihren Träumen, ihren Sehnsüchten und ihren Gefühlen die Wirklichkeit von Almanya entgegensetzt. Eine Mutter-Hommage wie das berühmte Gedicht von Kurt Tucholsky.
Ein umgepflanztes Mutterleben im Spiegel der Erfahrung dreier Frauengenerationen vor der Matrize der Geschichte von Krieg, griechisch-türkischem Bevölkerungsaustausch, Flucht, Vertreibung und Auswanderung.
„Nie gab es einen festen Ort. Auch in Zeiten, wo wir dachten, wir hätten unseren Boden gefunden, ging es weiter. Die letzte große Reise führte nach Deutschland. Es sollte eine Rückkehr geben … Es gab nie eine Rückkehr. Nur der Tod hat diese Route geschafft. Vielleicht haben wir “Rückkehr“ auch falsch verstanden.“
Dincer Gücyeter knüpft an den Traumata und den familiären Überlieferungen seiner Urgroßmutter an, die es von Kavala (Griechenland) nach Usak (Westtürkei) verschlug. Er gräbt im Kortex der Erinnerungen von Generationen und verbindet das Gestern mit dem Heute und dem Morgen. Es sind die Mütter, die diese Mischung von Emotionalität, Leidensfähigkeit und Kampfgeist mitbringen, und den Kindern und Kindeskindern den Traum vom glücklichen, unbeschwertem Leben bereiten. Die Frauen und Mütter erzählen die Märchen, die uns bei der Stange halten und an die wir uns noch auf der Bahre erinnern. Die Realität ist unser Betonboden. Wenn wir ehrlich zu uns sind, kann das auch schonmal nerven.
„Meine Uroma musste von Kavala (Griechenland) nach Usak
(Türkei) umsiedeln, diese Entwurzelung hat sich auf die kommende Generationen übertragen: die nächste Route war von Sirkeci (Istanbul) nach Köln. Dann komme ich, kommt meine Generation. Wir sind die Kinder von Gastarbeitern … Gastarbeiter, die in Panik Wurzeln schlagen und “besitzen“ wollten. Kinder, die jeden morgen auf dem einsamen
Küchentisch ihre Brotscheibe kauten, paarlose Socken trugen … der Haustürschlüssel hing mit einem Faden am Hals, die Ketten der Fahrräder verrostet, eine neue Sprache wartete in der Schule auf sie. An den Abendstunden saßen sie auf den Schwellen und warteten auf das Schichtende ihrer Mütter/Väter. Zu dieser Generation gehöre ich.“Dincer Gücyeter
Wer noch mehr Anstösse braucht, um sich in Bewegungen zu setzen, kann sich den Teaser bei YouTube anschauen.
https://www.youtube.com/watch?v=bbqoCq7gJmk
Und den Weg zum Ticket und in die Essener katakombe findet man hier.
Das Deutschlandmärchen meiner Mutter
Katakomben Theater
06.11.2021, 20 Uhr, Eintritt 12€
Text/Regie/Produktion: Dinçer Güçyeter
Ensemble: Birten Öner Ural, Filiz Karadağ, Fatoş Şahan, Gül Emeket Karakoyun, Derya Stüllgens, Mustafa Toni Aksu, Bora Aydın, Özay Vural, Ülkü Içten, Aytekin Karadag, Ezgi Göçmen
Wie sentimental. Fragen Sie mal nach den Gründen, warum es einen griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch gab. Und dann sehen Sie sich auch mal die Zahlen an.
Und vielleicht fragen Sie sich auch einmal, warum türkische Arbeitskräfte nach Deutschland gingen und nicht umgekehrt.