„Wir sind Die PARTEI und WIR sind Rock `n` Roll! – Diesmal sogar mit Inhalten“, schreibt unser Gastautor El Comandante Stadtmann.
Finanzielle Stärkung der freien Kulturszene in Essen!
Im Jahr 2006 gründete sich die „kulturelle Marketing-Initiative Essen“, ein Zusammenschluss von zahlreichen Kultureinrichtungen und Theatern, Kunst- Musik- und Literaturinitiativen aus dem freien Kulturbereich.
Die Einrichtungen und Initiativen der freien Kulturszene haben einen bedeutenden Anteil am Essener Kulturlebens und setzen Impulse und Trends. Im krassen Gegensatz zur Bedeutung steht jedoch die finanzielle Förderung der Freien. Die Stadt Essen gibt im Jahr ca. 93,2 Millionen Euro an Steuergeldern für Kulturförderung aus, doch diese kommt fast ausschließlich der so genannten Hochkultur zugute, eine Kultur die wohl schon längst völlig ausgestorben wäre, würde sie nicht immer wieder von der Stadt mit gewaltigen Finanzspritzen künstlich am Leben gehalten.
Der gesamte Bereich der freien Kultur wird aber gerade mal mit ca. 3,5 Prozent des Kulturhaushaltes gefördert. Der Kulturhaushalt der Stadt Essen und der Anteil zur Förderung der Freien Kulturszene stehen damit absolut in keinem angemessenen Verhältnis.
Die Stadt Essen schmückt sich ja gerne mit Titeln wie „Metropole Ruhr“ oder „Kulturhauptstadt 2010“. Dabei wird vergessen, dass gerade Großstädte einen hohen Anteil ihrer Attraktivität aus dem kulturellen Leben abseits der Hochkultur gewinnen.
Clubs, Kneipen, Bars, kleine Kinos und freie Theater prägen die Kulturlandschaft der Stadt Essen in einem hohen Maße. Der Kulturwert einer Stadt ist in den letzten Jahren auch zu einem immer größeren Standortfaktor geworden, der von der Stadt Essen nun aber auch finanziell gewürdigt werden muss.
Ohne Einrichtungen und Initiativen der freien Kulturszene würde das Kulturangebot der Stadt Essen an Vielfältigkeit und Qualität und Quantität verlieren. Das Engagement und die enorme Leistung der freien Kulturszene für die Entwicklung der Stadt muss auch in finanzieller Hinsicht Deshalb fordert Die PARTEI Essen eine deutliche Erhöhung des
Budgets zur Förderung der freien Kultur in Essen!
Support your local scene!
El Comandante Stadtmann ist Fraktionsvorsitzender der PARTEI-Piraten in Essen
Sind die Auftritte des PARTEI-MdEP Sonneborn nur noch fade und redundant, so wie ein ständig aufs Neue erzählter Witz, sind die Ansichten dieses Lokal-Politikers nur dumm und ärgerlich.
Kürzen bei der Hochkultur, dafür mehr Geld für die freie Kunstszene, gähn.
Den gleichen Stuß haben die Grünen schon vor fast 30 Jahren verzapft, als sie vorgerechnet haben, dass die Ausgaben des MIR für Ballettschuhe dem Etat des Kommunale Kinos in GE entsprechen. Und damit Leuten in die Hände gespielt, die Kultur insgesamt für nicht förderungswürdig halten.
Die Hochkultur gäbe es ohne die üppige Förderung längst nicht mehr, sagt der Lokalpolitiker. Heißt das, nur was sich am Markt hält ist notwendig?
„Der Kulturwert einer Stadt als Standortfaktor“, das meint der Typ doch ernst, oder ist das jetzt auch Satire?
Ansonsten gilt für Spießer vom Schlage El Comandante Stadtmanns immer noch Tocotronics „Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst“
Ihr sitzt in euren Zimmern und ihr wartet auf das Glück
Und ihr habt schon zwanzigtausend Zigaretten ausgedrückt
Redet nur von den Projekten und von eurem neuen Stück
Manchmal frage ich mich bin ich oder ihr verrückt?
Ich will nicht schlecht über euch reden
Es ist ja doch nur primitiv
Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst
Es gibt eine Herzlichkeit jenseits von Jonglieren
Das ist doch wirklich gar nicht allzu schwierig zu kapieren
Ihr werdet hunderttausendmal Kaffeetrinken gehen
Und werdet hunderttausendmal wieder nichts verstehen
Eine letzte Bitte an die PARTEI: Keine Inhalte mehr!
Lieber Herr Stadtmann,
es gibt eine öffentlich finanzierte Kultur und eine freie Kulturszene. Die öffentliche finanzierte Kultur besteht in Essen z.B. aus dem Grillo-Theater, der Aalto-Oper, dem Ruhrmuseum und dem Folkwang. Sie wird als Grundversorgung aus Steuergeldern finanziert – vergleichbar mit Polizei oder Schulen. Daneben gibt es eine freie Kulturszene, die sich selbst finanziert. Sie erhält lediglich als freiwillige Leistung gelegentlich Subventionen aus Steuergeldern. Freie Theater und Arthouse-Kinos gehören möglicherweise dazu, Bars und Kneipen sicherlich nicht. Clubs sind ein Sonderfall. In jedem Fall greift die Aufrechnung der Gelder in der Art, in der Sie sie hier betreiben deutlich zu kurz und ist gänzlich unstatthaft. Ich bin durchaus dafür, dass eine Stadt ihre freie Kulturszene unterstützt, möglicherweise auch finanziell.
Übrigens: Auch was die Bedeutung für die Stadt angeht, irren Sie. Das Folkwang-Museum und die Aalto-Oper tragen sicherlich zum überregionalen Ruf der Stadt bei. Bei den freien Kulturinstitutionen fällt mir da leider in Essen derzeit nichts ein. Bei Bars wäre vielleicht das DREXX zu nennen. Sicherlich ein Spezialfall, aber doch immerhin von internationaler Bedeutung. Dieser Club würde allerdings niemals auf die Idee kommen, öffentliche Subventionen zu fordern, glauben Sie mir.
Kultur die sich nicht selbst nicht tragen kann, gehört abgeschafft.
Merkt denn keiner, dass das Satire ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund Kultur zu fördern!
@Michele
Mit dem MIR haben Sie aber auch ein tolles Beispiel ausgesucht. Ich wohne jetzt seit über 6 Jahren in Gelsenkirchen und besuche im Jahr zwei bis drei Veranstaltungen im MIR. Für eine Karte habe ich bislang nie mehr als 5 Euro ausgegeben, darunter auch Permieren, die offiziell ein Vielfaches davon kosten. Möglich ist dieser Ramschpreis, weil man als städtischer Mitarbeiter zu diesen Konditionen Karten für das MIR bekommt. Der Witz an der Sache: Ich bin gar kein städtischer Mitarbeiter und würde auch nie im Leben auf die Idee kommen für die Stadt Gelsenkirchen auch nur einen Finger krumm zu machen. Sie sehen, dass es reicht, jemanden zu kennen, der einen kennt, der bei der Stadt Gelsenkirchen arbeitet und schon gibt es erstklassige Hochkultur für einen Appel und ein Ei.
Und weil dieses System von Äppeln und Eiern in Gelsenkirchen so wunderbar funktioniert, bauen sich die Bochumer für ihre Bosys jetzt auch so einen Musikkasten in ihre Stadt, gerade einmal 10 km Luflinie vom MIR entfernt. In Essen gibt es ebenfalls Kultureinrichtungen, die sich vom Programm her mit dem MIR vergleichen lassen und wenn wir dann auch noch den Blick nach Dortmund oder Duisburg wagen, gewinnt man den Eindruck, dass es im Ruhrgebiet geradezu wimmelt von Einrichtungen der Hochkultur. Ich habe jetzt soweit ausgeholt, weil sich nicht nur die Stadt Essen, wie in Stadtmanns Artikel erwähnt, mit den Titeln „Kulturhauptstadt“ oder „Metropole Ruhr“ schmückt, sondern gleich eine ganz Region und das Problem, welches im Artikel beschrieben wird, das nämlich alles Geld im Bereich der Kulturförderung in Aufrechterhaltung, Pflege und Bau von Tempeln der Hochkonjunktur gesteckt wird, nicht nur in Essen, sondern auch in den anderen Städten unseres Metropölchens wieder findet.
Stadtmann hat Recht, wenn er auch die Förderung einer freien Kulturszene anmahnt und darauf verweist, dass diese nur ein Bruchteil von dem kostet, was die sogenannte und an allen Ecken und Kanten gepimte Hochkultur bei uns verschlingt. Das Ruhrgebiet wirkt übersättigt, was die edlen Künste angeht, während alles, was diesen hohen Ansprüchen nicht enstpricht mehr und mehr ausgehungert wird.
Endlich kann ich mal einen abgegriffenen Begriff in den Raum werfen, nämlich den Hochkulturhipster. Keine Ahnung aber Hauptsache mit Liedzitaten um sich werfen.
Immer wieder schade, dass kommunale Vertreter von DIE PARTEI am Ende doch nur linke oder difuse Piraten-Politik machen.
Und wenn die Frei Szene genauso subventioniert wird, dann ist sie keine freie Szene mehr sondern an die Wünsche der Politik gebunden.
zu #4 | Wolfgang Wendland
Ich fände es auch sinnvoller, wenn alle Leute genug Geld hätten, sich die (unsubventionierte) Kultur zu leisten, die sie wollen.
@#6 | Har Har.
Hochkulturhipster – was für ein schönes Wort, auch wenn sich mir die Bedeutung nicht erschließt.
@Har Har
Wie kann man darüber froh sein, einen „abgegriffenen Begriff“(!) „endlich“(!) in den Raum zu werfen?
„Ich wär auch gern ein (Hochkultur-)Hipster, doch mein Kreuz ist zu breit.“ (Fler)
@ der, der auszog
Was Sie schreiben ist interessant und die Art der Subventionierung sicherlich zu kritisieren.
Wenn Stadtmann Mitglied der Grünen oder der FDP wäre oder für den Bund der Steuerzahler sprechen würde, hätte ich seine Stellungnahme auch nicht kommentiert.
Mir geht es aber unglaublich auf den Zeiger, dass Typen, die sich für supercool halten, die immer alles ironisieren und über den Dingen stehen, hier über Effizienz, Engagement, Außenwirkung, Standortfaktoren u. ä. sprechen, als wären Sie Sprecher der Stadtmarketing GmbH und nicht bloß Kleinkunst-Lobbyist.
Stadtmann zeigt, dass Thomas Ebermanns Diktum über die Piraten, auch für die Essener PARTEI-Piraten gilt:
Anders dumm, aber auch dumm.
@ Wolfgang Wendland: Filme im Bahnhof Langendreer und Punk-Musicals im Theater Dortmund sind ebenfalls subventioniert bzw. öffentlich finanziert und könnten sich nicht selbst tragen. Selbst der Altpunk sollte nicht die Hand beißen, die ihn füttert.
@ Rambow da ich meinen Lebensunterhalt jenseits der Kulturförderung bestreite kann ich mir die eine oder andere Freiheit nehmen. Dies empfinde ich gerade bei der Produktion von Kultur als sehr hilfreich. Natürlich würde es der Kulturförderung gut zu Gesicht stehen gerade dies zu fördern, da fördern ja nicht finanzieren heißt, kommt aber nur selten vor. Ich bin gespannt was in Dortmund dabei raus kommt, käme aber auch so gut bis zur Rente aus.
Eine städtische ‚Kultur‘-Förderung ist grundsätzlich eine freiwillige Angelegenheit, es sei denn, es wurde anderes festgeschrieben. Bochum ist in dieser Hinsicht wohl tätig gewesen – ob das Land derartiges anerkennt, ist jedoch eine andere Frage. Dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, ist zu bemerken, wenn Einsparungen vorzunehmen sind.
Kulturwissenschaftlich umfasst Kultur längst alles vom Menschen gemachte, ein solcher Begriff lässt sich jedoch nicht mit den städtischen Haushalten vereinbaren: Der gesamte Haushalt müsste Kulturetat heißen!
Alt-bürgerlich galten als Kultur jedoch primär die Künste, von der Oper bis zum Blockflötenverein. Im Rahmen eines ‚erweiterten‘ Begriffs fielen auch die soziokulturellen Zentren darunter. Diese hatte Essen seit den Siebzigern städtisch gefördert.
Wo die ‚Schwerpunkte‘ einer ‚Kultur‘-Förderung liegen, muss der jeweilige Rat entscheiden. Mich ärgert häufig, vor allem im Ruhrgebiet, dass die zeitgenössischen Künste zu kurz kommen. Die Opernhäuser spielen fast ausschließlich uralte Klamotten, die Philharmonien und Theater ebenso. Ich glaube, Essen hat sich ab und an eine wohtuende Ausnahme gegönnt. Eventuell sind Opern überhaupt nicht mehr zeitgemäß, kaum jemand schreibt noch welche. Das Format ist ziemlich tot, weil es an das alte Bürgertum gebunden war, das es in dieser Weise nicht mehr gibt. Die Neue-Musik-Szene ist sehr lebendig, auch wenn sie überwiegend abseits der großen Öffentlichkeit agiert. Vielleicht ließe sich in dieser Hinsicht weiterdenken.
Duisburg hatte in den Neunzigern übrigens einen Projekt-Topf für die Freien eingerichtet, der aus Essen bekannt war! Man konnte Anträge stellen, um einen Zuschuss für eine Produktion zu erhalten. In Duisburg wurde dieser Topf im Zuge der Sparexzesse zusammengestrichen. Was daraus in Essen geworden ist, vermag ich nicht zu sagen.
Bei aller Unterstützung durch E.C. Stadtmann; aber eine Aussage zur sog. Hochkultur wie: “ eine Kultur die wohl schon längst völlig ausgestorben wäre, würde sie nicht immer wieder von der Stadt mit gewaltigen Finanzspritzen künstlich am Leben gehalten“ geht am Problem vorbei und schwächt letztendlich die Legitimation der öffentlichen Kulturförderung insgesamt. Zu einer urbanen Stadt/Regionalkultur gehören nunmal auch die großen Einrichtungen wie Stadttheater, Museum, u.a., die selbstverständlich auch öffentlich gefördert werden müssen. Streiten läßt sich sicher über die Anzahl und die Dichte dieser Einrichtungen – vor allem in einer Region wie dem Ruhrgebiet. Muss jede Stadt im Ruhrgebiet 5-Spartenhäuser betreiben? Braucht jede Stadt hier ein Konzerthaus? Fragen sind eher zu stellen nach dem, was in den großen Häusern an Programm/Qualität geboten wird und nach der Offenheit in Bezug auf Publikum, (regionale) Künstler und einer heterogenen Stadtgesellschaft insgesamt. Zu fordern ist daher eine Erhöhung der Kulturetats in den Kommunen – und eine regionale Sichtweise, die auf künstlerische und kulturelle Schwerpunkte, auf Qualität, Offenheit und auf eine zeitgemäße Weiterentwicklung i.o.g. Sinne setzt.
Wer frei sein will, soll sich auf frei um seine Finanzierung, Räume etc. kümmern.
Wer A sagt, muss auch B sagen. Das würde ich übrigens auch bspw. als Zuschauer eines freien Angebots erwarten.
Lieber Herr Matern,
ich schätze Ihre Beiträge stets sehr. In Bezug auf Opern sind Sie hier allerdings etwas ungenau. Es ist richtig, dass in den Spielplänen das Repertoire des 20. JH und Uraufführungen weitgehend verschwunden sind. Ich finde das übrigens überaus bedauerlich. Allerdings ist dies nicht nur ein Phänomen, das im Ruhrgebiet zu beobachten ist, sondern letztlich deutschlandweit. Meiner Auffassung nach hat das vor allem damit zu tun, dass in den späten 1980er Jahren erstmals Wirtschaftlichkeitsforderungen an die Opernhäuser herangetragen wurden. Die Reaktion war eine Reduzierung des Repertoires auf sichere Nummern wie Mozart, Verdi, Puccini und Wagner. Heute ist ein Weg zu einem breiteren Repertoire auch dadurch schwerer geworden, dass das Opernpublikum das Hören anderer Stücke verlernt hat. In meiner Jugend war es durchaus üblich, dass auch Uraufführungen sich bestens verkauften, weil es eine grundsätzliche Neugier gab. Die ist insbesondere beim Opernpublikum heute leider weitgehend verloren. Auch wegen des Fehlens dieser Repertoirepositionen ist das Publikum überaltert. In Zeiten von Michael Gielen an der Frankfurter Oper, wo es ausschließlich zeitgenössische Inszenierungen und überwiegend Stücke jenseits des gängigen Repertoires zu sehen gab, war das Publikum im Schnitt um 30 Jahre jünger als ich es heute erlebe und die Oper Frankfurt hatte seinerzeit Traumauslastungen. Die jetzige Entwicklung zeigt aber auch, dass Kulturpolitik niemals kurzfristig agieren darf, weil die Schäden durch hastige Fehlentscheidungen ungleich langfristiger bestehen, weil Kultur und Bildung untrennbar miteinander verknüpft sind. Ein Mangel an kultureller Bildung macht das Verständnis von Kultur im ganzen unmöglich. Dieser Mangel an kultureller Bildung ist heute längst auch in den verbliebenen bürgerlichen Schichten und unter Akademikern angekommen. Das sind die Versäumnisse der Kulturpolitik der letzten zwanzig bis dreißig Jahre.
Dass die Oper übrigens ein Format sei, das dem alten Bürgertum angehöre, ist wenig griffig. Ursprünglich ist Oper ein höfisches Format. So hätte sie also auch schon am Übergang von höfischer zu bürgerlicher Kultur zugrunde gehen müssen/können. Ist sie aber nicht. Sie wird auch das Verschwinden des „alten“ Bürgertums überstehen und das nicht nur in ihrer Schwundstufe, dem modernen Musical. Wie wenig tot die Oper ist, würde sich sehr schnell zeigen, wenn man auf die Opern der 1950er und 60er Jahre zurückblicken würde, die seinerzeit das Format radikal hinterfragten und erneuerten. Das Problem ist nur: Auch das versteht niemand, der nicht über eine solide kulturelle Bildung verfügt. Wir kommen also immer wieder zurück zu diesem beklagenswerten Mangel an kultureller Bildung, der uns das Zeitgenössische heute oft so schwer verstehbar erscheinen lässt. Es ist aber ein Mangel, der nicht hinnehmbar ist, weil die Kultur, das aufmerksame Sehen, Hören und Verstehen (denn letztlich geht es vor allem darum), die Beschäftigung mit komplexen Strukturen und Abläufen, die nur für sich selbst bestehen, die Basis für das kritische Denken sind. Die Kultur (und damit ist ausschließlich die viel geschmähte Hochkultur gemeint) ist die Basis einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Wenn wir die Oper, das Theater, die bildende Kunst und das anspruchsvolle Kino verlieren, dann verlieren wir die Fähigkeit zu politischen und sozialem Denken, das die Grundlage dafür ist, dass wir aktive Teilnehmer der Demokratie sind.
Ich verstehe nicht, warum das alter eines Stücks etc. als Masstab für seine heutige Bedeutung (was auch immer das ist) genommen wird. Altes kann unbedeutend geworden sein wie Neues schon jetzt beduetungslos ist.
Was darf Natur?
Wäre es nicht auch schön, wenn nun der Herr Commandante sich noch einmal zu Wort melden würde und sein arg populistisch dahingesagtes Statement etwas konkretisieren würde. Ich wäre ja durchaus interessiert, wo er die Millionen von Oper und Grillo hintun würde, wenn er könnte, wie er will. Was sind denn die Bars und Clubs, die freien Theater und Kulturinitiativen in Essen, die das Leben hier so viel spannender und reicher machen? Ich wäre ja durchaus für Anregungen dankbar, vielleicht habe ich in meiner Stadt ja auch bisher etwas verpasst.
@Rimbaud | #14:
Dass die Oper übrigens ein Format sei, das dem alten Bürgertum angehöre, ist wenig griffig. Ursprünglich ist Oper ein höfisches Format. So hätte sie also auch schon am Übergang von höfischer zu bürgerlicher Kultur zugrunde gehen müssen/können. Ist sie aber nicht. Sie wird auch das Verschwinden des “alten” Bürgertums überstehen und das nicht nur in ihrer Schwundstufe, dem modernen Musical. Wie wenig tot die Oper ist, würde sich sehr schnell zeigen, wenn man auf die Opern der 1950er und 60er Jahre zurückblicken würde, die seinerzeit das Format radikal hinterfragten und erneuerten. Das Problem ist nur: Auch das versteht niemand, der nicht über eine solide kulturelle Bildung verfügt. Wir kommen also immer wieder zurück zu diesem beklagenswerten Mangel an kultureller Bildung, der uns das Zeitgenössische heute oft so schwer verstehbar erscheinen lässt. — soll dass heißen nach diesem Ansatz wäre zu der derzeitigen überflutung mit Kultur noch zusätzliche Zeit für die Gewöhnung an den Umgang mit dieser Hochkultur notwendig? Woher soll diese Zeit vom Menschen aufgebracht werden? Sobald dafür mit Staatlichen Mitteln Raum dafür geschaffen werden sollte, wird anderen Ortes über die Zerstörung der bestehenden Märkte durch freiheitsfeindliche staatliche Regulierung und Günstlingswirtschaft geklagt.
— frei nach dem Motto: … mit der Mitte in die Zukunft heißt Tradition pur …
@ #14 Rambow: Opern von 1950, 1960, das klingt heute nicht gerade besonders frisch, oder? Vielleicht war Ligetis „Le Grand Macabre“ (Uraufführung 1978) die letzte große Oper, die komponiert wurde. Wir sind inzwischen im 21. Jhd., und kaum ein Komponist interessiert sich noch für den alten Plunder 😉 Die Diskussion, ob die Oper noch zeitgemäß ist, wurde und wird z.B. auch in der neuen musikzeitung geführt.
Ich werde hier nicht über die Geschichte der Oper und ihre Rezeption diskutieren. Fakt ist, dass kaum noch jemand welche schreibt, ebenso, dass niemand gewillt ist, die ehemalige Rolle des Bürgertums zu übernehmen. Was immer dazu geführt haben mag, das Format ist tot. Aber die Neue Musik nicht! Weshalb fällt es derart schwer, sich den neuen Herausforderungen zu stellen?
Ohne das nun wirklich auszuführen, aber da vergessen wir doch zumindest Europeras von Cage und vor allem Licht von Stockhausen, womit wir dann auch im 21. JH sind.
@ alle Liebhaber „moderner“ Opern …
„Morton Feldman / Samuel Beckett: Neither
(…) Morton Feldmans ‘Neither’ kann als Versuch gelesen werden, die Gattung der Oper jenseits ihrer traditionellen Modelle neu zu definieren. Damit präsentiert die Ruhrtriennale zusammen mit ‘De Materie’ von Louis Andriessen wieder zwei einzigartige Musiktheater-Entwürfe des 20. Jahrhunderts (…)“
http://www.ruhrtriennale.de/de/programm/produktionen/morton-feldman-samuel-beckett-neither/
Hab ich in Berlin gesehen, wie’s war, wird natürlich nicht verraten, hier gibt‘s ein Video:
http://www.staatsoper-berlin.de/de_DE/repertoire/footfalls-neither.946379
Lieber Rambow # 14
Der Begriff der „kulturellen Bildung“ ist doch nur entstanden, um eine Rechtfertigung für Veranstalter und Künster zu sein, deren Opern, Theaterstückle, Ausstellungen usw. schlechtbesucht sind. Die heute 18 bis 30-jähringen sind doch nicht dümmer oderschlechter gebildet als die früher. Ganz im Gegenteil, der anteil derjenigen mit Abitur nimmt kontinuierlich zu.
Es ist arogant und dumm, wenn diejenigen, die es trotz sbventionen nicht schaffen jemanden für ihr „Werk“ zu begeistern denjenigen einen Mangel unterstellen die sie auf Grund ihrer eigenen Unfähigkeit nicht erreichen.
Naja und dem Satz:
„Die Kultur (…) ist die Basis einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Wenn wir die Oper, das Theater, die bildende Kunst und das anspruchsvolle Kino verlieren, dann verlieren wir die Fähigkeit zu politischen und sozialem Denken, das die Grundlage dafür ist, dass wir aktive Teilnehmer der Demokratie sind.“
möchteich gerne einen aus Adornos Theorie der Halbbildung gegenüberstellen:
„Wenn Max Frisch bemerkte, daß Menschen die zuweilen mit Passion und Verständnis an den sogenannten Kulturgütern partizipierten, unangefochten der Mordpraxis des Nationalsozialismus sich verschreiben konnten, so ist das nicht nur ein Index fortschreitend gespaltenen Bewußtseins, sondern straft objektiv den Gehalt jener Kulturgüter, Humanität und alles, was ihr innewohnt, Lügen, wofern sie nichts sind als Kulturgüter“
@ #17 + @ #18: Danke für euer Entgegenkommen 🙂 Die angeführten neueren Arbeiten muss man keineswegs als Opern bezeichnen. Musiktheater kann weit mehr und anderes sein. Aber darüber werden andere entscheiden … in der Zukunft.
@ Rambow, Wolfgang Wendland | Der Satz von Adorno, dass alle Kultur korrumpiert sei, bezieht sich nicht nur auf die Kultur vor, sondern auch nach Auschwitz, ob von Staats wegen finanziert oder nicht. „Indie“ zu sein hilft eben nicht notwendig weiter, auch die Nazis waren es, bevor sie Establishment wurden.
Interessant ist der Vergleich mit den Nazis – die ihren Staat ja sehr betont als Kulturstaat verstanden haben – insofern, als er deutlich macht, dass, wenn man Kulturförderung diskutiert [unabhängig von diesem Kommandanten ganz oben], es eben nicht um Kultur geht, um deren Sinn und Güte und all das, sondern um die Frage, wie viel Staat man haben will:
In anderen Bereichen, die gesellschaftliches Handeln prägen, halten wir auf Liberalität: staatlich arrangierte Wirtschaft? staatlich gelenkte Presse? staatlich regulierte Religion? Bloß nicht, die Kultur hingegen …
… flieht schon mal unters Dach der Bildung. Bei Kultur geht es nicht mehr um Kultur, sondern um „kulturelle Bildung“, „Lebensbildung“, „interkulturelle Bildung“ und was es mehr an Legitimationsformeln gibt. „Bildung“ ist hier in der Tat zunächst erstmal ein anderes Wort dafür, dass alle akzeptieren, wenn der Staat sie organisiert.
Ich halte dafür, dass, wo Staat und Wirtschaft getrennt sind, Staat und Justiz, Staat und Religion, Staat und Presse usw., auch Staat und Kultur getrennt sein sollen nach demselben Muster wie sonst auch: Selber richtet der Staat keine Gottesdienste aus, fällt keine Urteile mehr, produziert keine Autos, schafft aber die Voraussetzungen dafür, dass es das alles geben kann, damit die Gesellschaft sich selber verständige darüber, was sie für gut befinde. Dafür muss kein Staat keine Oper, keinen Punk selber inszenieren, fördern aber soll er, dass Leute, die Oper und Punk auf eine Bühne bringen wollen, sie auf eine Bühne bringen können. Die Leute sind da, es fehlen Bühnen.
Uraufführung der Oper Charlotte Salomon in Bayern
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Ich frage mich ob diese Produktion im Mekka der Antisemiten genannt Duisburg wilkommen wäre.
@Duisblog: hüstel. Die Salzburger Felsenreitschule liegt in Österreich.
Dem Ruhrgebiet mangelt es weder an Kultureinrichtungen noch an Kulturschaffenden sondern an Kulturpublikum und das sowohl in den freien als in der staatlich alimentierten Bereichen. Das kann man aber nicht einfach herzaubern respektive herbilden, das muss man anlocken und überzeugen. Es gibt Regionen und/oder Städte in denen das gelingt, und das relativ unabhängig vom Umfang der staatlichen Förderung.
@ Arnold Voss | Welche Regionen und/oder Städte sind das, in denen das wie gelingt? – Oder gleich anders gefragt: Ist es der Markt, der es schafft, in dieser Stadt ein Publikum zu erzeugen, in jener nicht?
Aus dem Ruhrgebiet kann man nur eins… so schnell wie möglich wegziehen.
@Thomas Wessel | #28 , @ Arnold Voss | #29:
Das meinte ich bereits mit
— Kommentar #19
— selbst wenn im gesamten Ruhrgebiet die Erdkruste wegbrösen würde und ein Loch bis zum Erdmantel entstünde, würde es niemand zur Kenntnis nehmen. Alle die dort vorbeikämen, würden einfach weiter gehen, weil es nichts zu sehen gäbe.
@ Thomas Wessel # 29
In Berlin gelingt das z.B. Aber auch in Dresden und Leipzig. Selbst in Städten die so sehr unter ökonomischen Druck leiden wie New York gelingt es immer wieder, wenn auch immer weniger.
Der Markt als solches schafft kein Publikum, denn Kulturrezeption ist ein aktiver Prozess. Einfach nur anbieten nützt da wenig. Es bedarf einer allgemeinen Stimmung für Neues, einer urbanen Atmosphäre die sowohl Kulturschaffende als Kulturkonsumenten anzieht und miteinander in Verbindung bringt.
Das wiederum hängt sehr an einzelnen Personen die sich in besonderer Weise engagieren. Sprich, auch in der Provinz kann eine kreative Szene entstehen, wachsen und gedeihen und das ohne staatliche Förderung. So war es ja auch einmal im Ruhrgebiet und es gibt glücklicherweise neue, wenn auch kleine Pflanzen.
Gut wäre schon wenn diese nicht wie in den 70.gern und 80.gern systematisch am Wachsen gehindert und ihre Aktivisten vertrieben, oder wie in den letzen 10 Jahren durch eingeflogene Miles-And-More-Stars ins Hinterzimmer verdrängt und so zum Verkümmern gebracht werden.
@ Arnold Voss, Duisblog | Das Kultur-Publikum insgesamt ist eine stabile Quantität: Dass in den letzten 30 Jahren immer mehr Angebote den Markt der Aufmerksamkeit geflutet haben, hat lediglich zu mehr Besuchen, aber nicht zu mehr BesucheRn geführt.
Wenn es seit den 70er Jahren Veränderungen gab, dann innerhalb dieses Volumens, nämlich im Verhältnis der Sparten zueinander [Klassik verliert, Volks- und Schlagermusik verliert, Pop gewinnt usw.] ebenso wie im Verhältnis der Städte/Regionen zueinander [Städte wie Berlin, Dresden, Leipzig haben ihr kulturinteressiertes Publikum ja nicht geschaffen, sondern abgeworben].
Absehbar, dass dieses Kulturpublikum als halbwegs stabile Größe zerbröseln wird, weil erstens sozial exklusiv und zweitens demographisch überaltert. Das Publikum von Oper/Klassik, um bei diesem Beispiel zu bleiben, liegt im Schnitt bei knapp 60 Jahren; die nachfolgende Generation der 40-50jährigen wird sicherlich nicht im früher mal üblichen Umfang in diese Kultursparte hinüber wechseln [einmal Jagger, immer Jagger]; „audience development“ und „interkulturelle Öffnung“ werden die Sterbequote im Leben nicht ausgleichen.
Ähnlich lässt sich die jeweilige Entwicklung anderer Sparten prognostizieren und insgesamt feststellen, dass der Mega-Trend von Differenzierung/Pluralisierung – nun denn doch einmal – auch auf den Kultur-Sektor durchschlagen wird. Weniger, älter, bunter: Das ist keine Neuigkeit, darauf muss auch der Kultur-Staat mal reagieren, und da er an der demographischen Entwickung [„weniger, älter“] nichts ändern kann, bleibt nur, das „Bunter“-Werden abzubilden.
Da beginnt dann die eigentliche Debatte: Die einen meinen, es sei das Publikum, das bunter werden müsse, die Infra- und Angebotsstruktur dagegen könne bleiben. Die anderen meinen, es gehe nicht ums Publikum, sondern um die Bühne, nicht um Zuschauer, die man von sonstwoher „abholen“, sondern um Akteure, denen man Bühnenraum aufschließen müsse. Das Publikum bildet sich oder es bildet sich nicht.